Die Eislinger CDU feiert traditionell den Tag der Deutschen Einheit. Am vergangenen Freitag, dem Feiertag „Tag der Deutschen Einheit“, wurde dazu ins Foyer der Stadthalle eingeladen. Als Gastredner berichtete in diesem Jahr Klaus Kelle über die turbulenten Monate zwischen dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung, die er als Reporter in Berlin hautnah miterlebte.
Inzwischen lebt er selbst im Osten, wie die ehemalige DDR heute gerne bezeichnet wird. Vieles habe sich für die Menschen dort materiell verbessert. Die Stimmung sei trotzdem schlecht. Auch 35 Jahre nach der Wende unterscheiden sich Ost- und Westdeutsche, was nicht allein in den sehr unterschiedlichen Wahlergebnissen abzulesen ist. Aber der Reihe nach.
Plötzlich war die Grenze auf
Im Jahr 1988 sei er als Radio-Reporter nach West-Berlin gekommen, berichtete Kelle seinem Eislinger Publikum. Dass einmal die Grenzen geöffnet werden würden, daran hätten viele Menschen nicht mehr geglaubt. Auf einer rauschenden Geburtstagsfeier habe er am Abend des 9. November 1989 von der überraschenden Grenzöffnung erfahren. Dann musste es schnell gehen.
Ob die Grenzöffnung eher ein Missverständnis war, ist bis heute unklar. Fest steht aber, dass es keinen großen Plan für das Ereignis gab. Niemand war darauf vorbereitet. Mit einer konfusen Erläuterung zur neuen DDR-Reiseregelung läutete Politbüro-Mitglied Günter Schabowski das Ende der deutschen Teilung wohl eher unbeabsichtigt ein. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl ergriff die Chance und tütete die Deutsche Einheit mit viel diplomatischem Geschick ein. Bei allen Fehlern, die Kohl später gemacht haben mag, bleibt er damit vielen Menschen bis heute als „Kanzler der Einheit“ in Erinnerung.
Noch angetrunken sei er mit einem Taxi zu seinem Sender gefahren, so Kelle weiter. „Dann sind wir mit dem Reportagewagen ausgerückt“, so der 66-Jährige. Bis in die frühen Morgenstunden hätten sie Menschen an der Grenze interviewt. „So etwas erlebt man nur einmal im Leben, wenn überhaupt“, sagte der Redner rückblickend. Es sei ein bewegender Moment gewesen. Und nach der Rückkehr in den Sender habe er todmüde noch über mehrere Stunden Anfragen von Kollegen aus der ganzen Welt beantwortet.
Die Ereignisse überschlagen sich
Die Wiedervereinigung war aber nicht nur Weltpolitik. Gerade in Berlin ging es auch um die grundlegenden Fragen wie eine funktionierende Müllabfuhr. Hinzu kam der „menschliche Aspekt“, wie es Kelle nannte. Dieser sei wohl im Rückblick zu wenig beachtet worden. „Ich dachte, jetzt ist alles prima. Das war ein Irrtum“, sagte der Redner über die erste Zeit nach der Wende. Viele Ostdeutsche hätten materiell profitiert, von Reise- und politischer Freiheit ganz zu schweigen. Die Stimmung ist trotzdem schlecht. Vor allem im Osten wird die Wiedervereinigung zunehmend kritisch gesehen. Wie passt das zusammen? „Wir ticken ganz unterschiedlich“, sagte Kelle über die Mentalität der Ost- und Westdeutschen. Viele Ostdeutsche fremdelten immer noch mit dem wiedervereinigten Deutschland.
Vieles aus dem Westen wurde in den Osten übertragen. Aber wurde auch etwas aus dem Osten in den Westen übernommen? Anekdotisch berichtete Kelle über ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin aus dem Osten, die ihm sagte: „Im Radio spielen sie jetzt nicht mehr unsere Musik.“
Je länger das Ende der DDR zurückliegt, desto verlockender scheint es für viele Menschen zu sein, die Mauer zu vergessen. Unter dem Stichwort „Ostalgie“ wird das für die allermeistern Menschen harte Leben in einer sozialistischen Diktatur verklärt. Und im Westen? Ist der Tag der Deutschen Einheit ein Feiertag des Volkes, ein Nationalfeiertag wie er in den USA am 4. Juli oder in Frankreich am 14. Juli gefeiert wird? Mitnichten. Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Feiertag der Eliten und Honoratioren. Es gibt einige kleine offizielle Feiern.
Am Ende zog der Redner Kelle dennoch ein positives Fazit. Letztlich sei die Einheit doch gelungen, wenn auch nicht alles perfekt ist.
Nach der Begrüßung durch den CDU-Ortsverbandsvorsitzenden Axel Raisch und einigen einleitenden Worten des JU-Kreisvorsitzenden Tobias Poetsch sowie dem Vortrag des Hautredners des Vormittages ging die Gesellschaft zum Singen der Nationalhymne und dem feierlichen Luftballonstart über. Anschließend folgte der gesellige Teil des Vormittags. bra