
Das Brackenheimer Gotteshaus ist fast 1000-jährig
Von Irmhild Günther Man fährt an ihr vorbei, wenn man von Süden her nach Brackenheim kommt – es sei denn, man hat schon von weither ihren Kirchturm aus Bäumen herausragen sehen, den „Zeigefinger Gottes“. Gerade dieser, nämlich das Dach des Turmes ist nicht tausendjährig. Die romanische, dreischiffige Basilika hatte ohnedies ein anderes Aussehen, eben gerade durch das Dach. Der ursprüngliche Bau wurde in allen Jahrhunderten erneuert, verbessert, umgebaut und auf den Stand der Zeit gebracht. So kommen alle Baustile hier vor: Nach der Romanik kommt die Gotik. Vorhanden ist auch die Renaissance, ja sogar der Jugendstil. Forstamtmann Otto Linck schrieb schon 1942, dass es sich hier um den „kunstgeschichtlich gewichtigsten Kirchenbau des Zabergäus“ handelt.
Man fährt also vorbei, gerade, wenn man das südliche Ortsschild passiert hat. Das Gotteshaus befindet sich gerade noch in der freien Landschaft. Es war einmal eine Feldkirche. Die hat Herzog Christoph von Württemberg ab 1555 alle abreißen lassen, weil er mit Annahme des evangelischen Glaubens für sich und sein Land diese „katholische“ Tradition vergessen lassen wollte. Dies war eine Ausnahme, weil die Johanniskirche einmal Pfarrkirche war. Sie hat diese Funktion 1510 an die Jakobuskirche abgeben müssen, die damals wie heute in der Ortsmitte steht. Diese Feldkirchen haben das Landschaftsbild an vielen Stellen mitgeprägt. Die Orte waren klein und manchmal nur Höfe im Umkreis, von denen die Leute an Gottesdiensten zusammenkamen. So schaut die Johanniskirche bis heute ins Zabergäu und auf das gegenüberliegende Schloss Magenheim am Michaelsberg. Die Magenheimer erbauten sie im 14. Jahrhundert, für ihre verstorbenen Familienmitglieder Egeno und Erkinger von Magenheim, gestorben 1363 und 1365, wurden hier beerdigt, allerdings nicht in einer Krypta, die man betreten kann. Es hat aber so zahlreiche bauliche Veränderungen gegeben, dass man das nicht so genau weiß. Die Kirche hatte zum Beispiel zwischen Kirche und Schiff einen sogenannten Lettner, eine kunstvolle Trennwand zwischen Chor und Schiff, der abgerissen wurde. Kunstwerke wie Bauteile, Malerei und Glasfenster sind nennenswerte Kleinodien. Inschriften gibt es in Hebräisch, Griechisch und Türkisch.
Es gab notwendige und stilistische Änderungen, durch die die gesamte Kirche ein einziger Mix von Stilrichtungen wurde. Hinzu kommen Maßnahmen aus moderner Zeit, in denen auch unterschiedliche Rücksichten stattfanden. Denkmalschutz hat sich im Laufe der Zeit auch entwickelt. Auch wissenschaftliche Ergebnisse wurden widerlegt und Feststellungen als Legenden erklärt. So war ein Professor 1903 der Meinung, in der später angebauten Sakristei die Kapelle der Soldan gefunden zu haben. Er fand Knochenreste und schloss auf eine Beinhauskapelle. Es gab einen türkischen Offizier mit Namen Soltan, der sich 1305 christlich taufen ließ. Er soll drei große Söhne gezeugt haben, die man die großen Soldaten nannte. Diese hätten in einer Kapelle an der Pfarrkirche zu Brackenheim ein christliches Begräbnis bei ihrem Vater erhalten. Seitdem sprach man von einer Soldatenkapelle. Diese Soldan sollen sogar zu den Ahnen Goethes zählen!
Die Johanniskirche ist aber nicht nur eine Feldkirche und Pfarrkirche, sondern auch eine Friedhofskirche, und das bis auf den heutigen Tag. Von Grabräubern stammt ein Bericht von 1908. Da wurden sieben Grüfte im Boden des Kirchenschiffs geöffnet. Es kam Schauerliches ans Tageslicht. In einer Gruft von 1623 lag das Gerippe einer Frau, deren Sarg ganz verfallen war. Ein männliches Gerippe in einem Doppelsarg trug Jacke, Rockhose und Schnallenschuhe. Der völlig erhaltene Anzug kam nach Stuttgart. In einer weiteren Gruft war ein völlig zerstörter Sarg mit einem Frauengerippe, dem eine seidene Haube auf dem Gesicht lag. Die Grabräuber hatten die Leiche achtlos liegen lassen.
Auffallend war, dass ihr ein großes Stück Erde in den Sarg gegeben war. In der dritten Gruft lag in einem vollständigen Sarg das Gerippe einer älteren Frau mit vier grünen Perlen, Reste von Knöpfen, in der vierten Gruft, Gerippenreste einer Frau in einem zerstörten Sarg, in der fünften und sechsten von den Räubern ebenfalls zerstörte Gerippe eines Paares und einer Frau. Nicht die Grabruhe von Toten wurde gestört, sondern auch ganz alte Grabsteine als Bausteine verwendet – diesmal in guter Absicht, dass man alte und fast unleserliche Grabplatten noch verwenden kann, und zwar in diesem Fall für Wasserrinnen, die das Gelände entwässern sollten. Die Feuchtigkeit macht der Johanniskirche schon seit Jahrhunderten nämlich großen Schaden. Erhalten geblieben ist von den Epitaphen (Grabplatten), die von dem Erbauer des Brackenheimer Schlosses Berwart aus dem 17. Jahrhundert, der aus der Burg der Magenheimer ein Schloss der Württemberger machte. Wer weiß, wessen Grabplatte gar nicht mehr vorhanden ist.
Nun ist man ganz aktuell darauf gekommen, dass die gesamte Nordwand der Johanniskirche saniert, also getrocknet werden muss. Anlass ist die Demontage des genannten Berwart-Epitaphes außen an der Ostwand. Diese Grabplatte soll zum besseren Schutz an die Innnenseite der Nordwand kommen. Die ist aber viel zu feucht. Denkmalamt, evangelisches Dekanat, Stadtverwaltung, Stadtführer wurden alarmiert. Die Kosten belaufen sich mittlerweile auf 90.000 Euro. Helfer in der Not und erster Spender der Kosten für den Berwartgrabstein ist Ulrich Peter, der mit den genannten Zuständigkeiten zusammenarbeitet und an einen Tisch gebracht hat. Anträge laufen. Vielleicht finden sich noch mehr Notwendigkeiten. Erhaltenswert ist jedes Detail. Wichtig ist zunächst einmal, weiteren Wasserschaden von diesem großartigen Schatz des Landes, des Landkreises und des Zabergäus zu erhalten für zukünftige Generationen.