Hohner-Akkordeon-Orchester Reilingen e. V.
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Ein Jubiläumskonzert voller Klangfarben

Mit 60 ist man heutzutage nicht alt, sondern allenfalls rüstig – oder im optimalen Fall ein „Best ager“: So dürfte sich das Hohner-Akkordeon-Orchester...
Foto: S. Beha

Mit 60 ist man heutzutage nicht alt, sondern allenfalls rüstig – oder im optimalen Fall ein „Best ager“: So dürfte sich das Hohner-Akkordeon-Orchester (HAO) am Sonntag, den 10.11.24, vor reichlich besetzter, festlich geschmückter Mannherz-Halle gefühlt haben, als die Instrumentalisten um die Vorsitzende Julia Wiesener, für die der musikalische Geburtstagsauftritt auch Dank und Anerkennung für die eigene Arbeit gewesen ist, ihr Jubiläum mit einem großen Musikevent gefeiert haben. Der rund dreistündige Auftritt war dabei fast ein wenig wie früher Galaabend mit anschließendem Tanz, aber eben doch ganz neu, weil destilliert und auf einem musikalischen Niveau, von dem die Hohner in ihren Gründungszeiten nur träumen konnten. Vom ersten Ton der „New York Ouvertüre“ des Niederländers Cornelis „Kees“ Vlak bis zum Schlussknaller der Zugabe „Auf uns“, mit der Andreas Bourani vor zehn Jahren eine Hymne erschuf, haben sich alle Orchester und Ensemble einer modernen, zeitgemäßen, neuen und vor allem hochspannenden Stilistik bedient, mit der die Hohner vor allem seit dem Einstieg des Dirigenten Johannes Grebencikov ihr Instrument nicht nur aus der „Quetschkommod“-Ecke herausholten, sondern zu hochklassiger sinfonischer Musik führten. Dass es dabei zwar auch, aber nicht nur ernst zugehen muss, hat das HAO ebenfalls zu gehörigen Teilen dem aus Sibirien stammenden Tausendsassa zu verdanken, der „Dirigent, Mentor, Spaßvogel und Entertainer“ in einem ist, wie Corinna Metzger, die charmant und gewitzt wie immer durch den Abend führte, zusammenfasste.
Die unglaubliche Qualität, die alle HAO-Gruppierungen inzwischen erreicht haben, konnten schon die „Jungen“ im „ReiMa-Ensemble“, die man früher noch als Jugendensemble bezeichnete, demonstrieren: Ausdifferenzierte Motivik, ein spannender Wechsel zwischen breiten Tutti und weitgehend zerfallenden, einwurfartigen Passagen, in denen die Schlaglichter und Akzente auf einzelne Instrumentalisten verteilt waren, und vor allem ein bemerkenswert hohes technisches und interpretatorisches Niveau hat das 16-köpfige Gemeinschaftsprojekt mit „Akkordeon im Quadrat“ Mannheim sowohl mit Vlaks großer Musikgeschichte, als auch mit „Spain“ des amerikanischen Komponisten Chick Corea unter Beweis gestellt.
Das „Jubiläumsorchester“, das einst zum 20-jährigen des HAO gegründet wurde, ist heute zwar nicht mehr in Originalbesetzung, deckt aber programmatisch die Fuge zwischen der neuen und der alten Zeit ab: Sehr viel Spielpraxis und Konzerterfahrung, die einen routinierten Ton und hohe Präzision garantieren, kulminierten in zwei leichtfüßigen Klassiker-Potpourris. Mit Matthias Heineckes „Krimi-Puzzle“ feierten Miss Marple und der dritte Mann Wiederauferstehung, mit Werner Kunzmanns Arrangement „Frankieboy Forever“ der Entertainer Frank Sinatra.
Das musikalische Highlight des Abends setzten – nach einem rührenden Auftritt der Allerkleinsten, die zu zehnt mit „Eye of the tiger“ und „We will rock you“ für Zugabe-Rufe sorgten – das 1. Orchester mit Ralf Schwarziens „Klezmer Festival“ und das „ReiMa-Konzertorchester“ mit Bernsteins „Candide Overture“: Einen vielschichtigen Klang, atemberaubende Melodieläufe und hohe dynamische Spannkraft vereinten die zuletzt 45 Mitwirkenden zu einem Hörerlebnis, bei dem aus den nur auf den ersten Blick tonal starr wirkenden Instrumenten Oboen, Trompeten und Geigen zu erklingen schienen. Wuchtige Passagen wurden mit voller Kraft, die den Hallenboden erzittern ließ, leisere Abschnitte mit einem zartschmelzenden Ton genommen, der anrühren und begeistern konnte. Das Gemeinschaftsorchester, das zu Recht nach wie vor amtierender Gesamtsieger des Innsbruckers „World Music Festivals“ ist, brachte in halsbrecherischen Tonläufen, unvermittelten Rhythmuswechseln und harten dynamischen Brüchen ein Tongemälde in wilden Farben und breiten Harmonien, anmutig und mitreißend zugleich.

Als es zum Konzertabschluss wie in alten Zeiten in den Tanzteil überging, schenkte sich das HAO selbst eine Party, die sich gewaschen hatte: Die fünf Jungs von „Wörner Cocktail“, mit dem Dirigent Grebencikov praktischerweise seinen Teil Unterhaltungsmusik auslebt, heizten mit Stevie Wonder, John Miles und dem Tom-Jones-Evergreen „It’s not unusual“, bei dem das smarte Allroundtalent Taktstock mit Mikrofon tauschte, so gewaltig ein, dass in stehende Ovationen Schlussnummer und Zugaben im tosenden Applaus förmlich untergingen.
60 Jahre und kein bisschen leise – in Bezug auf das Hohner Akkordeon Orchester ist das fraglos ein Segen!
(hel)

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Ausgabe 47/2024

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von Hohner-Akkordeon-Orchester Reilingen e. V.
21.11.2024
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