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Eintauchen in das Leben des historischen Wäschenbeurens

Peter Schührer erfreut die Gemeinde schon seit Jahren mit seinen ortsgeschichtlichen Spaziergängen. Nach Auflösung der örtlichen Geschäftsstelle der...
Peter Schührer und die Gruppe stehen vor der Kirche.
Peter Schührer erläutert historische EreignisseFoto: Behrendt

Peter Schührer erfreut die Gemeinde schon seit Jahren mit seinen ortsgeschichtlichen Spaziergängen. Nach Auflösung der örtlichen Geschäftsstelle der VHS hatte sich Peter Schührer bereit erklärt, die Tradition unter der Schirmherrschaft des Schwäbischen Albvereins fortzuführen. Selbstverständlich richtete sich die Einladung an alle Interessierten, und so folgten am Samstag, dem 27.09.25, zahlreiche Wäschenbeurener und 'Reigschmeckte' den Ausführungen von Peter Schührer auf dem Weg vom Marktplatz über die Maiergasse zur alten Schule. Für eine Albvereinsveranstaltung waren die 280 m zu bewältigende Strecke sehr kurz. Aber die 1,5 Stunden waren gefüllt mit kurzweiligen Geschichten aus der Vergangenheit Wäschenbeurens. Peter Schührer erzählte die Anekdoten so frisch und lebendig, dass man sich unweigerlich in die Vergangenheit zurückversetzt fühlte, als würde man die Begebenheiten selbst miterleben.

Am Marktplatz bewunderten wir das 1588 erbaute Amtshaus, das älteste Gebäude Wäschenbeurens, in dem bis vor kurzem noch die Kreissparkasse untergebracht war. Wäschenbeuren gehörte damals zu Vorderösterreich. Die Ortsherren von Wäschenbeuren, die Herren von Rechberg zu Staufeneck, bestellten damals einen Vogt zur Verwaltung von Wäschenbeuren. Das Amtshaus diente u.a. als Gericht, Wäschenbeuren war die Blutsgerichtsbarkeit zugesprochen worden. Der Vogt zusammen mit 12 Schöffen aus der Wäschenbeurener Bürgerschaft fällte bis zur Auflösung der Blutsgerichtsbarkeit in Wäschenbeuren allein im 18. Jahrhundert 7 Todesurteile. Die Vollstreckung der Todesstrafe erfolgte auf dem Galgenberg. Sie wurde aber einem Scharfrichter aus Schwäbisch Gmünd anvertraut, begleitet durch Kapuzinermönche, ebenfalls aus Schwäbisch Gmünd.

Ende 1805 wurde Wäschenbeuren württembergisch. Fortan wurde das Amtshaus von Förstern und Landjägern (Polizei) genutzt. Daher wird das Amtshaus in Wäschenbeuren auch heute noch als Forsthaus bezeichnet.

Immer wieder ging Peter Schührer auf den 19. April 1945 ein, an dem Wäschenbeuren von den amerikanischen Streitkräften mit Napalm-Bomben größtenteils zerstört wurde. Am Marktplatz überstanden nur das Amtshaus und das Gasthaus Germania den Angriff. Das Rathaus der Gemeinde war ebenfalls dem Brand zum Opfer gefallen. Das Amtshaus fungierte daher nach dem 2. Weltkrieg bis zum Bau des aktuellen Rathauses, 1952, als Rathaus.

Nächste Station des Ortsspaziergangs war die katholische Kirche. Es ging die Treppen hinauf zur Kirche. Hier stand das frühere Pfarr- bzw. Schwesternhaus, das den Bombenangriff überstand. Der Kirchturm wurde bei dem Angriff vom 19. April 1945 zerstört.

