Nach dreimonatiger Sommerpause nahm die Schwetzinger Kulturstätte „Alte Wollfabrik“ nun ihren Betrieb wieder auf – ein guter Anlass, einmal einen Blick hinter die Kulissen zur werfen.
Besucherinnen und Besucher stimmen darüber ein, dass ihnen die überschaubare Größe und die Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern gefallen. Die Bühne ist zwar erhöht, aber nicht abgetrennt, sondern im Zuschauerraum, der maximal 500 Personen fasst; die Besucherzahl verringert sich auf etwa 450, wenn Bistrotische aufgestellt sind, oder auf 330 Personen bei Reihenbestuhlung.
Einen schönen Blick auf die Bühne gewährleistet die Galerie oberhalb des großen Saals. An der Theke, die teilweise mit Barhockern bestückt ist, kann man sich kalte Getränke besorgen. - Dank einer Lüftungsanlage mit getrennter Zu- und Abluft sowie weiteren Deckenklimageräte herrscht stets ein angenehmes Raumklima im Zuschauerraum.
In der Lobby zwischen dem hinteren Eingang und der Bühne kann man auch mal die Künstler*innen nach dem Konzert für Autogramme oder Selfies treffen. Künstlergarderobe und Aufenthaltsräume für die Akteure befinden sich in für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereichen im Untergeschoss.
Besonders geschätzt wird der barrierefreie Zugang, sodass auch Rollstuhlfahrer*innen auf kurzem Weg vom Parkhaus nebenan zum Eingang gelangen, wobei die kleine Treppe vor dem Eingang über eine Rampe problemlos überwunden werden kann.
Eine geräumige behindertengerechte Toilette findet man im Erdgeschoss unweit der Bühne. Auffallend wohlklingend ist die Akustik im Konzertsaal, unabhängig von der Position, an der man sich gerade aufhält. Sowohl der jetzige Besitzer Joachim Schulze als auch der Vorbesitzer Harald Zimmermann sind Musikliebhaber und haben keine Ausgaben gescheut, den kleinen Kulturtempel mit vorzüglicher, moderner Technik auszustatten, was sowohl die Musizierenden als auch das Publikum zu schätzen wissen.
Hier ein paar Infos für Technikaffine: Der große Saal, die Lobby und der Zuschauerbereich sind mit einem hochwertigen Lautsprechersystem der französischen Herstellers L-Acoutics ausgestattet; das System zeichnet sich durch transparenten, definierten Klang und einen hohen Abstrahlwinkel aus. Ein Subwoofer unterhalb der Bühne unterstützt den Bass, in der Mitte oberhalb der Bühne steuert ein Center-Speaker die räumliche Ortung des Sounds. Jeder der Lautsprecher wird durch einen eigenen Verstärker gespeist.
Der Raum selbst ist so abgedämmt, dass auch im leeren Zustand kein Hall entsteht. – Über ein Mischpult steuerbares Licht ermöglicht eine flexible Bühnenbeleuchtung. Ein festinstallierter Barco-Beamer ermöglichen Videoprojektionen auf die Bühne; fünf Monitore im Saal und in der Lobby dienen der Übertragung des Bühnengeschehens, das mittels 4k-Kameras aufzeichnet wird.
Übrigens: Neben der Ausstattung für Konzerte verfügt die Wollfabrik auch über ein komplettes TV-Studio mit Kabel für getrennte Ton- und Filmaufnahmen. Da zwei getrennt Internetanschlüsse vorhanden sind, können zudem getrennt Uploads und Downloads für qualitativ hochwertige Streamings gestartet werden.
Musik in der Wollfabrik hat Tradition, denn das denkmalgeschützte Kulturhaus war bereits Ende der 1920er Jahre bis in die 1960er Jahre Tanzsaal des Gasthauses „Zum Wilden Mann“. Mit der aufkommenden Beatmusik waren Tanzsäle vielleicht ein bisschen „out“, die Jugend ging lieber in Beatschuppen oder später in Discos. Kurzum: Das Gebäude, das heute die Wollfabrik beherbergt, wurde Ende der 1960er Jahre von der Firma Kutz & Seifert zur Fabrikation und zum Verkauf von Strickwaren bezogen. Daher also der Name „Wollfabrik“. Die Firma blieb bis 2001 in den Räumen.
Ein Jahr später kaufte Harald Zimmermann, ehemaliger Kaffeehaus-Besitzer und Musiker in jungen Jahren, das Gebäude. Den leerstehenden Tanzsaal nutzte er im Winter als Stuhllager für die Sommermöbel seines Cafés. Zeitweise hatte da auch das „Theater am Puls“ seine Spielstätte, ehe es umzog in sein jetziges Domizil in der Marstallstraße.
Die zentrale Lage bewegte Zimmermann, die Wollfabrik zu einem Veranstaltungshaus umzubauen. Die Wollfabrik öffnete im April 2008 mit einem fulminanten Auftritt von „Soulfinger“, einer Soul- und RnB-Show, im knallvoll besetzten Haus.
Zimmermann blieb zehn Jahre Chef der Wollfabrik, dann zog er sich aus dem Geschäftsleben in Schwetzingen zurück. Sein Nachfolger wurde Joachim Schulz, Unternehmer und ebenfalls Musikliebhaber. Beider Besitzer legten immer größten Wert auf die technische Ausstattung der Wollfabrik und investierten stets in ihre Modernisierung. Heute ist die Wollfabrik ein weithin bekanntes Konzerthaus mit Clubatmosphäre und ausgestattet für Veranstaltungen aller Art. Für besondere Anlässe kann man sie auch mieten.
Apropos gute Musik: Schulz setzt weitgehend auf Coverbands, aber es gelingt ihm auch, weltbekannte Größen wie John McLaughlin, Stanley Clarke, Richard Bona und Shakatak zu engagieren, und damit Musikfans sogar von weiter her einzuladen. „Es ist eine Frage des Preises,“ sagte Schulze und erklärt, dass die Wollfabrik ein nicht-subventioniertes Wirtschaftsunternehmen sei.
Die Wollfabrik ist ein Ort, der seinesgleichen sucht, um Musik und mehr zu genießen. Wünschenswert wäre, dass die Musikveranstaltenden in Schwetzingen und Umgebung mehr zusammenrückten, um den kleinen Kulturtempel mit all seinen Möglichkeiten noch mehr und besser zu nutzen. (rw)