Gab es noch vor wenigen Jahrzehnten eine Zeit, in der man den meisten Kinos kaum Überlebenschancen einräumte, so verzeichnen heute die Kinos wieder einen richtigen Aufschwung.
Aber wie war das eigentlich früher nach dem Krieg, als die Menschen sich wieder ein kleines Vergnügen mit einem Kinobesuch gönnen konnten? Nahezu jeder Ort verfügte über ein Kino, die Stadt Schwetzingen sogar über deren vier! Oft war es so, dass Filme in Schwetzingen ein paar Wochen früher liefen als in den umliegenden Ortschaften, was sicher den Verleihgebühren geschuldet war. Also besuchte man als Bewohner der Nachbargemeinden am Wochenende ein Kino in Schwetzingen. Immerhin gab es das „Capitol“ in der Herzogstraße, das „Rex“ im alten Saalbau des Hotels Falken an der Ecke Marstall-/Clementine-Bassermann-Straße, das „NT“ in der Friedrichstraße und das einzige heute noch bestehende „Luxor“ in der Marstallstraße.
Und in Plankstadt? Heute erinnert nichts mehr an das alte Kino am Bruchhäuserweg! Längst wurde anstelle des alten Rosengarten-Saalbaus, in dem das Kino war, ein Wohnhaus mit mehreren Wohnungen errichtet.
Viele ältere Plänkschter werden aber vielleicht mit etwas Wehmut an die alten Zeiten zurückdenken, als das Kino noch eine feste Größe unter den Plankstädter Vergnügungsstätten war. Zunächst war es nur durch die Hofeinfahrt über den Hof zu erreichen (der Umbau mit dem Kassen- und Foyerbereich erfolgte 1955), direkt neben der Staffel war hinter einem kleinen Fenster der Kassenraum untergebracht. Aber gerade diese Zeit in den 50er-Jahren gehörte zu den wichtigsten Kino-Zeiten für angehende „Plänkschter Helden“!
Die Nachmittagsvorstellung an Sonntagen für Kinder und Jugendliche begann um 14.30 Uhr – für manche nach der Pflicht-Nachmittagsandacht in der Kirche gerade noch rechtzeitig erreichbar. Auf dem Bruchhäuserweg vor dem großen Hoftor wartete die Plänkschter Jugend auf das Signal. Manchmal war die Straße richtig schwarz vor Menschen – je nachdem, was für ein Film lief. Zumeist liefen in diesen Nachmittagsvorstellungen Wild-West-Filme wie „Zorro, der Mann mit der Peitsche“, „Lassie la Rock, der Rächer der Enterbten“ oder einer der beliebten „Fuzzy-St. Jones-Filme“, aber auch „Tarzan“ oder Monumentalfilme wie „Herkules“ erfreuten sich großen Zuspruchs der Jugend.
Kurz vor halb drei öffnete sich das große Hoftor einen Spaltbreit und ließ einen ersten „Schwung“ jugendlicher Zuschauer ein. War das Kontingent, das die Kassenbesatzung gerade schaffen konnte, erreicht, ließ der junge kräftige Mann am Tor den Arm herab und versperrte weiterem Andrang den Zugang, um erst nach Abfertigung der ersten die nächste Gruppe zur Kasse zu lassen. Endlich waren alle drin und hatten ihre Plätze eingenommen. Zumeist war der Kinosaal bis auf den letzten Platz besetzt, auch die „Rasiersitze“ ganz vorne, so benannt, weil man zum Schauen den Kopf wie zum Rasieren ganz nach hinten legen musste.
Ohrenbetäubendes freudiges Gejohle setzte ein, wenn sich dann endlich die Lampen verdunkelten, der Gong ertönte, der Vorhang sich bewegte und die Leinwand freigab. Jedem Beobachter musste absolut klar sein: hier war was los, hier wurde was geboten, hier steppt der Bär! Nach dem meist lehrreichen, aber langweiligen Vorfilm und der Wochenschau, deren „Aktualitäten“ meist mehrere Wochen zurücklagen, etwas Werbung (mit Hilfe eingeblendeter Dias), dann noch schnell die Vorschau auf die kommenden Filme der nächsten Wochen und dann ging’s los. Wieder wurde der Beginn des Hauptfilms mit lautem Jubel und Beifall bedacht.
Dann hatte man sich zunächst mal auf die Handlung zu konzentrieren. Meist hatte man schnell herausgefunden, wer die Guten und wer die Schurken waren. Den guten Helden, meist kurz „der Starke“ genannt (denn mit englischen Namen hatte man es noch nicht so sehr), hatte man schnell herausgefunden, denn er hatte sympathische Gesichtszüge, war adrett und sauber gekleidet und seine Auftritte waren von entsprechend „positiver“ Musik untermalt. Der oder die Schurken, meist finstere Gesellen im Schmuddellook und von dramatischer, schicksalsschwangerer Musik begleitet, hatten einen schweren Stand im Kino! Saßen sie irgendwo hinter einem Felsen im Hinterhalt und „der Starke“ kam ahnungslos angeritten, wurde er vom ganzen Kinosaal lautstark mit „Achtung“ – „Vorsicht“ – und „Do hinne hockt‘er“-Rufen gewarnt. Alle fieberten enthusiastisch mit, bis am Ende das Böse besiegt war und die Guten einem Happy End entgegenritten.
