Leo ist egoistisch und sadistisch. Darunter leidet Mattie, seine verschüchterte Ehefrau, sehr. Als Nachbarin Edelmut den bissigen Hund der beiden in Pflege nimmt, hat sie eine wunderbare Idee, wie sich was ändern könnte.
Mit beschriebener Szene beginnt der Auftritt der Theatergruppe „Die Ungezähmten“. Sieben Kurzgeschichten um alte Frauen aus dem Buch „Kleine Kratzer“ von Jane Campbell spielen die vier Laien-Schauspielerinnen Karin Jurcik, Sigrid Kleinsorge, Birgitta Kolb und Vera Ruf. Alle Vier sind über 60 Jahre alt. Regie führt Mimi Schwaiberger.
In einer anderen Szene erinnert sich Uschi an ihr befriedigendes Sexualleben. Nun soll sie nur noch stricken und ihre Katze streicheln.
Daisy, so eine weitere Geschichte, besucht einen aufgebahrten Toten und gerät in einer Illusion zurück in ihr Leben als junge Frau. Eine als „?“ bezeichnete Frau beschreibt ein nur für sie sichtbares Bild an der Wand, das jedoch tief in ihren Erinnerungen verwurzelt ist. Freyas Auftritt zeigt, dass sie ein Phantasma liebt.
Martha, eine weitere Figur, bekommt zu hören: „Du sollst immer bei guter Laune und beschäftigt sein“, als sie einem Betreuungs-Roboter zugeteilt wird. Der allerdings ist so programmiert, dass er ihr Kontakte, Entscheidungsfreiheit, Zigaretten und Pralinen verbietet. Martha weiß eine Lösung …
„Kleine Kratzer“ zeigt, wie Altsein bedeuten kann, dass das Selbstverständliche verloren geht und von außen massiv ins eigene Leben eingegriffen wird. Das Stück ist ein wunderbares Angebot, sich damit auseinanderzusetzen und Gegenstrategien zu entwickeln. (rist)
Sigrid Kleinsorge ist mit 84 Jahren die älteste der vier Schauspielerinnen. Das Wochenjournal Durlach stellte ihr drei Fragen.
Sigrid Kleinsorge: Unsere Regisseurin Mimi Schwaiberger hat das Buch von Jane Campbell vorgeschlagen. Wir haben es dann gelesen und von den 13 Geschichten diejenigen herausgesucht, die uns interessierten und spielbar schienen.
Kleinsorge: Wir spielen Frauen im Alter. Wir zeigen Aspekte, die alte Menschen und ihre jungen Angehörigen interessieren könnten und die nicht oft erwähnt werden. Es geht um Einsamkeit, Abschiebung, Verlust-Erinnerungen, Sexualität, Sehnsüchte, Hoffnungen. Was alte Menschen empfinden, wird oft gar nicht mehr wahrgenommen, manchmal auch nicht von ihnen selbst.
Kleinsorge: Ich denke, Altern ist ein großes Thema in unserer Gesellschaft, das nicht angemessen erörtert wird. Ich würde mir wünschen, dass alte Menschen selbstbestimmt leben dürfen. Sie sollten nicht ohne ausreichende Möglichkeit zur Teilhabe in sehr teuren Pflege-Einrichtungen weggesperrt werden. Für mich ist dieses Theaterstück ein Appell an die Solidargemeinschaft, nicht wegzuschauen. Alte Menschen haben nicht nur körperliche und geistige Einschränkungen. Sie haben etwas mitzuteilen, nicht nur Schreckliches, sondern auch viel Schönes, Liebe, Fantasien, Wünsche, erlebte Verrücktheiten. (rist)
Ensemble: