Aus den Rathäusern

Erinnerungen an die früheren Heuernten

Jede Gabel Heu, die im Winter dem Vieh im Stall verfüttert wurde, kostete im Sommer, an den heißesten Tagen des Jahres, viel Arbeit und Schweiß....
Foto: Edmund Schmitt

Jede Gabel Heu, die im Winter dem Vieh im Stall verfüttert wurde, kostete im Sommer, an den heißesten Tagen des Jahres, viel Arbeit und Schweiß. Jeder Arbeitsgang bestand aus schwerer und anstrengender Handarbeit. Zunächst musste die Sense zum Mähen des Grases gedengelt werden. Unter „dengeln“ verstand man das Schärfen der Sensenscheiden. Das Schärfen wurde durch das Hämmern auf dem Sensenblatt vorgenommen. Jede Scharte, verursacht durch einen harten Gegenstand auf den Wiesen und Kleeäckern, wurde fein säuberlich wieder platt geklopft. Schon alleine das Dengeln der Sense war ein mühseliger Arbeitsvorgang. Am nächsten Morgen ging es dann schon in aller Herrgottsfrühe zum Mähen auf die Wiesen. Immer wieder musste die Sense gewetzt werden. Die aufgehende Sonne ließ den Tau auf den Wiesen verdunsten. So gegen zehn Uhr stellte mein Vater Erwin das Mähen ein. Die Landwirtschaft betrieb er nur neben her, denn in seinem Hauptberuf arbeitete er bei der Deutschen Bundesbahn als Be- und Entlader von Gepäckstücken und Industriewaren. Von Sonnenaufgang bis zehn Uhr morgens hatte er per Hand ein Wiesengrundstück von rund 500 Quadratmetern gemäht. Mittlerweile nahm sich die Sonne des gemähten Grases an und trocknete es. Das halb getrocknete Heu vom Vortag, das wegen des Nachttaus gehäufelt wurde, breitete man – natürlich per Hand und mit einer Gabel – wieder auf. Diese Arbeit verrichteten meistens wir Kinder, welche das ausgebreitete und einseitig sonnenbestrahlte Heu abermals wendeten. Nun wurde das beidseitig getrocknete Heu auf einen Haufen zusammengeschoben. Mein Vater kam dann mit seinem Kuhfuhrwerk, um das Heu aufzuladen. Bei diesem Arbeitsgang waren dann immer mein Onkel Schorsch und meine Mutter Alma dabei, denn ein Knecht konnten sich nur wohlhabende Bauern leisten. Wir größere Buben standen auf den Wagen, um die gefüllten Heugabeln abzunehmen und das Fuder (getrocknetes Heu) fachgerecht zu laden. So wuchs die Heuladung langsam in die Höhe. Dann schnürte man die Fuhre mit dem Heuseil, das den Wiesbaum umschlang, zusammen. Zuvor wurde die Fuhre an allen Seiten abgerechelt, damit unterwegs ja nichts von dem kostbaren Fuder verloren ging. Zuhause angelangt, wurden unsere beiden Kühe von dem Heuwagen abgespannt. Per Muskelkraft schob man diesen dann in die Scheune, wo ein weiterer Arbeitsgang, an den sich der Verfasser dieser Zeilen heute noch mit Schaudern an schlaflosen Nächten erinnert, seinen Lauf nahm: Mühselig wurde das Heu nun auf den Heuboden gegabelt. In den Sommern war es in den Scheunen oftmals brütend heiß, ja, fast so heiß wie in einem Backofen. Der Schweiß lief ununterbrochen den ganzen Körper hinab. Mit jeder Gabel Heu rieselte es Staub, Schmutz, Wiesensamen, Grashalme – und alles trug zu einem unerträglichen Jucken bei. Meistens waren es wir Kinder, welche das Heu abnahmen, lagerten und mit den Füßen festtraten. Unter den heißen Dachziegeln ging es uns keinen Deut besser als unseren Vätern und Müttern! Wenn dann der Heuwagen abgeladen war, ging so manches Stoßgebet zum lieben Gott im Himmel. Nach dieser harten Knochenarbeit und Schinderei war dann jeder geschafft. Nur wenige Bauern im Ort hatten eine Wasserpumpe auf dem Hof und konnten sich den Schmutz abwaschen – ganz zu schweigen von einer Dusche. Geschafft war auch das arme Vieh, welches nicht nur die schweren Heuwagen nach Hause ziehen mussten, sondern beim Aufladen des Heus auf dem Feld von den aufdringlichen Bremsen (stechendes Fliegen) schier gefressen wurden.

Wer diesen Bericht aufmerksam gelesen hat, der möge die vielen Arbeitsgänge zählen, bis endlich das Heu in den vielen Malscher Scheunen lagerte. Welch ein Segen, als vor knapp 80 Jahren dann die Traktoren und automatischen Heuwender in Malsch Einzug hielten …

Text: Reinhold Stegmeier

Anhang
Dokument
Erscheinung
Malscher Gemeinde Rundschau
NUSSBAUM+
Ausgabe 35/2024
von Gemeinde Malsch bei Heidelberg
28.08.2024
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