Ein Blick in das Kreisarchiv Calw

Diese Schätze auf Papier sind Zeugen vergangener Zeiten

Ein wenig dunkel, ein wenig kühl und vor allem ruhig ist es in den Archivräumen im Landratsamt Calw. Das hat seinen Grund:
Kreisarchiv Calw
Kilian Spiethoff (links) und Alessandro Cece im KreisarchivFoto: Jacqueline Geisel

Was hier lagert, ist Wissen von unschätzbarem Wert, festgehalten auf Papier, das noch möglichst lange erhalten bleiben soll und deshalb nicht der Sonne ausgesetzt werden darf. Außerdem sollen Interessierte, die etwas über die abwechslungsreiche Geschichte der Region erfahren möchten, in Ruhe recherchieren können.

Tatsächlich existiert im Landkreis Calw eine große Heimatforscher-Szene, auch der Kreisgeschichtsverein ist sehr engagiert und gut vernetzt. Kreisarchivar Kilian Spiethoff und Alessandro Cece, zuständig für die kommunale Archivarbeit, unterstützen die Ehrenamtlichen unter anderem durch ihre Mitgliedschaft im Vereinsvorstand. Beide freuen sich über Interesse an dem großen Fundus im Landratsamt – und haben uns die Archivtüren für eine spannende Tour geöffnet.

Die Aktenmengen, die im Landratsamt Calw lagern, haben einen beachtlichen Umfang. Einiges wird noch aktuell für die Arbeit der Fachbereiche genutzt, anderes muss aus rechtlichen Gründen aufbewahrt werden, wieder anderes wird für die dauerhafte Sicherung im Archiv ausgewählt, weil es von besonderem Interesse für die Region ist oder spannende Ereignisse dokumentiert. Unterlagen, die aufgrund festgelegter Fristen vorgehalten werden müssen, sind in der sogenannten Registratur zu finden. In dieses Zwischenarchiv kommt alles, was nicht mehr für den Dienstgebrauch relevant ist. Die meisten Dokumente verbringen dort etwa 30 Jahre. Das können beispielsweise Unterlagen zu einem Haus sein. Gebäude können gut und gerne 100 Jahre überdauern. Über die Registratur hat die zuständige Abteilung noch Zugriff auf Unterlagen, falls nötig, bis das Haus abgerissen wird.

Sobald Unterlagen nicht mehr für die laufende Tätigkeit gebraucht werden und die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist, gehen sie ans Archiv über. Dann nehmen Kilian Spiethoff und Alessandro Cece sie in die Hände. Und zwar Blatt für Blatt. Ihre Aufgabe ist es – bei Kilian Spiethoff auf Kreisebene, bei Alessandro Cece im Auftrag von Kommunen –, zu prüfen, was „archivwürdig“ ist und was nicht. Dafür wird alles im Detail angeschaut. Fachliche Richtlinien helfen bei der Entscheidung, oft brauche es aber Erfahrung und eine individuelle Einschätzung, wie die beiden erzählen. „Jeder Archivar setzt hier auch andere Schwerpunkte.“ Auf den Schultern der Fachmänner lastet dadurch eine große Verantwortung. Sie entscheidet, welches Wissen künftigen Generationen noch zur Verfügung stehen wird. Was sie aussortieren, wird vernichtet und in einer Vernichtungsübersicht aufgelistet. Dadurch wissen Spiethoff und Cece beispielsweise, welche Akten nach dem Untergang des Dritten Reiches vernichtet wurden, auch wenn das die Unterlagen selbst nicht zurückbringt.

Wie entscheidet sich, was ins Archiv aufgenommen wird?

Diese Frage lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Bei Massenakten – das können beispielsweise Unterlagen über KFZ-Zulassungen sein – werden Stichproben aufbewahrt, wenn es thematisch Sinn ergibt oder historische Gesichtspunkte dafür sprechen. „Wir denken immer mehrere 100 Jahre in die Zukunft und schauen gleichzeitig zurück, was wir heute vermissen. Das gibt uns Anhaltspunkte“, erklären Kilian Spiethoff und Alessandro Cece. So hat jeder Archivar im Lauf der Jahrhunderte mit seinen Entscheidungen und Einschätzungen das Archiv geprägt. „Darum ist es so wichtig, dass wir bedacht entscheiden.“ Beispielsweise wird die Geschichtsschreibung nachhaltig prägen, welche Unterlagen zur Corona-Pandemie die Archivare in den Fundus aufnehmen. Oder auch, zu welchen Persönlichkeiten sie Akten aufbewahren. In Calw ist beispielsweise Hermann Hesse ein berühmter Name. Dessen Geburtsurkunde hat es zum Glück in das Archiv geschafft – auch wenn man damals wohl noch nicht genau wissen konnte, wie prägend der Dichter und Autor einmal für die Stadt Calw werden würde.

