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Die 2. Ebersbacher Gedenkrunde für Vielfalt, Menschenrechte und Demokratie – gegen das Vergessen am 8. Mai 2025

Bei der 6. Station der Runde ging es um die Frage: Wie hat sich die Kirche verhalten? Hat sie geschwiegen zu den Untaten des Nazi-Regimes? Diese Station...
Foto: Bülent

Bei der 6. Station der Runde ging es um die Frage: Wie hat sich die Kirche verhalten? Hat sie geschwiegen zu den Untaten des Nazi-Regimes?

Diese Station sollte vor der Evangelischen Veitskirche stattfinden. Wegen der unvorhergesehen Kälte an diesem Abend musste sie aber im Gemeindesaal der Kirche ausklingen.

Hat die Kirche geschwiegen? Diese Frage kann nur mit Ja und Nein beantwortet werden.

Viele Kirchenleitungen haben versucht, sich zu arrangieren, um zu überleben. Nur einzelne Gruppen und Pfarrer und die sich bildende „Bekennende Kirch“ haben sich in bestimmten Notlagen geäußert und protestiert und konkret z. B. jüdische Menschen versteckt oder zur Flucht verholfen.

Dazu gehörte auch der Ebersbacher Pfarrer Hermann Diem, der im April 1934 die Pfarrstelle übernahm (1934-1955). Sein Widerstand richtete sich einerseits gegen den NS-Staat, der immer wieder versuchte, sich in die Angelegenheiten der Kirche einzumischen, andererseits protestierte er gegen die oft ambivalente Haltung von Bischof Wurm gegenüber dem NS-Staat. So forderte Bischof Wurm von den Pfarrern in Württemberg, einen Treueid auf Hitler abzulegen.

Hermann Diem und ca. 50 befreundete Pfarrer verweigerten sich.

Nach der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 setzte er sich in Predigten gegen die Diskriminierung der Juden ein.

Die Sorge um die Juden führte ab 1942 dazu, dass ein Verlegerkreis in München versuchte, Juden in die Schweiz zu bringen. Hermann Diem war daran beteiligt, kannte als geübter Bergsteiger gute Wege durchs Inntal zum Dreiländereck Südtirol/Österreich und Schweiz.

Vor Ostern 1943 formulierte er in diesem Verlegerkreis den sogenannten „Münchener Laienbrief“ an den bayrischen evangelischen Bischof Meiser.

Darin heißt es u.a.:

Als Christen können wir nicht länger ertragen, dass die Kirche in Deutschland zu den Judenverfolgungen schweigt. In der Kirche des Evangeliums sind alle Gemeindeglieder mitverantwortlich für die rechte Ausübung des Predigtamtes. Wir wissen uns deshalb auch für sein Versagen in dieser Sache mitschuldig“.

Bischof Meiser wurde der Brief überbracht, aber unternahm nichts.

Wenig später nahm die Familie Diem die aus Berlin geflohene jüdische Frau Neumann mit ihren 2 Kindern im Pfarrhaus auf. Sie waren über den Stuttgarter Pfarrer Kurt Müller, ein Freund Diems, an ihn vermittelt worden. Pfarrer Müller war einer der Organisatoren der „Württembergischen Pfarrhauskette“, bei der sich viele Pfarrhäuser beteiligten, um Juden vor dem Abtransport in Konzentrationslager zu verstecken.

Mit Bürgermeister Seebich war vereinbart worden, die Familie legal als „Bombenflüchtlinge“ wieder auftauchen zu lassen. Der Familie Neumann gelang das nicht, sie wurde denunziert, im Pfarrhaus von der Gestapo verhaftet und später ermordet.

Pfarrer Diem wurde verhört, aber er konnte deutlich machen, dass er die Familie für Bombenflüchtlinge gehalten habe – ihm und seiner Familie passierte nichts.

Nach Krieg und Gefangenschaft kam Hermann Diem Anfang September 1945 nach Ebersbach zurück. In seiner Predigt vom 09.09.1945 sprach er darüber, dass auch im Krieg Gottes Wort verkündigt worden war, aber die meisten von uns „mitschuldig geworden sind,weil wir die Dinge geschehen ließen.“

Hermann Diems Name ist in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ aufgenommen worden.

Mit einem mehrfach und voller Hoffnung gesungenen „Hevenu shalom alechem…“, „Wir wollen Frieden für alle, Frieden für die Welt“ endete die letzte Station und der Abend der 2. Gedenkrunde in Ebersbach.

Erscheinung
Ebersbacher Stadtblatt
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Ausgabe 26/2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
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