Obst- und Gartenbauverein Mittelstadt
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Die nächste Generation (Junior-)Fachwarte für die nächste Generation Obstbäume

Aktuell läuft im Landkreis Reutlingen der zweite Kurs „Juniorfachwart-Ausbildung“. Das Thema Winterschnitt wurde auf Wiesen in Pfullingen umgesetzt,...
Foto: KOV Reutlingen

Aktuell läuft im Landkreis Reutlingen der zweite Kurs „Juniorfachwart-Ausbildung“. Das Thema Winterschnitt wurde auf Wiesen in Pfullingen umgesetzt, mit Unterstützung durch Obst- und Gartenbauvereine aus dem Kreisgebiet. Die Stadt Pfullingen sorgte bei den frostigen Temperaturen für ein warmes Vesper, denn die Jugendlichen hatten am Vormittag schon einiges geleistet.
Johanna steht auf der Leiter in einem Apfelbaum und ist unschlüssig: Welchen der Triebe soll sie jetzt anschneiden? Kurz berät sie sich mit ihrem Kursleiter, Christian Wieland. Gemeinsam wählen sie einen geeigneten Trieb aus. Beherzt schneidet sie ihn an, bricht Innenknospen aus, entfernt Konkurrenztriebe. Und dann geht es an den nächsten Ast.
Johanna ist 15 Jahre alt. Gemeinsam mit 13 weiteren Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren nimmt sie an der Juniorfachwarte-Ausbildung des Kreisverbandes der Obst- und Gartenbauvereine und der Fachvereinigung Obstbau im Kreis Reutlingen teil. Heute trifft sich der Jahrgang zum Schnittkurs auf einer Obstwiese im Lippental. Aus dem gesamten Landkreis sind sie zusammengekommen, um jetzt bei schönem Wetter und im Schnee weiter Schnitterfahrung zu sammeln. Viele der Jugendlichen kommen aus Familien, die eigene Obstwiesen bewirtschaften. Das bringt die Motivation, selbst mit Hand anzulegen bei der Arbeit.
Begleitet werden die Jugendlichen von einem Team aus erfahrenen Obst- und Gartenfachwarten. In Dreiergruppen verteilen sie sich auf der Wiese. Die Jugendlichen steigen auf die Leitern, während die Fachwart*innen vom Boden aus Ratschläge geben und Fragen beantworten. Thema dieses Ausbildungsmoduls ist der Erhaltungsschnitt: die Jugendlichen lernen, wie sie erwachsene Bäume fachgerecht pflegen, damit diese vital bleiben, eine stabile Krone ausbilden und reiche Ernte bringen. Schritt für Schritt arbeiten sie sich durch die Obstbäume: unter der Aufsicht der Erwachsenen stellen sie die Leitern, wählen eine Stammverlängerung aus, bestimmen Leit- und Fruchtäste, entfernen Überbauungen und korrigieren Fehlentwicklungen im Kronenaufbau.
Christian Wieland von der Fachvereinigung Obstbau hat den Kurs organisiert und leitet das Wochenende. Er ist ein erfahrener Fachwart, bewirtschaftet mehrere eigene Flächen im Landkreis und ist auch regelmäßig Ausbilder bei der Fachwart-Ausbildung der Erwachsenen. In seiner Freizeit widmet er sich aktuell der Ausbildung der nächsten Generation von Streuobst-Fachwarten. Er stellt fest: „Die Zukunft der Kulturlandschaft Streuobstwiese liegt in den Händen der Jugend! Über Generationen haben Menschen mit viel Freude geschuftet. Entstanden ist ein wertvoller Schatz für die Artenvielfalt! Diesen gilt es zu bewahren, für die klimatischen Herausforderungen resilient zu machen und die Biodiversität zu fördern und zu schützen.
Ich möchte meine Passion zur Sortenvielfalt und Baumpflege an die nächste Generation weitergeben, denn die Pflege der Obstwiesen ist nicht nur was für „alte weiße Männer“, sondern muss mit jungem Geist weitergeführt werden.“
Neben Christian Wieland sind an diesem Tag noch drei weitere Fachwarte im Einsatz: Lucas Sergent und Rolf Goller vom OGV Lichtenstein, und Simon Walch von der Fachberatung Obst- und Gartenbau im Kreis Reutlingen. Bianca Oswald vom OGV Mittelstadt, ist als Streuobstpädagogin ebenfalls dabei. Sie alle eint der Wunsch, ihr Wissen und ihre Leidenschaft für Streuobstwiesen an die nächste Generation weiterzugeben.
„Streuobstwiesen mit ihren großkronigen Bäumen sind immer schon Mehrgenerationen-Projekte“, sagt Simon Walch vom Landkreis Reutlingen. „Damit diese artenreichen Biotope und die immense Vielfalt an Obstarten und -sorten weiter erhalten bleiben, ist es wichtig, die nächste Generation frühzeitig an unsere Streuobstkultur heranzuführen.“
Der heutige Schnitttag ist bereits der vierte Termin der Ausbildung. In den vorherigen Modulen haben die Jugendlichen sich schon mit den Besonderheiten und der Gefährdung von Streuobstwiesen befasst, selbst Obst geerntet und verarbeitet, eigene Bäume gepflanzt und die theoretischen Grundlagen der Schnitttechnik – den sogenannten „Oeschbergschnitt“- kennengelernt. Mit dem heutigen Tag sollen diese Grundlagen gefestigt und vertieft werden. Die Juniorfachwart-Ausbildung gibt es bislang nur in den Landkreisen Esslingen, Tübingen und Reutlingen, ist also eine Besonderheit hier bei uns im Streuobstparadies. Der dritte Ausbildungsgang im Landkreis Reutlingen wird voraussichtlich im Winterhalbjahr 2026/27 stattfinden.
Mittagessen gibt es nun im alten Bahnhof in Honau. Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins Lichtenstein haben mit der Unterstützung durch die Stadt Pfullingen eine reichhaltige Mahlzeit für die Teilnehmer*innen vorbereitet. Dessen Vorsitzender, Alfons Reiske, ist auch anwesend und hat sich auf der Wiese einen Eindruck von den Schnittfähigkeiten der jungen Menschen gemacht. Jetzt sitzt er unter den Jugendlichen, scherzt, verteilt Getränke und stellt sicher, dass alle genug zu essen bekommen.
Nach der Pause geht es zurück an die Bäume. Mittlerweile hat sich der Himmel zugezogen, aber das tut der Motivation keinen Abbruch. Stetig arbeiten sich die Kleingruppen über die Obstwiese und tragen somit dazu bei, dass auch ihre Generation einmal gesunde, große Altbäume voller leckerem Obst zur Verfügung haben werden.
(S. Walch, LRA Reutlingen)

Erscheinung
Gemeindebote der Reutlinger Stadtteile Mittelstadt, Reicheneck und Sondelfingen
NUSSBAUM+
Ausgabe 10/2025

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Reutlingen

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