Jazzinitiative Kneipenjazz

Eigenwillige Interpretationen im Schwetzinger "Grünen Baum"

Am ersten Dienstag im Juni war wieder Kneipenjazz im „Grünen Baum“ in Schwetzingen angesagt.
Immer wieder überraschend: Jam-Session.
Immer wieder überraschend: Jam-Session.Foto: rw

Am ersten Dienstag im Juni war wieder Kneipenjazz im „Grünen Baum“ angesagt – und obwohl diese Veranstaltung regelmäßig am ersten Dienstagabend im Monat stattfindet, und obwohl auf dem Programm hauptsächlich Jazzstandards standen, gab es auch dieses Mal wieder Überraschendes: Eigenwillige Interpretationen, kreative Improvisationen und in der Regel sehr gute bis hervorragende Musizierende.

Angekündigt war die Band, die das Konzert in der ersten Stunde bestritten: „Standard4“, ein Quartett um den Gitarristen und Bandleader Christian Eckert. Nach der Pause gestalteten insgesamt gleich sieben weitere Musiker*innen den zweiten Teil des Abends mit einer Jam-Session.

Mit „Just Friends“, einem Jazzstandard auf dem Jahre 1931, gefolgt von „It Could Happen to You“ aus dem Jahre 1944 begann das Quartett traditionell swingend; das stimmführende Instrument spielte Kerstin Haberecht auf ihrem Altsaxofon. Schon jetzt merkte man, welch kreatives Potenzial die Saxofonistin aus Mainz mitbrachte; im Laufe des Abends entfaltete sie es gekonnt virtuos und energiereich und kooperierte harmonisch mit dem Gitarristen Christian Eckert, der seine fundierte Musikausbildung in Amsterdam und New York City abgeschlossen hatte.

Stimmig

Das dritte Stück war Benny Dolsons Komposition „Stablemaids“ aus dem Jahre 1955 mit einem Solo des Bassisten Jan Dittman, gewürzt mit unterbrochenen Rhythmen von dem Drummer Julian Losigkeit. Die intuitive stimmige Zusammenarbeit zwischen dem Bassisten und dem Schlagzeuger war im Laufe des Abends immer wieder während der Improvisationen zu hören. – Auch Romantik sollte nicht fehlen: „Beatrice“ von Sam Rivers war das nächste Stück.

Der Komponist hatte das Stück 1964 in seinem Debütalbum aufgenommen; es war eine Liebeserklärung an seine Frau. Sanft melodisch stimmte die Saxofonistin das Stück an, sanft begleitete der Drummer zuerst mit Händen, dann mit dem Schlagzeugbesen und -sticks die Melodie; die Band setzte ein, fast unmerklich wechselte sie den Rhythmus von einem Slow zu einer Bossa-Nova. Die Improvisation wurde freier, nachdrücklicher und steigerte sich noch mehr bei „Speak No Evil“ von Wayne Shorter, ebenfalls aus dem Jahre 1964.

Besuch aus Brasilien

Nach der Pause kamen Gitarristin Linn Reinhardt, Flötistin Natalia Gall und Pianist Wolfgang van Göns auf die Bühne; Bassist Jan Dittmann und Drummer Julian Losigkeit blieben weiterhin fest in der Formation. Man begann artig: "Have You Met Miss Jones?" (1937) von Richard Rodgers, einem Musical-Komponisten aus dem alten Hollywood. „Someday my Prince will Come“ (1961) von Miles Davis begann mit einem langsamen Walzer; die Melodie gab Natalia Gall auf ihrer Querflöte vor und leitete damit die Improvisation der Band mit Piano, Bass, Drums und Flöte ein.

Und diesmal kam der Überraschungsgast erstmalig auf die Bühne: Gitarrist Jordi Amorim aus Bahia, Brasilien! Temperamentvoll und virtuos ging es weiter, als Carl Krämer mit seinem kraftvollen Spiel auf dem Baritonsaxofon mit dem berühmten „Birdland“ (1977) von Joe Zawinul verzauberte. Konnte die Energie auf der Bühne gesteigert werden? Sie konnte. Der nunmehr neu hinzugekommene Trompeter Ferdinand Reiff und Saxofonist Carl Krämer rockten das Haus in energiegeladener Improvisation mit dem uralten Titel „What is this Thing Called Love“ (1929) von Cole Porter.

Gitarrensolo

Danach einigte sich die inzwischen zu einem Septett angewachsene Formation auf Langsameres und spielte „Summer Samba“, was übrigens kein Samba ist, sondern eine schöne Bossa-Nova (1964) von dem Brasilianer Marcos Valle.

Das folgende Stück „Mr. P.C.“, ein zwölftaktiges Jazzstück in Moll-Blues-Form, das John Coltrane 1959 komponiert hatte, spielten sie in einer Uptempo-Version; Bass und Drums dialogisierten in einem gemeinsamen Solo. Und Ferdinand Reiff lockte aus seiner Trompete Klänge hervor, die nur aus der Tiefe des Urwalds oder der Seele stammen können und doch völlig harmonisch in das Geschehen passten. Es war fast Schluss - und da gab es noch eine weitere Überraschung: Bisher hatte er sich noch mehr im Hintergrund gehalten, der Brasilianer Jordi Amorim.

Nun bei einer Uptempo-Version von „Stella by Starlight“ (1944) des amerikanischen Filmmusikkomponisten Victor Young legte er ein sensationelles Gitarrensolo hin, das alle Anwesenden in jubelndem Beifall ausbrechen ließ. Jordi Amorim ist seit Kurzem zu Besuch in Deutschland, spielte bisher in ein paar Clubs; zum Monatsende will er wieder zurück in seine Heimat. Das Publikum - Musikfans und auch Musiker*innen - war hin und weg, niemand wollte gehen. Aber: Die Uhr zeigte schon 22 Uhr – und damit Feierabend. Bis zum nächsten Mal, am 11. Juni, selber Ort, selbe Zeit. (rw)

Bandleader Christian Eckert und Bassist Jan Dittmann.
Bandleader Christian Eckert und Bassist Jan Dittmann.Foto: rw
Erscheinung
Schwetzinger Woche
Ausgabe 24/2024
von Redaktion Nussbaum
12.06.2024
Orte
Schwetzingen
Kategorien
Dies und das
Panorama
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto