Open-Air-Strickkino

Eine Leidenschaft für Wolle und Stricken

Beim Stricken wird Wolle mit verschiedenen Techniken zu Maschen verarbeitet, die ganz unterschiedliche Endergebnisse zu Tage bringen können.
Iris-Maria Grunwald
Iris-Maria Grunwald teilt ihre Wohnung mit unfassbar viel WolleFoto: Jacqueline Geisel

Es ist eine alte Handarbeitstechnik, die wohl jeder noch kennt. Doch Stricken kann noch mehr: Eine schwedische Studie hat gezeigt, dass es helfen kann, zu entspannen, Struktur in den Alltag zu bringen und – beispielsweise über Strickzirkel – zu neuen Kontakten führen kann. Schon das Anfassen weicher Wolle wirkt auf unerwartete Art beruhigend, es gibt einem ein Gefühl von Geborgenheit. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist das Gefühl, das Werk der eigenen Hände Arbeit zu sehen oder sogar als Kleidungsstück zu tragen.

Für Iris-Maria Grunwald ist das Stricken schon vor Jahrzehnten zu einem liebgewonnenen Hobby geworden, das sich mittlerweile zu einem Beruf – und einer Berufung – entwickelt hat. Die 61-Jährige strickt nicht mehr nur für sich, sie möchte auch anderen das Stricken näher bringen und eine Gemeinschaft von „Stricklinchen“ erschaffen. Ein Event, das dazu sicher beitragen wird, ist das erste Open-Air-Strickkino in der Region. Am Freitag, 22. August, heißt es: „Wolle raus, Kino an!“ Zusammen mit dem Kulisse Kino Weil der Stadt lädt Gruni – Iris-Maria Grunwalds Spitzname in der Stricker-Szene – zur ersten Auflage dieses besonderen Konzepts im Garten des Kinos ein. Los geht es um 20 Uhr mit einem Workshop, bei dem der „Little Small Movie Star“ gestrickt wird, ein Schal, den Iris-Maria Grunwald extra für diesen Anlass entworfen hat. Währenddessen laufen Videos auf der Leinwand, die verschiedene Stricktechniken und Maschenarten zeigen. „So wird viel anschaulicher, wie diese Techniken gehen“, erklärt Iris-Maria Grunwald, die an diesem Abend auch aus ihrem Stricker-Leben erzählen wird. Ein bisschen nervös ist sie schon, auch wenn die geborene Frohnatur es mittlerweile gewohnt ist, vor Menschen zu sprechen und zu stricken. „Für mich ist das eine herausfordernde Geschichte, weil ich bei 100 oder mehr Teilnehmern einfach nicht so die Nähe zu den Gästen habe.“

Zum Strickkino gehören auch Knabbereien und Stände zum Wolle-Stöbern. Das Kino-Erlebnis folgt ab 21.30 Uhr. Dann beginnt der Film „Der Pinguin meines Lebens“ und es wird gemeinsam währenddessen gestrickt. Die Teilnehmer brauchen dafür nur ihre Stricksachen und gute Laune. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung in den Kinosaal der Kulisse verlegt. Wer mitmachen möchte, kann sich Tickets für 15 Euro unter www.grunisstrick.de sichern.

Wie kommt man auf so eine Idee?

Die Inspiration für das Strickkino hat Iris-Maria Grunwald aus dem Norden, insbesondere Finnland, wo derartige Events bereits etabliert seien. Auf dem Instagram-Profil einer Strick-Kollegin aus München hat sie davon gelesen – und sofort gefragt, ob sie das Konzept in ihre Heimatregion holen darf. Gesagt, getan: Im März fand das erste Strickkino in Weil der Stadt statt. Bei vollem Haus. Kurzerhand mietete sich Gruni daraufhin einen Kinosaal in Stuttgart, wo sie ebenfalls zahlreiche Menschen für die Idee begeistern konnte. An diesen Erfolg will sie nun unter freiem Himmel anknüpfen.

Ursprünglich stammt Iris-Maria Grunwald aus der Stuttgarter Region. Als Tochter einer Metzgerfamilie machte sie die entsprechende Ausbildung und arbeitete als Fleischereifachverkäuferin. Viele Jahre war sie für verschiedene Supermärkte tätig, im Außendienst und an der Theke. Aus gesundheitlichen Gründen ist das allerdings nicht mehr möglich. Zum Glück fand sie in ihren Hobbys ein neues Standbein. Schon im Kindesalter häkelte sie gerne, im Handarbeitsunterricht in der Schule lernte sie das Stricken. Im Lauf ihres Lebens hat sie immer wieder die Stricknadeln in die Hand genommen, hatte aber nie genug Zeit für große Projekte. Einzige Ausnahme: Als Teenager strickte sich Iris-Maria Grunwald einen bunten Oversize-Pullover mit großem Rollkragen und Color-Work mit Bauernhof mit Getier. Diesen Lieblingspulli trug sie ständig – bis er ihrer Mutter beim Waschen kaputt ging. Heute kann sie darüber lachen, doch damals war das junge Mädchen bitter enttäuscht.

