Literatur

Die Grötzinger Hedi Schulitz und Horst Koch sind bei den Karlsruher Literaturtagen mit dabei

Von der Freiheit des eigenen Ichs und der anderen: Jean-Paul Sartre Was würde der Philosoph Jean-Paul Sartre (1905 - 1980) wohl heute tun? Sartre gilt...
Die Grötzinger Hedi Schulitz und Horst Koch sind bei den Karlsruher Literaturtagen mit dabei Horst Koch Kohi Südstadt Karlsruhe Manuskript Rolle
Horst Koch, der das Stück geschrieben hat, überzeugte wie Hedi Schulitz in seiner Rolle.Foto: war

Von der Freiheit des eigenen Ichs und der anderen: Jean-Paul Sartre

Was würde der Philosoph Jean-Paul Sartre (1905 - 1980) wohl heute tun? Sartre gilt als französischer Hauptvertreter eines atheistischen Existentialismus. Auf ihn geht zum Beispiel der Satz „Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt“ zurück. Wie sich Sartre und seine Partnerin Simone de Beauvoir heute unterhalten könnten, das haben sich Hedi Schulitz und Horst Koch ausgedacht. Am Sonntag der Vorwoche lieferten sie dem Publikum im Rahmen der Karlsruher Literaturtage im Kohi in der Karlsruher Südstadt einen Eindruck von Sartres Existenzialismus.

Schulitz verkörperte einerseits die Psychologin, andererseits versetzte sie sich immer wieder in die Rolle Simone de Beauvoirs (1908 - 1986), Jean-Paul Sartres Lebensgefährtin. Sie analysierte Sartres (Horst Kochs) Persönlichkeit und konfrontierte ihn damit. In Szene 2 „Freiheit“ geht es philosophisch streng zur Sache. „'Der Existenzialismus ist ein Humanismus'“, sagt Sartre. Er fasst das wie folgt zusammen: „Der Existenzialist glaubt nicht an die Macht der Leidenschaft und nicht an die Macht der Vergangenheit. In jedem Augenblick ist der Mensch ohne Halt und Hilfe verurteilt dazu, sich selbst zu erfinden. In jedem Augenblick neu. Er wählt sich. Frei von Leidenschaften und von Vergangenheit. Seine Existenz geht der frei gewählten Essenz voraus.“ Ungläubig fragt die Psychologin: „Die Existenz geht der Essenz voraus? Das Wesentliche muss erst mal erfunden werden?“ Sartre antwortet: „Ein Mensch zeichnet sein eigenes, nach außen gekehrtes Antlitz und außerhalb dieses Antlitzes gibt es nichts. Nichts! Allein die Wirklichkeit zählt – nicht die Träume und Hoffnungen eines Menschen.“ Die Psychologin mag das kaum glauben: „(…) Nicht die Träume? Was für eine graue Welt.“ Sartre antwortet: „Die Wirklichkeit, das sind die anderen. Ich wähle mich durch mein Handeln angesichts der anderen. Sie sind das Fremde, in dem ich mich handelnd behaupten muss. Sie können mir zur Hölle werden.“ Die Psychologin, die de Beauvoir, macht sich lustig. „Sie erlauben, dass ich Ihnen jetzt ein wenig zur Hölle werde?“ Gönnerisch neckend antwortet Sartre, sie wolle ihn ja nur klein machen “(…) – „meine radikale Freiheitsphilosophie psychologisch dekonstruieren. Als Abdruck von Kindheitserlebnissen usw. Man kennt das ja.“

Kritik

Die Psychologin kritisiert die „Psychologie eines Großdenkers“, wie sie ironisch anmerkt. „Warum diese verbrannte Erde: Kindheit, familiäre Herkunft, Menschheitsgeschichte, Natur, Leidenschaft, Evolution. Keine Vergangenheit, nichts besteht im Höllenfeuer Ihrer absoluten Wahlfreiheit. ‚Sartre‘ ein Phönix, der aufsteigt aus der Asche der Zeit selbst“, sagt sie. Sartre wirft sie vor, nicht wissbegierig, sondern geradezu kontrollsüchtig zu sein. „Ihre berühmte Lebensgefährtin Simone de Beauvoir hat Ihnen gelegentlich Ihr imperiales Verhalten vorgeworfen, Ihr Gefühl, geradezu Gottvater selbst zu sein. Sie sind ein Kontrollfreak. Und die Vergangenheit kann man nicht mehr kontrollieren. Also, weg damit.“ Damit kritisiert sie auch, dass der Philosoph zu sehr von sich selbst eingenommen ist. Nicht weg, sondern nichts wie hin heißt es dann, wenn nächstes Jahr Hedi Schulitz und Horst Koch den Philosophen Jean-Paul Sartre dem Publikum in der Durlacher Orgelfabrik präsentieren. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

Hintergrund

Horst Koch beschäftigt sich gerne mit Philosophie und hat das Stück deshalb mit seiner Frau Hedi Schulitz um- und in Szene gesetzt sowie das Manuskript geschrieben. Schon mehrfach hat er sich mit der Interpretation und Inszenierung philosophischer Stücke auseinandergesetzt. Horst Koch ist 1945 in Eilenburg geboren worden. Er ist unabhängiger Schriftsteller und schreibt Romane sowie Theaterstücke. Bücher sind beispielsweise "Die dunkle Seite der Mathematik" und "Geld Amok Aus – der Bankenkrimi." Horst Kochs Theaterstücke heißen unter anderem "Ewige Wiederkehr: Lou Salomé und Friedrich Nietzsche", "Voltaire – ein Mann wie tausend Volt" und "Der ausdehnungslose Herzschlag der Dinge und ein Gott, der nicht zählen kann – ein surreales Bühnenstück zur Mathematik des Unendlichen." Hedi Schulitz ist Literatin, geboren in Rastatt und heute mit Horst Koch in Grötzingen lebend. Sie hat Romanistik und Slawistik studiert. Sie ist seit 2007 Mitglied der GEDOK-Karlsruhe, dort seit 2008 1. Fachbeirätin für Literatur. Schulitz schreibt vorwiegend Prosa. In ihrem Roman "Die Schattenfrau" beschreibt sie das dunkle Geheimnis und Drama einer Familie zwischen zwei Welten. Bekannt in Grötzingen ist die Autorin auch durch ihr Buch "Das Chippendale" geworden. Weitere Infos unter www.hedischulitz.de. (war)

Erscheinung
Grötzingen Aktuell
Ausgabe 42/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
15.10.2025
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