Ein Leben für Europa

Ausstellung im Stadtmuseum über Otto von Habsburg eröffnet Im Stadtmuseum Gerlingen ist seit vergangenem Wochenende eine neue Sonderausstellung...
Bernd Posselt hatte viele interessante Anekdoten und Geschichten aus dem Leben Otto von Habsburgs mitgebracht.
Bernd Posselt hatte viele interessante Anekdoten und Geschichten aus dem Leben Otto von Habsburgs mitgebracht.Foto: Tommasi

Ausstellung im Stadtmuseum über Otto von Habsburg eröffnet

Im Stadtmuseum Gerlingen ist seit vergangenem Wochenende eine neue Sonderausstellung zu sehen. Die Schau eröffnet Einbilcke in das außergewöhnliche Leben von Otto von Habsburg, dem Sohn des letzten Kaisers von Österreich und König von Ungarn, Karl I.

Zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung des Stadtmuseums über Otto von Habsburg konnte der Erste Beigeordnete Stefan Altenberger zahlreiche Gäste im Sitzungssaal des Rathauses begrüßen. Unter den Gästen weilten die Leiterin des Stadtmuseums Dr. Birgit Knolmayer, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn (LDU) Joschi Ament, der Präsident der Paneuropa Union und langjährige Pressesprecher von Otto von Habsburg Bernd Posselt, der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart Rainer Wieland, der Direktor des Liszt-Instituts Dr. Dezsö B. Szabó, die ehemaligen Gerlinger Bürgermeister Albrecht Sellner und Georg Brenner sowie Ministerialdirigent Andreas Schütze, der Landtagsabgeordnete Konrad Epple sowie zahlreiche Vertreter des Gemeinderates und der Stadtverwaltung. Otto von Habsburg, der von 1912 bis 2011 gelebt hat, sei ein Mensch mit einem aufregenden Leben gewesen und ein Mensch mit der Vision von einem vereinten Europa, hielt Altenberger fest. Der letzte Erbe der österreichisch-ungarischen Monarchie habe sich zeitlebens für den Frieden in Europa und die Vereinigung Europas eingesetzt. Gerlingen habe das im Rahmen seiner Möglichkeiten auch getan, machte Altenberger anhand von Beispielen, wie den Städtepartnerschaften mit Vesoul und Tata deutlich.

Umfangreiches Begleitprogramm


Auch Museumsleiterin Knolmayer hob in ihrer Begrüßung auf von Habsburgs Engagement für Europa ab und verwies darauf, dass er sich als Publizist und Politiker für den europäischen Gedanken eingesetzt habe. „Otto von Habsburg ist eine höchst interessante Persönlichkeit, die mit vielen Ereignissen des 20. Jahrhunderts verbunden ist“, so Knolmayer. In der Ausstellung könne man sein außergewöhnliches Leben kennenlernen. Ein Teil sei auch der Verbindung zu Gerlingen gewidmet. Als ein Beispiel nannte sie seinen Besuch beim Schwabenball 1999. Zur Ausstellung gebe es ein umfangreiches Begleitprogramm, so Knolmayer weiter. Eine Weinprobe mit Graf von Neippberg gehöre genauso dazu wie eine öffentliche Führung mit Dr. Szabó, aber auch besondere Führungen für Schulen.
Der Vorsitzende der LDU Ament berichtete von einer Begegnung im Jahr 2009 mit Otto von Habsburg in Elek, der Heimatstadt seiner Eltern. Von Habsburg sei damals schon 96 Jahre alt gewesen. Seine Tochter Monika habe ihn begleitet. Vom Bürgermeister von Elek sei er mit Ihre Majestät angesprochen worden und von Habsburg habe seine Begrüßungsworte auf Ungarisch gesprochen. Auch Ament verwies darauf, dass Otto von Habsburg sich sein Leben lang für Frieden, Freiheit und Sicherheit starkgemacht hat und überzeugt davon war, dass es dafür ein vereintes Europa braucht. „Otto von Habsburg war ein echter Europäer“, hielt Ament abschließend fest, und forderte die Anwesenden auf, für die spannende, sehenswerte und interessante Ausstellung im Gerlinger Stadtmuseum Werbung zu machen.