Andere Hobbys waren zunächst wichtiger, vor allem die Schwerathletik, dann nahm die Ausbildung Iris-Maria Grunwald stark in Anspruch. Erst während ihrer ersten Schwangerschaft im Jahr 1989 fing sie wieder richtig an zu stricken, erstmal für ihren Sohn. Seither blieb das Stricken ein Teil ihres Lebens und zahlreiche Arbeiten entstanden.

Wie aus einem Hobby ein Gewerbe wird

Eine „Zutat“ für die Selbstständigkeit in Sachen fehlte aber noch: 2015 verschlug die Liebe Iris-Maria Grunwald nach Warmbronn bei Leonberg, wo sie sich bis heute zuhause fühlt – und sich ihr „Wolle-Imperium“ aufbaut. Denn wer gerne strickt, befasst sich zwangsläufig auch mit Wolle. „Ich bin richtig wollsüchtig geworden“, sagt sie lachend. Ihre Leidenschaft gilt hochwertiger Wolle, individuell, nachhaltig und regional. Es dürfen gerne auch „Nischenprodukte“ sein. Mittlerweile ist ihre gesamte Wohnung bis in den letzten Winkel damit „vollgestopft“ – wenn auch ordentlich sortiert. Das muss die Wolle auch sein, denn mittlerweile hat Iris-Maria Grunwald genug Erfahrung gesammelt und so viele passende Hersteller und Manufakturen gefunden, dass sie einen eigenen Wollevertrieb eröffnet hat. Daher auch ihr Motto: „My home is my castle! My home is my Atelier!“

Ausschlaggebend dafür war ein Besuch bei einer Manufaktur in Wien, wo Iris-Maria Grunwald die Feinheiten des Wollefärbens lernte. Eigentlich hatte sich Gruni immer gesagt, das überlasse sie den Profis. Viel zu aufwändig kam ihr das Färben vor. Die Wolle muss zuerst in Säure eingelegt werden, damit sich die Fasern öffnen. Danach gibt es zwei Möglichkeiten zum Färben, wie die Fachfrau erklärt: Entweder wird die Wolle in Färbewasser gelegt und erhitzt, oder der Wollstrang wird ausgebreitet, Farbe darauf verteilt, alles eingepackt und im Dampfgarer erhitzt, um die Farbe zu fixieren. In beiden Fällen lassen sich faszinierende Ergebnisse erzielen und beispielsweise auch Farbverläufe erzeugen. Schließlich war die Faszination aber doch so groß, dass Iris-Maria Grunwald bei einer Freundin den ersten Färbeversuch unternahm. Ab da gab es kein Halten mehr. Wie es ihre Eigenart ist, übte sich Iris-Maria Grunwald selbstständig in dieser Kunst und brachte sich alles Nötige bei – was schließlich zu der „Bildungsreise“ nach Wien führte.

Diese Erfahrung war so eindrücklich, dass sie schon auf der Heimfahrt entschied, sich selbstständig zu machen und ihren eigenen Wolle-Vertrieb mitsamt Strick-Events zu gründen. Kaum daheim angekommen, meldete sie auf dem Rathaus ein Gewerbe an. Ihre erste Amtshandlung: die Gründung der Strickzeiten. Bis zu zehn „Stricklinchens“ kommen seit September 2022 regelmäßig in ihre Wohnung, um gemeinsam zu stricken. Nach und nach baute sie ihr Wollelager auf und ab nächstem Jahr wird auch ihre eigens gefärbte Wolle zum Sortiment gehören. Bereits im Oktober wird sie einen ersten Workshop zum Färben von Wolle im evangelischen Gemeindehaus in Warmbronn anbieten. Interessierte können sich für den 11. Oktober, 10 bis 16 Uhr, anmelden. Die Kosten liegen bei 69 Euro plus Material.

Faszination Wolle

Wolle ist übrigens nicht gleich Wolle, wie Iris-Maria Grunwald erklärt. Schafswolle, Yack, Lama, Alpaka, Mohair-Ziege – die Auswahl ist groß und jede Art bietet ihre Vor- und Nachteile. Sogar Wolle aus Hundehaar ist mittlerweile keine Seltenheit mehr. Besonders edel ist natürlich Kaschmir von der gleichnamigen Ziegenrasse. Auch Synthetik kommt zum Einsatz, beispielsweise für Socken. Für vegane Kunden interessant ist Acryl-Wolle. Da es sich dabei jedoch im Plastik handelt, verwendet Iris-Maria Grunwald diese Wolle nur, wenn die Standhaftigkeit benötigt wird. Die pflanzliche Alternative sind Baumwolle und Leinen, eine Naturfaser, die aus der Flachspflanze gewonnen wird. Bei so viel Auswahl ist es kein Wunder, dass Iris-Maria Grunwald beinahe in Wolle baden könnte – wie übrigens auch einige ihrer treuen Kunden.

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM
02.08.2025
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