Archivale des Monats:

Ein philatelistisches Gruppenbild

Kernaufgabe eines jeden Stadtarchivs ist ...
Archivbild Briefmarkensammlerverein Calw
Gruppenbild BriefmarkensammlervereinFoto: Stadtarchiv Calw

... die Bewahrung, Ordnung und Erschließung der städtischen Verwaltungsüberlieferung, insbesondere des Aktenmaterials, in einer begründeten Auswahl. Dieser Kern des Archivbestandes wird jedoch, nicht nur in Calw, durch Schriftgut anderer Herkunft, Karten beziehungsweise Pläne und audiovisuelle Medien ergänzt. Hier spielen oft die Archive von Vereinen eine wichtige Rolle.

Angesichts des in Deutschland traditionell sehr stark ausgeprägten Vereinswesens kommen auch in einer kleineren Stadt zahlreiche Vereine in Betracht, deren Unterlagen wichtige historische, vor allem sozial- und kulturgeschichtliche Einblicke ermöglichen: Welche Aktivitäten waren für das Freizeitverhalten in bestimmten Zeiträumen oder auch bestimmten Stadtteilen charakteristisch? Welche Personen gaben in diesem oder jenem Verein den Ton an? Hatte ein Verein gute Kontakte zur Stadtverwaltung und Kommunalpolitik oder fehlte es daran? Spiegeln sich in den Vereinsaktivitäten die gesellschaftlichen Umbrüche, beispielsweise die totalitäre Durchdringung fast aller Lebensbereiche während der NS-Diktatur, wider?

Ein besonders aussagekräftiges Beispiel hierfür ist der Bestand des 2012 aufgelösten Briefmarkensammlervereins Calw. Er gelangte 2013 als Schenkung durch den langjährigen Schriftführer in das Stadtarchiv und dokumentiert die Geschichte des Vereins seit seiner Gründung im Jahre 1921 durch die wechselvollen Jahrzehnte seines Bestehens. Die Mitglieder des Vereins hatten zumindest in der Weimarer Republik und der NS-Zeit vorwiegend gut bezahlte, mit Leitungsaufgaben verbundene Berufe – wir können also davon ausgehen, dass beispielsweise die Diskussionen politischer Fragen für die gängigen Ansichten in der „besseren Gesellschaft“ unserer Stadt zu dieser Zeit einigermaßen typisch
sind.

Insbesondere die Protokollbücher geben Einblick in die Sitzungsverläufe und manchmal auch Konflikte innerhalb des Vereins. So wird aus ihnen beispielsweise deutlich, dass die Calwer Philatelisten sich während der NS-Diktatur gegen die Eingliederung ihres Vereins in die Organisation „Kraft durch Freude“ sträubten und diese nicht aus freiem Entschluss der Mitglieder erfolgte. Deren „Widerständigkeit“ in diesem Punkt war zwar sicherlich kein politischer Widerstand, wie ihn etwa die Weiße Rose leistete, könnte aber die Neugründung des Vereins nach dem Zweiten Weltkrieg erleichtert haben. Dabei standen einzelne Mitglieder der KdF-Organisation durchaus nahe, und es fehlt in den Protokollen auch nicht an zustimmenden Aussagen gegenüber dem Nationalsozialismus.

Stadtarchivar Dr. Frank Engel hat die Geschichte des Calwer Briefmarkensammlervereins während der NS-Zeit in seinem Beitrag zu einem soeben erschienenen Aufsatzband erörtert. Unser Foto zeigt die Vereinsmitglieder im Herbst 1921.

Titeldaten des Aufsatzbandes

Der Kreis Calw in der Zeit des Nationalsozialismus. Historische Forschungen und Erinnerungsarbeit, hrsg. v. Thorsten Trautwein und Gabriel Stängle, Wildberg: MORIJA 2025 (Edition Papierblatt, Band 7), ISBN: 978-3-945178-20-1, 708 Seiten, Preis: 30 Euro.

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM
20.07.2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
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