Aus den Rathäusern

Dossenheim erinnerte anlässlich des Volkstrauertags

Die Gemeinde Dossenheim lädt alljährlich anlässlich des Volktrauertags auf den Ehrenfriedhof ein – so auch am vergangenen Sonntag. Hier gedenkt man...

Die Gemeinde Dossenheim lädt alljährlich anlässlich des Volktrauertags auf den Ehrenfriedhof ein – so auch am vergangenen Sonntag. Hier gedenkt man den Opfern von Krieg und Verfolgung und erinnert daran, dass Frieden keine Garantie ist.

Nach Musikstücken von der Musikkapelle Dossenheim und dem MGV Freundschaft sprach Prof. Dr. Joachim Maier von der Initiative Stolpersteine. Er leitete von dem Satz Vergils „Im Krieg ist kein Heil. Um Frieden bitten wir alle“, geschrieben im 1. Jahrhundert vor Christus, die zeitlos bleibende Notwendigkeit ab, sich stetig für den Frieden einzusetzen.

Der Dossenheimer Jugendgemeinderat präsentierte anschließend die Gedanken der Jugendlichen in einem Dialog. Auch sie gehen darauf ein, wie wichtig es ist, den Frieden zu bewahren.

Anschließend erfolgte die Totenehrung und Kranzniederlegung durch die Gemeinde und die Verbände. Bürgermeister David Faulhaber schloss die Feierstunde mit Schlussworten ab.

„Vielen Dank an die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Feierstunde. Ich freue mich, dass wir gemeinsam diesen Volkstrauertag würdig begehen konnten und uns in diesem Rahmen mit dem Vergangenen auseinandersetzen konnten und gleichzeitig Lehren für Gegenwart und Zukunft ziehen“, so Bürgermeister David Faulhaber.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Bürger und Bürgerinnen in Dossenheim!

In einer Handreichung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge für den Unterricht fand ich die Abbildung des ersten Gedenksteins am Kreuzweg der Nationen beim Truppenübungsplatz Wildflecken in der Rhön. Da lese ich zwei Sätze des römischen Dichters Vergil aus dem 1. Jahrhundert vor Christus: „Im Krieg ist kein Heil. Um Frieden bitten wir alle.“ Vielleicht erscheint Ihnen dies als eine „Allerweltsweisheit“. Es ist aber eine zeitlose Wahrheit, der wir uns heute, am „nationalen Trauertag zum Gedenken an die Opfer beider Weltkriege und des Nationalsozialismus“ stellen wollen. Wir schauen zurück – in Trauer und Scham. Wir halten inne in Sorge um die Sicherheit. Unsere Sehnsucht verlangt nach Frieden.

Vor 111 Jahren begann der Erste Weltkrieg, vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Wir stehen hier vor dem Mahnmal für die Dossenheimer Opfer des Zweiten Weltkrieges. Der ästhetisch gestaltete Rundbau aus Stein ist gleichsam ein Spiegel unserer eigenen Geschichte. Hier können wir lesen, wohin die tägliche Parole vom „Heil“ durch einen falschen Propheten, wohin die „Sieg-Heil“-Rufe der Aggression und des Hasses gegen andere Menschen und Völker geführt haben: millionenfach in den Tod. In dem von Anton Burkhardt gestalteten Gedenkbuch sind die Namen von mehr als 300 Gefallenen aus Dossenheim verzeichnet, und am Fuß des Rundbaus sehen wir Gedenksteine für Opfer der letzten Kriegstage. Tod und Verderben für Soldaten und Zivilisten in vielen Ländern, zuerst in Polen, bald in Belgien und den Niederlanden, in Frankreich, in Norwegen, in der Sowjetunion einschließlich der Ukraine, in Griechenland, auf Kreta, in Nordafrika, schließlich im eigenen Land und zuletzt vor der eigenen Haustüre. Hinzu kommt das oft sichtbare, manchmal unsichtbare Leid der Hinterbliebenen: Kinder verloren den Vater, kannten ihn vielleicht niemals; Mütter und Väter verloren ihren Sohn, ihre Söhne – und damit einen Teil ihrer selbst; Frauen verloren ihren Ehemann und damit die Hoffnung auf Zukunft; junge Frauen verloren ihren Verlobten und damit die Vision vom Glück. Wir denken auch an die kriegsgefangenen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen:
Kein Heil – vielmehr Unheil.

Ebenfalls vor 80 Jahren, im November 1945, begannen in Nürnberg die Prozesse wegen der „Verbrechen gegen die Menschheit“, ja, gegen das Menschsein überhaupt (Hannah Arendt). Es dauerte weitere 40 Jahre – eine ganze Generation! – ehe der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum 8. Mai 1985 die schmerzhafte Erkenntnis formulierte: „Das alles [der Krieg] war nicht nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient.“ Verbrechen wurden gleich nach der Machtübernahme verübt. Politische Gegner wurden verhaftet, in Konzentrationslager gesteckt und ermordet. Seit 1934 wurden sogenannte Erbkranke zwangssterilisiert, allein im Jahr 1940 fielen der „Euthanasie“-Aktion im deutschen Südwesten schon mehr als 10 000 psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung zum Opfer. Ebenfalls vor 85 Jahren, im Oktober 1940, wurden die jüdischen Bürger aus Baden, auch aus Dossenheim, in das Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen deportiert. An sie erinnert seit 2007 das vom Jugendgemeinderat am Weg vom Rathausplatz hierher errichtete Mahnmal mit der Botschaft: „Wir wollen mahnen, dass es wieder möglich ist.“ Seit 2021 wurden in Dossenheim in mehreren Aktionen Stolpersteine verlegt zum Gedenken an Opfer der „Euthanasie“-Aktion und der Judenverfolgung. Diese Daten kennzeichnen einen spät und mühsam in Gang gekommenen Weg der Erinnerung.

Meine Hoffnung ist, dass dieser einmal beschrittene Weg unumkehrbar bleibt. Denn Erinnern und Gedenken beziehen sich nicht allein auf Vergangenes. Wir wissen, wozu ein gutes Gedächtnis erforderlich ist: Es bewahrt Erfahrungen aus früheren Zeiten und schärft den Blick für die Erfordernisse der Gegenwart. Da sind wir nun herausgefordert von den Kriegen unserer Zeit: z.B. im Sudan, in Gaza, in der Ukraine. Sie bereiten uns Sorge um eigene Existenz und Sicherheit. Wir wähnten uns in einer Phase des positiven Friedens, geprägt durch Zusammenarbeit und Partnerschaft. Dabei haben wir schon den Rückschritt in die Phase eines nur relativen Friedens, geprägt durch Verteidigungsfähigkeit und Bereitschaft zur Entspannung, hinter uns. Die Leitworte unserer Tage kennzeichnen die Phase des negativen Friedens, der reinen „Abwesenheit von Krieg“, geprägt durch Abschreckung und Stärke. Dem „Frieden um jeden Preis“ wird der „Frieden in Freiheit“ gegenübergestellt. Er erfordere „Friedfertigkeit im eigenen Haus und Wehrhaftigkeit nach außen“ (Wolfgang Schneiderhan, Präsident Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge). Die Kirchen entwerfen Konzepte zur seelsorglichen Betreuung von Verletzten und von Hinterbliebenen der Gefallenen. Das Reizwort der 1980er Jahre – Frieden schaffen ohne Waffen – es ist stumpf geworden. Und doch lehren die Katastrophen der Gegenwart tagtäglich, dass die Menschheit mehr Pflugscharen als Schwerter (Micha 4,3) braucht.

Aus diesem Dilemma scheint kein dritter Weg herauszuführen. Vermutlich wird im Verborgenen darum gerungen. Die Menschheit sehnt sich nach mehr als Friedfertigkeit im eigenen Haus. Sehnsucht – sie gilt nicht als politische Kategorie. Aber sie ist der tragende Grund des Appells von Theodor Heuss auf dem Sarkophag hinter mir: „Sorgt ihr die ihr noch im Leben steht dass Frieden bleibe Frieden zwischen den Menschen Frieden zwischen den Völkern“. Was wir erstreben in den Familien, Gruppen und Vereinen, in der Schule und am Arbeitsplatz, in Kirchen und in der politischen Debatte, das ist ein Wesensmerkmal des Menschseins an sich. Die Sehnsucht nach Frieden, sie ist universal. Ist sie stärker als der Tod? Das können wir kaum belegen. Sie steht den Mächten des Todes, allem Hass, der Gewalt und dem Verbrechen entgegen. Lassen wir diese Sehnsucht nicht erkalten. Sie ist Quelle von Mitgefühl, Respekt und Toleranz. Wer dies im Herzen trägt, dessen Reden und Handeln wird entsprechend sein: zum Segen für das eigene Leben – zum Segen für das Leben der anderen.

Prof. Dr. Joachim Maier

Volkstrauertag – Gedanken junger Menschen zu diesem Tag

(Kenji Kalverkamp, Sina Häse und Michelle Lara Martinez vom Dossenheimer Jugendgemeinderat)

Kenji:

Unser heutiger Programmpunkt heißt „Gedanken eines jungen Menschen zum Tag“. Aber wie denken denn Leute in unserem Alter über den Volkstrauertag? Was denkst du denn darüber Michelle?

