Seit Corona scheinen wir vollkommen verlernt zu haben, wie man vernünftig und anständig miteinander diskutiert. Unser Gegenüber „niederbrüllen“ oder keine Argumente zulassen, die nicht der eigenen Meinung entsprechen, das ist leider inzwischen oft gängige Praxis. Wie es anders gehen kann, wollten wir in einem Versuch testen. Daher haben wir auf dem Demokratiefest am 19. Juli ein neues Format ausprobiert: den DemokraTisch.
Vorab wurde das Experiment auf der Bühne angekündigt und erklärt. Nach der Bekanntgabe einer These, z. B. „Sollte Cannabis legal bleiben oder nicht?“ wurden Diskussionsteilnehmer gesucht. Die Freiwilligen zogen sich in einen Raum im Pfarrsaal zurück und bekamen eine Position für die anschließende Diskussion per Karte zugewiesen – Pro, Kontra oder neutral. Diese Position sollte, auch möglicherweise entgegen der eigenen Meinung, vertreten werden.
Unsere erste Beispiel-Diskussion zu Cannabis fand fünf Teilnehmer, alle relativ jung. Sie verstanden das System sofort und stiegen gleich lebhaft in die Diskussion ein. Zwei Pressevertreter waren aus Interesse auch dabei. Dazu gab es eine Moderatorin aus unserer Gruppe, um bei Verstößen oder unangemessenem Verhalten eingreifen zu können. Eine Teilnehmerin nahm sehr viel Redezeit in Anspruch und war nur schwer zu stoppen, hielt sich aber an die Regeln. Alle waren im Nachhinein begeistert vom Format.
Beim Thema Windkraft ging es leider nicht so diszipliniert zu. Das Format wurde verstanden. Allerdings konnte eine Teilnehmerin ihre zugewiesene Position nicht vertreten, weil sie persönlich das Gegenteil vertrat. Genau hier setzt das Verständnis für eine andere Meinung ein, ein Perspektivwechsel ist gefragt. Andere Meinungen gelten lassen, vielleicht nicht übereinstimmen, sich trotzdem mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen, dem anderen zuhören, Fakten und Argumente austauschen, darum ging es und geht es immer wieder, jeden Tag.
Je nach Gruppe und Thema lässt sich so eine Diskussion über 15 bis 60 Minuten fortführen oder sogar länger. Probieren Sie es gerne einmal im Freundes- oder Familienkreis aus!
Christiane Haase für die Initiative Gemeinsam für Demokratie