„Ist das 10-jährige Bestehen des „Café Asyls“ überhaupt ein Anlass zum Feiern?“ Diese Frage stellte Joachim Auch gleich bei der Begrüßung der über 100 Besucherinnen und Besucher im Ebersbacher Haus Filsblick. Eigentlich nicht, denn in einer idealen Welt gäbe es keine Flüchtlinge, bräuchte es keine Flüchtlingshilfe, auch kein „Café Asyl“.
Doch wir leben in keiner idealen Welt. Und so geht es immer wieder darum, Fremde willkommen zu heißen. Dazu trägt seit 10 Jahren auch das „Café Asyl“ bei. Es ist weit mehr als ein Kaffeekränzle, es schafft Raum für Begegnung unterschiedlichster Menschen jeden Alters, vermittelt Hilfen verschiedenster Art, unterstützt und ermutigt, motiviert Kinder zum Basteln und Spielen. Und weil dies nun seit 10 Jahren immer noch jeden Monat stattfindet, gibt es wirklich auch Grund zur Dankbarkeit und Freude, also auch zum Feiern!
Besonders willkommen hieß Joachim Auch Ryyan Alshebl. Mit 21 Jahren ist dieser 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen. Damals sprach er kein Wort Deutsch. Im April 2023 wurde er zum Bürgermeister von Ostelsheim im Kreis Calw gewählt. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten auf dem Rathaus Althengstett absolviert. Er gehörte zu Besten seines Jahrgangs. Mit Beifall quittierten die Besucherinnen und Besucher, dass Alshebl zur Jubiläumsveranstaltung nach Ebersbach gekommen ist, obwohl er zwischenzeitlich auch noch eine Einladung zu einem Empfang des Bundespräsidenten erhalten hatte.
Ein vom SWR produzierter Film zeigte den Werdegang Ryyan Alshebls vom Flüchtling zum Bürgermeister eines württembergischen Dorfes auf. Er wurde deutlich, wie bedrohlich und aussichtslos damals die politische und militärische Lage in Syrien war und was es bedeutet, in einem Schlauchboot, das für 15 Menschen ausgelegt ist, mit 48 anderen zu sitzen. So manches musste über Bord geworfen werden und dann waren da noch immer die Angst vor dem Tod durch Ertrinken. In solchen Situationen merkt man, was wirklich zählt im Leben. Solche Erfahrung lässt manch sonstiges Problem als banal erscheinen.
In diesem Film wurde aber auch deutlich, wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die einem etwas zutrauen und einen unterstützen. Solche Menschen hat Alshebl in seinem früheren Chef, dem Bürgermeister von Althengstett, aber auch in vielen anderen Menschen erlebt. So konnte Alshebl einer werden, der sich mit seinen Gaben in der Kommunalpolitik nun „um das große Ganze kümmern kann“, wohl wissend, dass dies nicht seine Errungenschaft ist, sondern ihn andere auf seinem Weg dorthin unterstützt haben.
In der anschließenden Gesprächsrunde, moderiert von Joachim Auch und Henrike Dierig, machten neben Alshebl auch Semiha Oekdem, für die ein Leben mit ihrer Familie in die Türkei nicht mehr möglich war und nun Integrationsmanagerin in Ebersbach ist und Vanissa Djeuka aus Kamerun, die jetzt hier eine Ausbildung als Erzieherin macht, von ihren Erfahrungen hier bei uns. Für alle war es anfangs nicht leicht, mit der neuen Situation in einem fremden Land zurechtzukommen.
Wichtig war für alle drei, die deutsche Sprache zu lernen und im Kontakt mit anderen Menschen zu leben. Dennoch machte sich auch immer wieder das Gefühl breit, ich muss das Beste geben und es reicht dennoch nicht. Alle drei sind dankbar für die erfahrene Unterstützung und Hilfe, denken aber auch immer wieder schmerzlich an die ursprüngliche Heimat und die dort noch lebenden Angehörigen.
Der Blick von außen deckt auch manch Befremdliches in unserem Land auf: die deutsche Liebe zu Regeln und Standards, und der große Wunsch, die letzte Unsicherheit aus der Welt schaffen zu können. Dies kann manchmal allerdings auch hinderlich sein, wenn Menschen aus anderen Ländern mit ihrer großen Berufs- und Lebenserfahrung sich nicht adäquat in ihrer neuen Heimat einbringen oder ihren erlernten Beruf ausüben können.
Dietmar Vogl, im Rathaus zuständig für Bürgerschaftliches Engagement, überbrachte schon zu Beginn der Veranstaltung die Grüße der Stadtverwaltung und dankte für die vielfältige Unterstützung für die Menschen, die in den vergangenen Jahren nach Ebersbach gekommen sind. Samer Fanous umrahmte die Veranstaltung mit arabischer Musik auf seinem E-Piano.
Es war eine nachdenkliche und berührende, aber auch mutmachende Veranstaltung, in der wieder einmal deutlich wurde: „Wir Menschen mögen nur bestehen, wenn einer dem anderen die Hand reicht.“
Bei Häppchen und Getränken nahmen anschließend viele die Möglichkeit wahr, miteinander ins Gespräch zu kommen, das Gehörte zu vertiefen und nachzufragen oder einfach auch nur Erinnerungen auszutauschen.
Alfred Kohnke