Heimat- und Geschichtsverein Baltmannsweiler und Hohengehren
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Ein bewegtes Leben für die Gemeinschaft (1)

Steffi Graf hat eine, auch Dietmar Hopp hat eine - nämlich eine Straße, die nach ihnen benannt ist, und zwar in Landshut bzw. Sinsheim. Üblicherweise...
Baltmannsweiler. Straßenschild
Baltmannsweiler. StraßenschildFoto: Alfred Hottenträger

Steffi Graf hat eine, auch Dietmar Hopp hat eine - nämlich eine Straße, die nach ihnen benannt ist, und zwar in Landshut bzw. Sinsheim. Üblicherweise ehren aber Kommunen keine lebenden Personen mit Straßennamen, sondern nur verstorbene. Die Benennung soll eine besondere Ehrung der jeweiligen Person darstellen, deshalb sind Persönlichkeiten zu wählen, die für die Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung waren oder noch sind. In Baltmannsweiler gibt es in der Schurwaldsiedlung ein solches Straßenschild, sogar mit einem Zusatzschild versehen, auf dem knappe Angaben zur Biografie des somit geehrten Fritz Maier zu lesen sind.

Otto Friedrich (Fritz) Maiers Leben war im wahrsten Wortsinn bewegt. Er wurde am 5. März 1897 in Baltmannsweiler als Sohn des Bauern und späteren Feldschützen Gottlieb Maier geboren. Es war nach dem Tod der ersten Gattin 1884 die zweite Ehe des Vaters, Anfang September 1886 hatte der Witwer nämlich die aus Hegensberg gebürtige Bäckerstochter Luise Hallm geheiratet. Schon als Jugendlicher entdeckte Friedrich Maier seine Liebe zum Turnen: Bereits mit zwölf Jahren nahm ein älterer Bruder (möglicherweise Hermann) ihn mit zum sonntagvormittäglichen Turnen, und gleich nach der Volksschulentlassung wurde er 1911 aktives Mitglied des 1908 gegründeten Arbeiterturn- und Sportvereins (ATV). In jenen Tagen bildete der Schuhmacher, der zunächst bei einem örtlichen Meister und nach dessen Tod in einer Schuhfabrik in Faurndau das Handwerk erlernte, mit zwei Freunden die Spitzengruppe des Turnvereins. Geturnt wurde am Reck, am Barren und später auch am Pferd. Dabei blieb Maier kaum Zeit für seine Sportleidenschaft, denn er musste an Arbeitstagen morgens um vier Uhr aufstehen, nach Reichenbach laufen und mit dem Arbeiterzug nach Faurndau fahren. Abends war er erst um neun Uhr wieder zu Hause.

Als ab Anfang August 1914 der Erste Weltkrieg tobte, wurden auch nachweislich vier der sechs Söhne der Familie Maier Soldaten, Ernst (1914), Wilhelm und Friedrich (1915) sowie Hermann (1916). Ob der am 18. Juni 1899 geborene Sohn Christian Gottlieb zum Militär musste, ist nicht bekannt, es gab jedoch in der Liste der „Ausmarschierten“ aus Baltmannsweiler einen Soldaten namens Christian Maier. Einer der Brüder sollte den Krieg nicht überleben: Ernst, lediger Eisenbahnarbeiter und Gefreiter in der 12. Kompanie des Württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248, war an der Westfront eingesetzt. Der 29-Jährige fiel am frühen Morgen des 15. Juli 1916 um 4.45 Uhr bei Richebourg l’Avone (Frankreich) durch einen Schuss in die Brust und wurde zwei Tage später beerdigt.

Im Gegensatz zu seinen Brüdern, die beim Württembergischen Heer Kriegsdienst leisteten, kam Friedrich weit weg von Baltmannsweiler zur Kaiserlichen Marine. Angeblich war sein sportlich trainierter Körper bei der Musterung aufgefallen. Eine für die damalige Zeit typische Fotografie, in einem Kieler Atelier aufgenommen, zeigt einen selbstbewusst blickenden jungen Mann. Bald darauf findet man den Matrosen auf dem U-Boot UC 74 in Wilhelmshaven. Am 17. Februar 1917 ging es in den Einsatz, und ab Mitte März gehörte das U-Boot zur II. Flottille im Marinestützpunkt Pola und wurde von dort in Zusammenarbeit mit der k. u. k. Österreichisch-Ungarischen Marine im Mittelmeer eingesetzt. Maier erlebte dann die Schrecken des Seekriegs, in der Ortsgeschichte Baltmannsweilers von 1936 wird er wie folgt zitiert: „Von Pola aus machten wir unsere Fahrten. Jede dauerte vier bis fünf Wochen. Ihr könnt euch nicht denken, was es heißt, vier Wochen in einem U-Boot eingeschlossen zu sein, vier Wochen fast keine frische Luft, vier Wochen fast immer unter Wasser, vier Wochen ständig in Gefahr, auf eine Mine aufzulaufen. Nach jeder Fahrt waren wir fast kaputt.“ Das aus militärischer Sicht sehr erfolgreiche U-Boot versenkte 37 Schiffe und beschädigte vier. Darunter war auch die Versenkung zweier alliierter Truppentransporter: des britischen Passagierdampfers „Arcadian“ auf dessen Fahrt von Thessaloniki nach Alexandria 20 Seemeilen nordöstlich der griechischen Insel Milos und der französischen „Yarra“ auf deren Weg von Madagaskar nach Marseille nördlich von Kreta. Beide Schiffe sanken im Jahr 1917, insgesamt starben dabei etwa 300 Militärangehörige und Zivilisten. Maier sah Menschen, aber auch Tiere, die auf den Schiffen geladen waren, ertrinken. Was er wahrscheinlich nicht wusste: Unter den Überlebenden der am 15. April torpedierten „Arcadian“ befand sich das Besatzungsmitglied Thomas Threlfall, der auf den Tag genau fünf Jahre zuvor den Untergang des Luxusdampfers „R.M.S. Titanic“ überlebt hatte. Das U-Boot operierte laut Maier bis vor die ägyptische und die syrische Küste, von dort seien die Seeleute an Land gegangen und bis vor Damaskus marschiert. UC 74 mit seiner Besatzung wurde gegen Kriegsende am 21. November 1918 in Barcelona (Spanien) infolge des Brennstoffmangels interniert, am 26. März des folgenden Jahres an Frankreich ausgeliefert und im Juli 1921 in Toulon abgewrackt.

Zurück in der Heimat nahm Maier sofort wieder seine gewohnte Arbeit in der Fabrik und in der Landwirtschaft auf. Auch mit dem Turnen begann er wieder und wurde zum Oberturnwart gewählt. Jene Jahre wurden für den Verein trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland und sicherlich auch auf dem Schurwald zu einer Blütezeit mit über 100 Mitgliedern und vielen erfolgreichen Teilnahmen bei Turnfesten. Schon 1919 errang die unter Maier aus 45 Turnern bestehende Riege beim ersten Bezirkstreffen in Stuttgart-Münster 43 Siege. Reisen führten unter anderem nach Leipzig (1922) und Wien (Arbeiterolympiade 1929). Die Baltmannweiler Turnerriege mit 12 bis 15 Mann war dadurch nicht nur in der näheren, sondern auch weiteren Umgebung sehr bekannt. (auh)

Friedrich Maier. Fotografie wohl 1915/1917
Friedrich Maier. Fotografie wohl 1915/1917.
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