Nachdem dann das Licht wieder an war, strömten alle noch ganz von der Filmhandlung gefangen ins Freie. Die Handlung wurde noch einmal durchdiskutiert und längst war das Abenteuer noch nicht beendet, denn meist beließ man es nicht beim Anschauen der Filme. Auf den Abenteuerspielplätzen Plankstadts, also in der Gänsweid, den Bellen, dem Dolleloch oder in den Hecken an der Bahn wurde nun und in den folgenden Tagen die Handlung nachgespielt, dazu bedurfte es manchmal auch selbst gefertigter Requisiten wie Holzgewehre oder Pfeil und Bogen; das Pferd musste man sich dazu denken, was aber kein Problem war. Die Kinder und Jugendlichen waren – anders als heute – voller Phantasie in ihrem Spiel und nur äußerst selten hörte man etwas von kleineren Kratzern oder gar Verletzungen bei diesen Spielen.
Natürlich wurde nicht nur für die Jugend und die Heranwachsenden etwas geboten; es kamen alle Altersklassen auf ihre Kosten und zu ihrem Vergnügen: Heimat- und Musikfilme, „modernere“ Musik mit Conny (Froboess) und Peter (Kraus) und Peter Alexander; allerhand Klamaukfilme (Kommödien), Filme mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle und historische Stoffe mit Hollywood-Zuschnitt wie beispielsweise „Die Brücke am Kwai“ oder „Die Kanonen von Navarone“ beherrschten die Leinwände.
Unvergessen das Ereignis, als 1959 der Monumentalfilm „Ben Hur“ in die Kinos kam. In Schwetzingen lief der Film im Rex-Kino, dem ehemaligen Falken-Saal an der Clementine-Bassermann-Straße. Da der Film drei Stunden dauerte, fürchteten die Betreiber wohl Schwächeanfälle bei den Zuschauern und boten in der Pause (schließlich mussten noch die Filmrollen gewechselt werden) heiße Würstchen mit Senf und einer Scheibe Brot im Foyer des Kinos an.
Der mit 11 Oscars ausgezeichnete Film ist in seiner Popularität bis heute unerreicht. – Das erotische Moment war in den meisten Filmen lediglich angedeutet, auch bei den gern gesehenen Filmen mit dem Sex-Idol der Nachkriegszeit, dem französischen Filmstar Brigitte Bardot. Allenfalls in den üblichen Spätvorstellungen der Kinos war etwas mehr Haut zu sehen, aber auch da hatte der Staat ein Auge darauf, dass sich alles im vorgeschriebenen Rahmen hielt.
Viele werden sich noch an den Skandal erinnern, den 1963 der vielfach preisgekrönte Film „Das Schweigen“ des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman auslöste. Erstmals war in einem Kinofilm im Halbdunkel Liebesszenen leicht verschwommen zu sehen. Seine erste Aufführung in Deutschland 1964 führte zu einem Sturm der Entrüstung und provozierte eine Welle von Diskussionen darüber, wie weit erotische Szenen in einem künstlerisch anspruchsvollen Film vertretbar seien. Heutige Generationen könnten angesichts der aktuellen Darstellungen in Film und Fernsehen zu jeder Tages- und Nachtzeit nur noch müde lächeln.
Doch zurück zum Plänkschter Kino: Natürlich hatte das Kino wie überall auch noch ganz andere Funktionen wichtiger Natur. Nach dem Umbau der Rosengarten-Lichtspiele hatte man ein Kino ähnlich den Großstadtkinos, mit Parkett, Sperrsitz und Logen. Besonders die Logen hatten es der jüngeren Generation angetan, denn dort im Dunkeln fanden häufig erste mehr oder weniger erfolgreiche Annäherungsversuche zwischen den Geschlechtern statt. Da gab es unter den „Halbstarken“ richtige „Könige der Loge“, gern gesehene junge Männer, die bei den ebenso gern gesehenen jungen Damen einen gewaltigen Stein im Brett hatten. Doch war auch hier Vorsicht geboten, denn erwischen lassen durfte man sich vom wachsamen Kinopersonal in Gestalt der Familie Böhm nicht! Dann konnte es nämlich passieren, dass man des Kinos verwiesen wurde.
Natürlich muss man berücksichtigen, dass die Kino-Loge bei den meisten auch die einzige Möglichkeit war, erste Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu sammeln.
In Zeiten, in denen das häusliche Fernsehen noch nicht selbstverständlich war – oft gingen Familien noch zum samstäglichen Abendprogramm ins Café Kiefer oder ins Rathaus-Café, um sich an Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff und ihren Quiz-Shows zu erfreuen – hatte natürlich auch der Kinobesuch eine ganz andere Bedeutung. Nach den überstandenen Schrecken der Kriegszeit kamen die Heile-Welt-Filme wie „An der schönen blauen Donau“, „Die Trapp-Familie“ oder „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ gerade recht und ein überhebliches Lächeln darüber ist heute nicht angebracht. Die gelegentlichen Kinobesuche waren für viele die einzige Abwechslung im arbeitsreichen Nachkriegsalltag der frühen 50er-Jahre.
Und noch etwas war für die Plänkschder nicht ganz unwichtig, wenn man ein Kino im benachbarten Schwetzingen besuchte: Es gab ja auch noch den Nachhauseweg, der natürlich meist zu Fuß gemacht wurde. Wie romantisch konnte dieser sein, nachdem man mit seiner Angebeteten einen romantischen Film angeschaut hatte – so im Dunkeln über das Früßmeßpädl – von manchen auch „Krummes Wegl“ genannt – durch die Felder, mit einem Umweg über das Dolleloch die Heimat anzusteuern! Als Älterer würde man wohl sagen, da fehlt der heutigen Generation so richtig etwas.
Ulrich Kobelke, Gemeindearchivar