Von meinem Hohen Turm auf dem Turmberg blicke ich zurück zu dem Zeitpunkt, als Markgraf Karl II. vor 460 Jahren im Jahre 1565 seine Residenz von Pforzheim nach Baden-Durlach verlegte. Um dieses Vorhaben zu verwirklichen, waren zuerst umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich. Heute schauen wir uns mal genauer an, was dies alles bedeutete und was es vor allem mit der ehemaligen steinernen Brunnenfigur auf dem Marktplatzbrunnen so auf sich hat.
Karl II. ist am 27. Juli 1529 in Sulzburg geboren, er starb am 23. März 1577 in Durlach, wurde aber noch in der bisherigen Familiengruft in Pforzheim beigesetzt. Zuerst ging er eine Ehe mit Kunigunde von Brandenburg-Kulmbach ein, mit der er zwei Kinder hatte. Danach heiratete er Anna von Pfalz-Veldenz; aus dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor.
Er soll eine nicht besonders freudige Jugend gehabt haben, als er nach dem Tod seines Vaters Markgraf Ernst I. und seines Stiefbruders im Jahre 1553 die Regentschaft für die gesamte Markgrafschaft von damals noch Baden-Pforzheim übernahm. Er war nicht kriegerisch eingestellt und schloss Frieden mit bislang verfeindeten Nachbarn. Um die große allgemeine Notzeit zu verbessern, ließ er u. a. beim Kloster Gottesaue ein Hofgut erreichten. Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1556 schloss er sich der evangelischen Reformation an; alles zusammen erbrachte ihm den Beinamen „Der Fromme“.
Oft wird darüber gegrübelt, was alles zur Entscheidung von Karl II. geführt haben könnte, seine Residenz von Baden-Pforzheim nach Baden-Durlach zu verlegen. Einerseits war die geografische wie auch topographische Lage entscheidend. Durlach liegt viel zentraler und bietet gerade Flächen ohne nennenswerte Erhebungen, was für die damaligen Transportmöglichkeiten sicherlich von Vorteil war. Es sollen auch die eigensinnigen Pforzheimer Bürger zu dieser Entscheidung beigetragen haben, die sich immer wieder gegen Frondienste und Hilfsdienste bei höfischen Jagden aufgelehnt haben. Auf den Grundmauern eines bisherigen Jagdsitzes in Durlach hat er daher seine große repräsentative Karlsburg in Auftrag gegeben.
Er hatte ganz konkrete Vorstellungen davon, wie die Stadt nach seinem Einzug aussehen sollte; zu einer Residenz sollte auch eine angemessene Stadtbefestigung gehören. So hatte er die Stadtmauer mit vier Stadttoren ausgebaut, alle Straßen gepflastert und Häuser renoviert oder alte abreißen und neu errichten lassen. Dann veranlasste er auch, die Münzstätte von Pforzheim nach Durlach zu verlegen. Mit dem Umzug gewährte er für die Neuansiedlung von Bürgern gewisse Privilegien, um den Wohlstand der Stadt zu fördern, aber es bedingte auch, dass sich der größte Teil des Hofstaates ebenfalls nach Durlach umzog.
Als eher benachteiligt sahen sich die Tagelöhner und bäuerlichen Schichten der einfachen Bevölkerung. Bedenken gegen den Umzug der höfischen Gesellschaft nach Durlach richteten sie an den Hof, mit einem Brief an den Markgrafen vorab nach Pforzheim. Darin teilten sie ihre Befürchtungen mit, ob sie u. a. denn auch in Zukunft noch den Dung der Tiere einsammeln dürften, die nach dem Weideaufenthalt auf den Wiesen durch die Stadt zurück in die Ställe getrieben wurden, der für sie aus vielerlei Gründen wichtig war.
Das Geschnatter der frei laufenden Gänse durch die Durlacher Gassen der Tagelöhner belästigten die hohen Herren im Rathaus und in den satten Bürgerhäusern der Oberschicht nach dem Einzug in Durlach so sehr, sodass deren Haltung kurzerhand untersagt wurde. Damit war eine wichtige Einnahmequelle dieser ärmsten Bevölkerungsschicht versiegt. Es brodelte aber offenbar aber auch zwischen der Bürgerschaft und der städtischen Oberschicht, die unterschiedliche Privilegien genossen …
Immerhin wurde auch der ganze Marktplatz anlässlich des Umzugs von Karl II. nach Baden-Durlach neu gestaltet. Dazu gehörte auch der Marktplatzbrunnen, auf dem eine große steinerne Sandstein-Brunnenfigur thronte. Nach meinen vielfältigen Recherchen war in den Akten über diese Figur nur von einem geharnischten Mann mit Fahne zu lesen (die man üblicherweise einfach Roland nannte). Frau Dr. Asche führte in ihrem Buch „Durlach. Staufergründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt“ aus, dass dieser Brunnenfigur ein grünes Fähnchen angesteckt wurde, wenn es Zeit für die Bürger war, ihr zugestandenes Fronheu einzuholen.
Karl II. soll eigenhändig Bau-Zeichnungen erstellt und persönliche Bauaufsicht während der Um- und Ausbaubaumaßnahmen in Durlach vor seinem Zuzug betrieben haben. Darüber hinaus soll er die Arbeiter sogar persönlich aus seiner Tasche ausbezahlt haben. So ging er nach dieser Überlieferung für viele Durlacher kurzerhand als „De Karle mid de Dasch“ in die Geschichte ein.
Man kann vermuten, dass diese Annahme vielleicht auch von dem Historiker Karl Gustav Fecht unterstützt wurde, der hinter der Steinfigur auf dem Brunnen Karl II. gemutmaßt hatte, da sie bereits zu seinen Lebzeiten errichtet wurde. Auf jeden Fall schmückte diese Figur bis 1862 den Marktbrunnen. Später wurde sie auf den Schlossplatz gebracht und nach Restaurierung stand sie ab 1912 im Torbogen des Durlacher Prinzessenbaus.
Um die ehemalige Brunnenfigur zu schützen, ist ihr Original heute im Pfinzgaumuseum stationiert, während eine Kopie auf dem Durlacher Rathausbalkon aufgestellt wurde. So überwacht Karl II. alias „De Karle mit de Dasch“ auch heute noch das zentrale Marktgeschehen von Durlach und blickt dabei sicherlich argwöhnisch auf das Liebespaar, das anstatt seiner den heutigen Brunnen ihm gegenüber ziert. Ich begrüße ihn immer, wenn ich mit einer Führung am Marktplatzbrunnen beginne und seiner gedenke. Herzliche Grüße, eure „Weiße Frau vom Turmberg“. (sh)