Ein Studierendenprojekt der etwas anderen Art: Der aus dem 13. Jahrhundert stammende Keller des stützenden Neubaus für die historische Häuserzeile Oberamteistraße erhält einen Stampflehmboden. Eingebracht wurde er kürzlich von Studierenden der Stuttgarter Hochschule für Technik Stuttgart.
Buchstäblich in riesigen Schritten voran geht es derzeit im stützenden Neubau für die Fachwerkhäuserzeile: Ende des Jahres werden die Bauarbeiten beendet sein. Bis dahin ist auch der Boden fertig, den die Studierenden in gut einwöchiger Hand- und Fußarbeit bearbeitet haben. „Genauso haben die Leute es vor 600 Jahren gemacht, freute sich Oberbürgermeister Thomas Keck, der die Baustelle nicht nur besichtigte, sondern auch gleich selbst „Fuß anlegte“. Ehe der Lehm im Keller von 15 auf 9 Zentimeter verdichtet werden konnte, musste er allerdings erst einmal an Ort und Stelle verbracht werden: Zehn Tonnen Lehm, gespendet von der Firma Conluto, gelangten per Eimerkette und Muskelkraft der angehenden Architekten und Innenarchitekten vom Laster in den Keller. Ein bis zwei Monate muss der Boden nun noch trocknen, ehe er mit Carnauba-Wachs versiegelt und somit nicht nur begehbar, sondern auch strapazierfähig gemacht werden kann.
Der Boden, erzählen Philipp Stute vom Architekturbüro Wulf und Melissa Acker von der Hochschule für Technik, die den Praxisworkshop initiiert und organisiert haben, passt nicht nur perfekt zur historischen Kulisse der wuchtigen Kellermauern aus dem 13. Jahrhundert, sondern auch zu den hohen Ansprüchen der Gegenwart: „Lehm ist einer der umweltschonendsten Baustoffe“. Überdies könne er Feuchtigkeit aufnehmen, Gerüche binden und für ein angenehmes Raumklima sorgen, erläuterte Architekt Tobias Wulf dem sichtlich begeisterten Oberbürgermeister.
Nicht minder beeindruckt war das Stadtoberhaupt von den rasanten Baufortschritten. Bekanntlich soll der markante Neubau mit seinen gläsernen Biberschwanzziegeln und dem kunstvollen Fachwerk aus Weißtanne das sogenannte „Steinerne Haus“ ersetzen, das 1972 in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Stadtbild verschwand – und so die angrenzende Häuserzeile, die als eine der ältesten erhaltenen Fachwerkhäuserzeilen Süddeutschlands gilt, in bedrohliche Schieflage brachte: „Wir standen nicht vor der Frage, die Sanierung anzugehen oder es bleiben zu lassen“, verdeutlichte Thomas Keck einmal mehr, „nichts zu machen, hätte den sicheren Einsturz der Gebäude bedeutet“. Nach der Fertigstellung wird das Ensemble als Bestandteil der Historischen Museen Reutlingen zahlreiche Menschen weit über die Stadtgrenzen hinaus ansprechen, ist der Oberbürgermeister überzeugt.