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Erinnerungen

Am 2. November 2021 schickte meine Mutter Erika Albert geb. Essig eine E-Mail an ihre Enkelin Hannah Albert. Darin schrieb sie ihr unter anderem: ...
Rindenschälen um 1900
Rindenschälen um 1900Foto: AKH

Am 2. November 2021 schickte meine Mutter Erika Albert geb. Essig eine E-Mail an ihre Enkelin Hannah Albert. Darin schrieb sie ihr unter anderem:

„Ich finde es schön, dass dir häusliche Arbeiten, wie Einmachen, Kochen und Backen, Freude machen – von beiden Seiten stehen Generationen schwäbischer Hausfrauen hinter dir, die ihre Hauswesen perfekt besorgt haben. Ich bekomme immer mehr Achtung vor ihrer Arbeit, seitdem ich mich intensiv damit beschäftige, wie man früher gelebt und gearbeitet hat, und was gerade Frauen alles wissen mussten und wie schwer sie gearbeitet haben. Mich mit der Museumsarbeit (für das Heimatmuseum Appeleshof) zu beschäftigen, ist nach wie vor eine bevorzugte Freizeitgestaltung für mich.“

In dem Abschnitt über Frauen auf der Webseite „Gechinger Chronik“ des Schwarzwaldvereins beschrieb sie dies so: „Die Gechinger Frauen waren keine Heldinnen oder Stars. Sie tauchen aus dem Schatten der Vergangenheit nur deshalb auf, weil andere über sie geschrieben haben, oder sie griffen selbst zum Stift. So werden keine Heldentaten geschildert, sondern der Alltag mit seinen Sorgen und Plagen.

Auf dem Land waren Frauen mehr eingeengt als in der Stadt; ein Abweichen vom vorgeschriebenen Werdegang war nicht möglich. Das Leben war hart und mühsam, von Kind an mussten Mädchen sich an schwere Arbeit gewöhnen. Das war bei den Männern zwar nicht anders, den Mädchen blieb jedoch fast ausnahmslos jede Chance zu Bildung und Ausbildung über den Beruf der Bäuerin hinaus verschlossen.

Die Frauen hatten ihren eigenen Bereich. Die Arbeitsteilung war sinnvoll – einfach durch biologische Tatsachen vorgegeben. Die Frauen, vor allem Mütter, die kleine Kinder zu versorgen hatten, versahen Haus, Garten und das Kleinvieh; die Männer übernahmen die Schwerarbeit auf dem Acker. Im Allgemeinen wurde die Arbeit der Frau in ihrer traditionellen Rolle auf dem Land aber geschätzt und anerkannt. Von der guten Haushaltsführung der Frau hing das Geschick der Familie nicht weniger ab als von der Arbeit des Mannes – und das war allen bewusst.

Das Aufgabenfeld der Hausfrau war breit gefächert, außer den üblichen Verrichtungen gehörten auch Vorratshaltung dazu, und die Beschaffung und Pflege von Textilien. Je nach Geschick und Neigung kam oft noch ein Nebenverdienst dazu, durch stundenweise Lohnarbeit etwa oder durch Stricken, Sticken oder Weißnähen. Es hat viele Frauen auf dem Land gegeben, die in keiner Weise aus dem Rahmen fielen, aber ein reiches und erfülltes Leben hatten.“

Einzelheiten über die Arbeit der Gechinger Bäuerinnen sind in dem Buch „Gechinger Chronik“ zu finden (S. 74–76).

Die E-Mail endet mit: „Ich freu mich so darüber, dass ich noch erlebe, wie meine Enkel nun erwachsen werden und jedes von ihnen sich seine Welt erobert. Gute Ratschläge spare ich mir; ich bin wahrhaftig kein Vorbild und war jahrelang tief unglücklich – ich bin froh, wenn ihr meine Erfahrungen niemals machen müsst. Harmonische Beziehungen – das wünsche ich euch vor allem! Am Ende sind es doch die, die glücklich machen!“

Ulrike Emigh geb. Albert

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Gechingen
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Ausgabe 51/2024
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