Neben Akten wie diesen gibt es noch einige weitere, die besonders sind. Eigentlich sind es alle, sonst wären sie nie ins Archiv aufgenommen worden. Das älteste Dokument im Kreisarchiv stammt aus dem Jahr 1597. Dabei handelt es sich um einen Band vom Oberamt Nagold. Manche Bücher sind auch schon alleine wegen ihres Einbandes oder ihrer Gestaltung eine Besonderheit. Aufwendige Ornamente und Abbildungen wirken heute vielleicht noch besonderer als damals, alleine schon, weil diese in früheren Zeiten viel aufwendiger auf Papier zu bringen gewesen sein dürften.

Übrigens: Im Archiv wird nicht mehr aussortiert. Wenn ein Archivar einmal Unterlagen gesichtet, einsortiert und nummeriert hat, bleiben sie dort. Für immer.

Archivierung braucht Raum

Das bedeutet: Das Archiv wächst stetig. Dementsprechend braucht es für die Unterlagen immer mehr Platz. Aktuell umfasst das Magazin 640 Regalmeter, dazu kommen beachtliche vier Kilometer Registratur. Und die sind fast vollständig belegt. Seit Jahren wissen die Archivare, dass es langsam eng wird. Einige Regale konnten zum Glück freigeräumt und dem Archiv zur Verfügung gestellt werden. Es wird aber eine Daueraufgabe bleiben, ausreichend Raum für die Bewahrung der Geschichte zu schaffen.

Neben dem Archiv existiert noch eine Dienstbibliothek, in der Publikationen zum Landkreis sowie von der Behörde produzierte, historisch relevante Akten gesammelt werden. Ergänzend kommen Auszüge aus Sammlungen von Parteien, Firmen und Einzelpersonen hinzu. Postkarten, Bilder sowie anderweitige Schriftstücke und Kunstwerk – zum größten Teil von regionalen Künstlern – werden in einem gesonderten Bilderlager erhalten und bewahrt.

Welche Chancen bietet die Digitalisierung für Archive?

Man könnte meinen, dank der Digitalisierung sei das Platzproblem passé. Weit gefehlt. Die Bestände werden zwar nach und nach digital erfasst, dadurch werden die analogen Unterlagen jedoch nicht ersetzt. Das digitale Angebot ist lediglich ein zusätzliches, welches Zugriff und Recherchen erleichtern soll. Lediglich Unterlagen, die nur in digitaler Form vorliegen, sind auch nur im digitalen Archiv zu finden. Mit dem Upload der Daten ist es nämlich bei weitem nicht getan. Die Aktenmengen benötigen eine große Menge an Speicherplatz, der auf einem eigenen, entsprechend gesicherten Server liegen muss. Es braucht eine eigene digitale Infrastruktur und auch die rechtliche Grundlage, wer unter welchen Bedingungen worauf zugreifen können darf. Nicht zu vergessen die Kosten, die damit verbunden sind.

Auf Landesebene werden momentan alle digitalen Akten in das digitale Magazin (DIMAG) eingepflegt und dann nach dem Vier-Augen-Prinzip gesichtet und gegebenenfalls gelöscht. Die Arbeit der Archivare bleibt also dieselbe. Nach wie vor sind sie die Entscheider über die Bewahrung der Geschichte. Auf lange Sicht wird sich die kommunale Archivpflege durch die Erfassung unter anderem von Einzelakten und Mitschrieben hier noch deutlich erweitern. Im Landkreis Calw arbeiten derzeit nur die Stadt Nagold und das Kreisarchiv mit diesem digitalen System.

Was gehört zu den Aufgaben der Archivare im Calwer Landratsamt?

Kilian Spiethoff als Kreisarchivar sichtet die Unterlagen für das Kreisarchiv, Alessandro Cece tut dies für die Kreiskommunen und gibt ihnen nach Abschluss seiner Arbeit ein sortiertes Archiv zurück. Beide sind studierte Historiker mit Fortbildung an der Archivschule in Marburg. Und beide leben die Leidenschaft für Geschichte. Neben dieser ganz wesentlichen Aufgabe macht die Bereitstellung von Archivunterlagen einen großen Teil des Berufs aus. Kilian Spiethoff kümmert sich um Nutzeranfragen, teilweise auch von Erbermittlern, engagiert sich in der Redaktion des Magazins „Einst & Heute“, erarbeitet eigene Publikationen (ganz aktuell eine über die Zeit des Nationalsozialismus) und gestaltet immer wieder Ausstellungen. Auch der Ausbau des digitalen Kreisarchivs fällt in seinen Tätigkeitsbereich.

Alessandro Cece ist bei der Aufarbeitung der Archive von Kommunen noch mit einer ganz anderen Herausforderung konfrontiert: Die Fokussierung auf wechselnde Gemeinden und Teilorte erfordert jeweils eine intensive Einarbeitung in die lokale Geschichte, um bestmöglich entscheiden zu können, welche Unterlagen für die entsprechende Kommune später einmal von Bedeutung sein könnten. Gewisse Schemata helfen bei der Orientierung, schlussendlich bleibt es aber eine sehr individuelle, gewissenhafte Arbeit, die viele Einzelentscheidungen erfordert.

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM
02.08.2025
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