Heimatverein Rettigheim e. V.
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Die Karwoche 1945 in Rettigheim

In der Wochenendausgabe der „Rhein-Neckar-Zeitung“ 29./30. März 2025 wurde über die letzten Kriegstage rund um den Letzenberg berichtet. In mehreren...

In der Wochenendausgabe der „Rhein-Neckar-Zeitung“ 29./30. März 2025 wurde über die letzten Kriegstage rund um den Letzenberg berichtet. In mehreren Artikeln wurde nachgezeichnet, was sich in einigen Orten unmittelbar vor und nach der Einnahme durch die alliierten Truppen abspielte. Da Rettigheim hier unerwähnt bleibt, soll dieser Artikel diese Lücke füllen. Das Heimatbuch Rettigheim geht nur in wenigen Sätzen auf das Ereignis ein. Es ist im Pfarrarchiv Rettigheim eine handschriftliche Darstellung der Ereignisse vom damaligen Pfarrer Gotthard Schuler vorhanden, die er vermutlich zeitnah verfasste und als authentisch angesehen werden kann. Er berichtet zunächst, dass Ende November 1944 eine deutsche Ersatz- und eine Ausbildungskompanie in den Ort verlegt wurde. Als die deutschen Truppen im Frühjahr 1945 den Rückzug begannen, sei der Stab der ersten Armee für etwa acht Tage in Rettigheim einquartiert gewesen. Der Divisionspfarrer (Berger, aus dem Bistum Münster), war bei Pfr. Schuler im Pfarrhaus untergekommen. Über die folgenden Ereignisse schreibt Pfr. Schuler:

"In den letzten Tagen der Charwoche waren SS-Truppen noch da, sowie ein Volkssturm- und eine Pionierkompanie. Diese machten mit wenigen Ausnahmen auf alle einen schlechten Eindruck. Sie schnitten die Telefonleitungen ab und sprengten am Ostersonntag Abend, bevor sie fluchtartig den Ort verliesen, Bäume und Telefonstangen an der Strasse nach Malsch und nach Mühlhausen-Rotenberg, eine Tat, die nur von einem Narren oder recht böswiligen Menschen den Pioniersoldaten befohlen sein konnte. Am Ostersonntag in der Frühe konnte noch das Hochamt gehalten werden. Ein weiterer Gottesdienst war nicht mehr möglich. Am Abend aber wurde es gefährlich, als die feindliche Artillerie in den Ort hineinschoss. Einige Häuser wurden beschädigt und abgedeckt (Johann Rühl, Johann Brückmann…). Wir kamen mit den Schrecken davon.

Als ich am Ostermontag nach dem Hauptgottesdienst noch auf die Gefahren für die Kinder durch die überall herumliegende Munition aufmerksam machte und die Eltern eindringlich bat, täglich die Kinder zu warnen, jegliche Munition in die Hand zu nehmen - hier kam deshalb kein einziges Unglück vor im Gegensatz zu allen ringsum liegenden Orten - und dann zur Beruhigung allen sagte: „Für uns ist jetzt Gott sein Dank der Krieg (als Kriegsschauplatz) beendet“, da wollten es viele noch nicht recht glauben, weil über Östringen draussen noch schwer gekämpft und geschossen wurde.

Seit der Einquartierung der (dt.) Soldaten, von denen auch alle Schulsäle belegt waren, war ein regelmäßiger Schulbetrieb nicht mehr möglich. Die Wirtschaften „Engel“ und „Krone“ wurden als Schulsäle benutzt sowie der Nähsaal. Von Februar (1945) ab musste fast jeder Unterricht wegen der feindlichen Flieger ausfallen.

Am Donnerstag nach Ostern kam ein kleiner Trupp Franzosen - die weisse Fahne war auf dem Rathaus gehisst -, welche auf dem Rathaus die Übergabe entgegennahmen. Sie setzten dann gleich nach Rücksprache mit Ratschreiber Werstein Josef Schmitt, Pflästermeister hier, zum Bürgermeister ein. Von der französischen Besatzung wurden dann alsbald mehrere Motorräder und zwei Autos beschlagnahmt, auch einige Radioapparate. Sämtlich Radioapparate mussten bis Freitag Mittag in der Schule abgeliefert werden und blieben dort bis sie nach einigen Wochen amerikanischer Besatzung wieder an die Eigentümer zurück gegeben werden durften. An die französische Besatzung mussten fast täglich Nahrungsmittel wie Hühner, Hasen, Eier etc. abgegeben werden. Sobald die Franzosen durch die Amerikaner abgelöst worden waren, hörte dies auf. Belästigungen der Frauen und Mädchen durch Soldaten der Siegermächte kamen hier nicht vor."

Anmerkung: Es verwundert, dass Rettigheim erst am Osterdonnerstag offiziell besetzt und erste amtliche Handlungen vorgenommen wurden, während dies in Malsch, Mühlhausen und Dielheim bereits am Ostermontag geschehen war (R. Werner).

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Gemeinderundschau Mühlhausen
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Ausgabe 14/2025

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