Entwicklungen in einer einzigen Plankstädter Straße
Bei Gesprächen sowohl mit Neubürgern als auch mit alteingesessenen Plänkschdern wird immer wieder mal das Thema der Versorgung der Bevölkerung mit den Dingen des täglichen Bedarfs gestreift, besonders der Versorgung mit Lebensmitteln (siehe Grafik am Ende des Berichts).
Es ist ja kein Geheimnis und für jeden sichtbar, der mit offenen Augen durch die Gemeinde geht, dass immer mehr Geschäfte geschlossen haben und die Ladenlokale leer stehen. Über die vielen früheren Gaststätten wurde bereits berichtet und die Gewerbetreibenden, die noch nicht aufgegeben haben, müssen sich schon gewaltig nach der Decke strecken.
Dieses entmutigende Bild ist aber beileibe keine Eigenheit von Plankstadt. In allen Kommunen, von der kleinsten bis hin zu den Mittelzentren, finden wir diese Situation vor. Die Gründe dafür sind vielfältig, in zahlreichen Studien immer wieder analysiert worden und sollen hier nun nicht Gegenstand der Erörterung sein.
Hier soll vielmehr nur die Veränderung aufgezeigt werden, die Kommunen wie Plankstadt betreffen. Damit es übersichtlich bleibt, beschränken wir uns hier auf eine einzige Straße, den Waldpfad.
So gab es im Waldpfad drei Metzgereien, nämlich die Metzgereien Engelhardt, Treiber und Sessler. Bäckereien gab es gar vier, nämlich die Bäckereien Jakob Jung, Eugen Unfall, Brunner (vormals Ernst Treiber) und die Bäckerei Gärtner-Rös. Es gab drei Gastwirtschaften, den Erbprinzen (zur Metzgerei Engelhardt gehörig), das Café Gärtner und den Ochsen (zur Metzgerei Sessler am Waldpfad-Eck gehörig).
Weiter konnte man zwischen einem Damen- und zwei Herren-Friseursalons wählen, dem Damensalon Storck und den Herrensalons Heinrich Seitz und Fritz Schwarz, (Heinrich Seitz war zunächst an der Ecke Waldpfad/Hildastraße später an der Ecke Waldpfad/Moltkestraße); Liesel Storck hatte ihren Friseursalon sowohl im Laden ihres Vorgängers Heinrich Seitz als auch noch früher gegenüber im Haus Fertig.
Barbara Schwarz betrieb auch im Hintergebäude noch ein Wannenbad, was sehr wichtig war für die Hygiene der Bevölkerung, denn längst hatte nach dem Krieg noch nicht jedes Haus ein Badezimmer oder eine Waschküche, in der man auch eine Zink-Badewanne aufstellen konnte. Auch eine elektrische Mietwaschküche war im Waldpfad ansässig.
Ein Angebot an Kolonialwaren gab es zudem noch in jeder Bäckerei, und auch das Milchgeschäft Faulhaber hatte noch ein größeres Lebensmittelangebot. In den 40er Jahren gab es noch das Kolonialwarengeschäft Fertig an der Ecke zum Antoniusweg sowie die Kolonialwarenhandlungen im Haus Waldpfad 16 (Elternhaus von Sannchen Treiber) und die Kolonialwarenhandlung von Adam Engelhardt im Haus Waldpfad 58. Nicht zu vergessen die Schuhmacherwerkstatt Kieser im Waldpfad 35. Sogar eine Zigarrenfabrik fand sich in alter Zeit im Haus Waldpfad 6; dazu kamen noch die Schlosserei von Georg Hüngerle im Waldpfad 12 sowie die Weinhandlung Wüst.
Im Jahr 1951 kam noch die Waldpfad-Apotheke hinzu. Sicher gab es neben der Weinhandlung von Anna Wüst auch noch den einen oder anderen Flaschenbierhandel, denn gerade diese Nebenerwerbsgeschäfte schossen zu Beginn der 50er Jahre in Plankstadt wie Pilze aus dem Boden.
In etlichen Häusern übten Schneiderinnen ihr Handwerk aus, und Alice Kolb hatte als Klavierlehrerin ihr Gewerbe angemeldet. Auch die Schlosserei von Georg Hüngerle und die Lohndrescherei von Jakob Kolb hatten im Waldpfad ihr Domizil. Georg Schardt betrieb eine Desinfektions- und Reinigungsanstalt und Marianne Stabwasser im gleichen Haus ihre Massage- und Bäderpraxis. In späteren Jahren kam das Elektrogeschäft John hinzu (wo zuvor Heinrich Seitz seinen Friseursalon hatte). In den 40er Jahren fand sich im Waldpfad noch eine Zeit lang das Baugeschäft von Adam Huckele, der Rauchwarengroß- und Kleinhandel Neidig, welcher dann zum Wein- und Flaschenbierhandel abgewandelt wurde, außerdem die Holzverwertung Pöschel und sogar eine Agentur für Varieté- und Tanzveranstaltungen waren im Waldpfad gemeldet. Ein Bewohner übte das Gewerbe des Tapezierers und Polsterers aus.
Der Waldpfad war also unter heutigen Gesichtspunkten eine wahre Einkaufsstraße und die Bewohner konnten praktisch den größten Teil des Bedarfs für das tägliche Leben in der Straße decken. Auch war nach der damaligen Bebauung der Waldpfad von der Lage her begünstigt: Er war sowohl von der Siedlung her und den ersten Nachkriegs-Neubaugebieten zwischen Siedlung und Waldpfad gut erreichbar, als auch von der Wilhelmstraße her.
Trotzdem hatte der Waldpfad aber keinerlei Monopol- oder Sonderstellung, denn auch in allen anderen Straßen Plankstadts fanden sich zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten unterschiedlichster Art für den täglichen Bedarf sowie die unterschiedlichsten Geschäfte der Gewerbetreibenden.
Und heute im Jahr 2024? Der Satz aus Schillers „Glocke“ fällt einem unwillkürlich ein: „Leergefegt ist die Stätte …“ – kein einziges Ladengeschäft mehr, lediglich in der ehemaligen Bäckerei Brunner finden wir eine Fußpflege-Praxis, aber sonst? Der Dienstleistungsbetrieb Sold dient ja nicht dem täglichen Bedarf und auch sonst erschließt sich dem Betrachter nicht, ob möglicherweise hinter den Fassaden geschäftliche Aktivitäten ihren Sitz haben.
Anhand der Gewerbe-An- und -Abmeldungen lässt sich im Gemeindearchiv ein gutes Gesamtbild der Gewerbetätigkeit im alten Plankstadt erstellen. Eine zusätzliche interessante Quelle sind auch die archivierten Vereinsschriften, meist Jubiläumsschriften, deren Erstellung viele Plankstädter Gewerbetreibende durch ihre Werbeinserate ermöglicht haben
Ulrich Kobelke, Gemeindearchivar