Er hatte eigentlich sechs Leben

Der Hauptredner der Ausstellungseröffnung, Bernd Posselt, hatte viele interessante Anekdoten und Geschichten aus dem fast 100-jährigen Leben von Otto von Habsburg mitgebracht. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen hielt der langjährige Wegbegleiter von Habsburg fest, dass dieser eigentlich sechs Leben gehabt habe. Sein erstes Leben sei das des Kronprinzen der Habsburger gewesen, einer Großmacht, die sich ab seinem zweiten Lebensjahr im Krieg befunden habe. Die Ausbildung des Kronprinzen habe schon früh begonnen und sei hart gewesen. Sprachen zu lernen habe genauso dazugehört wie eine politische Ausbildung und auch Geschichte sei auf seinem Stundenplan gestanden. Tatsächlich sei von Habsburg ein Sprachgenie gewesen und habe neun Sprachen perfekt gesprochen. Außerdem sei es ihm wichtig gewesen, in allen Sprachen einige Worte zu lernen, um sich verständigen zu können.


Sein zweites Leben sei das eines Flüchtlings und Vertriebenen gewesen, so Posselt weiter. Dadurch habe er ein unruhiges Wanderleben gehabt, und das sei sein Leben lang so geblieben. „Sein Leben war das eines Wanderpredigers, der versucht hat, Menschen zu erreichen“, erzählte der langjährige Pressesprecher. Als er 1930 volljährig wurde, habe er bereits in Belgien studiert. Im Jahr seiner Volljährigkeit habe ihm seine Mutter die Leitung der Familie übertragen und von da ab auch seine Entscheidungen konsequent akzeptiert, so Posselt. „Das war das Ende seines zweiten Lebens.“
Das dritte Leben von Habsburg sei das eines Exilmonarchen gewesen und gleichzeitig das Leben eines erwachenden Demokraten. Otto von Habsburg habe klar Stellung gegen Hitler bezogen und dem österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg prophezeit, dass sein Pakt mit Mussolini nicht halten werde, und dass Hitler Österreich gleichschalten werde. Wenn er nicht gegen Hitler vorgehen wolle, solle er ihm die Amtsgeschäfte übertragen, er werde gegen ihn kämpfen. Kurze Zeit später musste von Habsburg fliehen, weil er von Hitler zum Tode verurteilt worden war.
Sein viertes Leben habe in den USA begonnen und sei das eines Europäers und Paneuropäers gewesen. Während seiner Zeit in den USA sei ein Pan-Europa-Kongress abgehalten worden, bei dem eine Verfassung für das Nachkriegseuropa erarbeitet worden sei, berichtete Posselt. Schon in der Zeit habe von Habsburg für ein atlantisches Bündnis auf Augenhöhe geworben, heute ein hochaktuelles Thema. Von 1973 bis 2004 habe Otto von Habsburg dann die Paneuropa-Union geleitet. In seiner Zeit wurde der Slogan „Paneuropa ist ganz Europa“ geprägt. Er selbst habe von Habsburg bei einer Veranstaltung der Paneuropa-Union 1975 kennengelernt. „Ich war ein großer Fan von ihm und habe ihm gesagt, dass ich gerne in der Jugendorganisation der Paneuropa-Union mitmachen würde.” Von Habsburg habe ihm daraufhin erklärt, dass es die Jugendorganisation nicht gebe. „Aber gründen Sie sie“. Das hat Posselt dann auch getan.
Das fünfte Leben von Otto von Habsburg sei das des Europaabgeordneten gewesen, so Posselt weiter. An seinem ersten Sitzungstag sei ihm von einer Parlamentarierin erklärt worden, dass die EVP beschlossen habe, nicht mit Marco Panella zu sprechen. Von Habsburg habe daraufhin umgehend das Gespräch mit Panella gesucht. Er habe sich eben nichts vorschreiben lassen.
Auch in seiner letzten Lebensphase bis zu seinem Tod sei von Habsburg an den politischen Entwicklungen interessiert gewesen und habe sich immer über die neuesten Entwicklungen berichten lassen. Als er erfahren habe, dass die Verhandlungen mit Kroatien zum Beitritt in die EU laufen, habe er sich sehr gefreut.
Abschließend hielt Posselt fest, dass Otto von Habsburg keine parteipolitischen Ressentiments gekannt habe. Gegen Rechts- und Linksextreme habe er sich aber immer mit aller Kraft gestellt und ihnen eine Absage erteilt. „Er war ein glühender Demokrat und gegen jede Form von Nationalismus“, schloss Posselt seine Ausführungen.

Persönliche Begegnungen


Der ehemalige Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart Rainer Wieland berichtete bei der Ausstellungseröffnung ebenfalls von Begegnungen mit von Habsburg im Europaparlament. Die Abgeordneten im Parlament würden sich in den Fraktionen mit „du” ansprechen, so Wieland. Bei von Habsburg – einem Menschen, der wie wenige eine natürliche Aura hatte – sei er immer bei Herr Kollege geblieben. Wieland erzählte auch, dass er von Habsburg zum Schwabenball eingeladen habe und beim ersten Mal eine Absage erhalten habe. Nachdem er bei der zweiten Einladung wieder einen negativen Bescheid erhalten habe, habe er ihn auf dem Gang getroffen und ihm sein Bedauern ausgedrückt, dass er nicht kommen könne. „Ich tanze nicht“, habe ihm von Habsburg daraufhin erklärt. Nachdem er ihm versichert habe, dass dort nicht getanzt werden muss, habe von Habsburg gesagt „Dann komme ich“. Beim Schwabenball habe man dann gespürt, wie viele Menschen ihn berühren, aber auch, wie vielen Menschen es wichtig war, ihn zu sehen. Wieland berichtete weiter, dass er als Europaparlamentarier immer wieder Briefe bekommen habe, in denen vorgeschlagen wurde, Esperanto zur Parlamentssprache zu machen. Otto von Habsburg habe für Latein plädiert, weil dann keiner seine Muttersprache spreche und dadurch einen Vorteil habe. In dem Zusammenhang hielt Wieland weiter fest, dass man in Deutschland nicht erwarten dürfe, dass alle Deutsch sprechen, sondern nur, dass jeder so gut wie möglich Deutsch spricht. Genauso wichtig sei es, dass man eine oder zwei Fremdsprachen spricht.
Mit Blick auf die Einstellung von Habsburg zu Rechts- und Linksextremen fragte sich Wieland, was er wohl zum Aufstieg der selbsternannten absoluten Herrscher sagen würde, von denen die meisten Despoten sind wie beispielsweise in den USA, der Türkei oder Russland. „Wir erleben momentan eine Zeit, in der sich vieles sehr schnell bewegt. Dabei geht es um Europa, Deutschland und die Demokratie. Alles Dinge, für die Otto von Habsburg stand.“ Und weiter: „Die eigentliche Gretchenfrage ist, was wäre Deutschland 2025 bereit, für Deutschland 1939 zu tun“, so Wieland. Und die Frage sei auch, woher man Menschen bekomme mit der Weisheit, Weitsicht und Entschlossenheit wie Otto von Habsburg. Es gebe nur noch wenige Menschen, die den Krieg und Hunger erlebt haben oder vor existenziellen Entscheidungen gestanden sind. Nachdem es diese Erlebnisgeneration nicht mehr gebe, brauche es eine Erkenntnisgeneration und Menschen, die zuhören, aber selbst nachdenken.


Sozusagen das Schlusswort hatte Dr. Deszö B. Szabó. Für ihn ist wichtig, wie die Politik der Zukunft aussieht und vor allem, wie die junge Generation angesprochen werden kann. Otto von Habsburg habe sich gerne mit jungen Menschen beschäftigt und deren Fragen trotz aller Arbeit immer beantwortet. Und er habe das Interesse junger Menschen für Europa und die europäische Politik begrüßt. Er selbst habe ihn bei einem Paneuropa-Kongress 1989 als junger Mensch kennengelernt. Eine nachhaltige Begegnung, die ihn zum Europäer gemacht habe. In der Ausstellung, die bis 1. Juni im Stadtmuseum zu sehen ist, würden Stationen eines wunderbaren, reich erfüllten Lebens gezeigt, empfahl er allen einen Besuch. Geöffnet ist die Ausstellung, der Otto von Habsburg Stiftung Budapest, des List-Instituts, Ungarisches Kulturzentrum Stuttgart in Kooperation mit der Landmannschaft der Deutschen aus Ungarn und dem Stadtmuseum Gerlingen immer Dienstag und Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Führungen für Gruppen können unter Telefon 07156/205366 oder unter der E-Mail stadtmuseum@gerlingen.de vereinbart werden.
Text/Fotos: Tommasi

Erscheinung
Gerlinger Anzeiger
NUSSBAUM+
Ausgabe 14/2025

Orte

Gerlingen
von Stadt Gerlingen
04.04.2025
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