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Ein schwarzer Winkel

Liebe Leserin, lieber Leser, ein schwarzes Dreieck aus Stoff, der sogenannte „schwarze Winkel“, grob aufgenäht auf die Häftlingskleidung, kennzeichnete...

Liebe Leserin, lieber Leser, ein schwarzes Dreieck aus Stoff, der sogenannte „schwarze Winkel“, grob aufgenäht auf die Häftlingskleidung, kennzeichnete in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten die so genannten „Asozialen“. Diesen Begriff benutzten die Nazis als Sammelkategorie zur Verfolgung sozialer Außenseiter.

„Ballastexistenzen”, wie die Nazis sagten: Menschen aus der Unterschicht, Obdachlose, Bettler, Landstreicher, Prostituierte, mittellose Alkoholkranke, psychisch Kranke, Leute, die mit ihren Unterhaltszahlungen im Rückstand waren, die als arbeitsscheu geltenden Fürsorgeempfänger*innen, alleinerziehende Mütter, Kleinkriminelle und nicht zuletzt „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende“ Personen.

Dies lässt sich zweifellos in der Rassenhygiene der Nazis verorten, wonach es eine völkische Unterschicht gab, die sich rasant vermehrt und die von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden muss. Alle „Asozialen“ passten nicht ins sauber-arische Bild. Und sie sollten nicht einfach nur auf den rechten Weg gebracht, sondern ausgemerzt werden. Was mit Zwangssterilisationen und Arbeitsdienst begann, endete in den Gaskammern der Konzentrationslager und Tötungsanstalten.

Asozial war ein weiter und dehnbarer Begriff. Asozial - das konnte jeder sein. So bspw. auch Mary Pünjer geborene Kümmermann, die im KZ Ravensbrück gefangen war und am 28. Mai 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet wurde. Sie stammte aus einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in Wandsbek. Weil sie Frauen liebte, musste sie den schwarzen Winkel tragen. Und deshalb wurde sie vergast.

Ein farbiges Stoffdreieck auf blaugestreifter Häftlingskleidung: lila für Jehovas Zeugen, braun für Sinti und Roma, rosa für homosexuelle Männer und so weiter. Durch die verschiedenfarbigen Winkel konnten die Häftlinge in den Konzentrationslagern keine wirkliche Gemeinschaft mit einem Gruppenbewusstsein bilden.

Sie diskriminierten sich vielmehr gegenseitig. So empfanden es vor allem politische Häftlinge zum Teil als gezielte Demütigung der Nazis, dass sie zusammen mit angeblich "Asozialen" und "Berufsverbrechern" eingesperrt wurden. Und Menschen, die den schwarzen Winkel trugen, standen in der Hackordnung sehr weit unten. Erst 2020 wurden sie offiziell als Verfolgte der Nazis anerkannt! Unfassbar!

(R. Baier)

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Stadt Schriesheim
NUSSBAUM+
Ausgabe 29/2024
von Röm. kath. Kirchengemeinde Schriesheim-Dossenheim, Pfarrei Mariä Himmelfahrt
17.07.2024
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