An der Kirchenwand findet sich ein Grabstein mit eindrucksvollem Liebesgedicht, dessen volle Abschrift Peter Schührer rezitierte. Die Lebensverhältnisse damals waren herb, die Kindersterblichkeit hoch, und viele Frauen starben am Kindbettfieber bei der Geburt eines Kindes. Der Grabstein-Verfasser, Vogt Plicksburg, verlor 2 Ehefrauen und 18 Kinder, bevor er selbst zu Grabe getragen wurde. Nur vier Kinder erreichten das Erwachsenenalter.

Der Spaziergang führte nun zum aktuellen Rathaus. Bei seiner Einweihung im Jahre 1952 hatte Wäschenbeuren keinen hauptamtlichen Bürgermeister. Die Geschicke des Ortes wurden vom stellvertretenden Bürgermeister, Gemeinderat Deibele, geleitet. Während der Einweihungsfeier, zu welcher der Landrat gekommen war, hämmerten Handwerker lautstark am Kirchturm. Die Handwerker wurden gebeten, die Arbeiten ruhen zu lassen und an der Feier teilzunehmen. Doch die Handwerker hämmerten lautstark weiter. Ein angeblicher Konflikt zwischen Kirche und Gemeinde wurde heiß diskutiert. In Wahrheit hatten die Arbeiter am Kirchturm die einladenden Worte gar nicht gehört.

Wäschenbeuren erfreute sich früher zahlreicher Gasthäuser. Das Rössle gegenüber dem Rathaus war für seine erstklassigen Tellersülzen bekannt. Peter Schührer erzählte von einer Anekdote, als die örtlichen Feuerwehrkameraden ein 'links um' des Kommandanten in ein 'rechts um' wandelten und damit den Weg ins Rössle einschlugen.

Es ging weiter zum Anwesen Wahl, mit Hausnamen Saikarle. Sai steht für See, der sich früher auf der Hinterseite des Bauernhofs befand. Auch dieser Bauernhof brannte am Schicksalstag Wäschenbeurens ab. In letzter Minute wurde der drei Wochen alte Karl Wahl, später Pfarrer und heute wieder in Wäschenbeuren lebend, aus dem Zimmer im oberen Stock gerettet.

Die Feuerwehr, unser nächstes Ziel, zeigt wie die Kirche während des großen Brandes von der Feuerwehr gelöscht wurde. Das Gemälde stellt die Kirche mit Nebengebäuden aus der Zeit vor der Vergrößerung, 1936, 1937, dar.

Im ehemaligen katholischen Kindergarten neben dem ehemaligen Schwesternhaus Sankt Elisabeth wurden alle Wäschenbeurener Kinder in einem Raum von einer Schwester und einer Hilfskraft betreut. Das waren einmal 135 Kinder. Was für Zeiten!

Letzte Station waren die nicht mehr existierende alte Schule (heute Parkplatz der Stauferschule) sowie die aktuelle alte Schule. Nach dem großen Brand diente die ehemals alte Schule vielen Wäschenbeurenern als Zufluchtsstätte. Haus und Hof vieler Wäschenbeurener war dem Brand zum Opfer gefallen, Unterbringung bei Verwandten und Freunden war begrenzt. Der Unterricht wurde daher in dieser Zeit auf die heutige alte Schule konzentriert.

Auch wenn diese Zusammenfassung sehr ausführlich ausgefallen ist, umfasst sie nur einen kleinen Auszug. Dieser Bericht spiegelt nicht annähernd die Leidenschaft und die lebendigen Schilderungen von Peter Schührer wider. Ein herzliches Dankeschön an Peter Schührer für diese tolle Führung sowie die damit verbundenen langjährigen Recherchearbeiten. Eine spannende Aufarbeitung der Wäschenbeurener Geschichte!

Peter Schührer hat insgesamt 5 verschiedene historische Touren durch Wäschenbeuren in petto. Wir dürfen uns schon auf eine Wiederauflage im nächsten Jahr freuen :-)

Heike Behrendt

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Wäschenbeuren
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Ausgabe 41/2025
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