Michelle:

Also als ich das erste Mal vom Volkstrauertag gehört habe, dachte ich direkt an die zwei Weltkriege. Ich habe viel mit meiner Oma, aber auch mit meiner Uroma über das Thema gesprochen. Meine Oma ist während des Zweiten Weltkriegs geboren, meine Uroma sogar schon davor. Sie haben mir beide viel erzählt, was sie damals gesehen haben. Für meine Oma war das ihre Kindheit, es war normal, dass die Soldaten vor ihrem Haus standen und das auf dem Berg in der Nähe die Panzer bereitstanden. Ich weiß, wie viel Angst meine Uroma hatte, sie hat schon ihren Mann im Krieg verloren. Die Angst um ihre Kinder war also noch viel größer. In der Schule lernen wir, wie das Leben im Krieg ausgesehen haben muss. Aber keiner von uns Jugendlichen kann das wirklich nachvollziehen.

Sina:

Wow, das ist echt krass. Ich kenne zwar Bilder aus Büchern und hab auch schon einiges darüber gelesen…aber so wie du das gerade erzählt hast, das will ich mir gar nicht vorstellen. So viele junge Menschen, die so viel Leid erlebt haben, die ihre Familienmitglieder vielleicht nie wiedergesehen haben oder selbst umgekommen sind. Unschuldige junge Menschen, die sich eine tolle Zukunft ausgemalt haben und diese doch nicht erleben durften.

Kenji:

Ja, da hast du recht. Ich bin so glücklich, dass ich mir heute als 16-jähriger Junge so gut wie aussuchen kann, was ich nach der Schule machen will. Entweder direkt studieren, ein FSJ machen oder doch lieber ein Auslandsjahr. An sowas konnten die Jugendlichen damals gar nicht denken, und Schule in Kriegszeiten war sowieso fast unmöglich. Und doch gab es Menschen, die sich für Frieden eingesetzt haben. Ich bin schon ziemlich froh, dass bei uns direkt kein Krieg herrscht.

Michelle:

Dieser Frieden macht mich auch sehr dankbar, gerade weil ich weiß, dass auch heute noch viel zu viele Menschen im Krieg leben. Egal ob in Gaza, im Sudan oder in der Ukraine, diese Leute können sich nicht aussuchen, was sie machen wollen.

Kenji:

Ich erinnere mich noch an letztes Jahr, als ich einen Schulaustausch nach Prag gemacht habe, da war ich in einer ukrainischen Familie. Das war schon krass mitzubekommen, wie stark Krieg Familien zerreißen kann. Der Vater war noch in der Ukraine, mein Austauschpartner lebte nur mit seiner Mutter, und der Bruder war nochmal woanders. Die Mutter zeigte mir Videos, wie ihr Haus abgebrannt ist. Für mich als Außenstehenden war das schon echt richtig heftig, aber wie sich das für die Familie angefühlt haben muss, das ist unvorstellbar für mich.

Sina:

Das ist wirklich so krass, was die Menschen da alles erleben. Wir können so froh sein, dass wir hier in Deutschland in keinem Krieg leben. Obwohl was ich auch echt krass finde ist, dass die Wehrpflicht ja wieder eingeführt werden soll. Klar ist die nicht direkt so wie sie früher war, aber dich Kenji betrifft diese Regelung zum Beispiel ja auch schon. Da merkt man, dass auch Deutschland sich für den Ernstfall vorbereiten muss.

Kenji:

Ja, das stimmt, das ist jetzt schon etwas, das mich direkt betrifft. Die Wehrpflichtdebatte ist vielleicht nochmal ein anderes Thema, aber an sich finde ich es schon gut wenn man sich für sein Land und vor allem für Frieden einsetzt.

Michelle:

Auf jeden Fall. Wir müssen daran denken, wie kostbar der Frieden hier ist und dass alle Menschen Frieden verdienen.

Sina:

Auch wenn wir Jugendlichen selber noch nicht so viel verändern können, wollen wir zeigen, dass uns die Vergangenheit nicht egal ist, und dass wir unsere Zukunft in Frieden schützen wollen.

Michelle:

Also egal ob alt oder jung, lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Vergangenheit in Erinnerung bleibt und sich nie wieder wiederholt!

Erscheinung
Gemeinde-Nachrichten Dossenheim
NUSSBAUM+
Ausgabe 47/2025
von Gemeinde Dossenheim
20.11.2025
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