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Erinnerungen an: Herbert Schustek

Erinnerungen an den Heimatvertriebenen Herbert Schustek Für die nach 1980 in unserer Heimatgemeinde geborenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern dürfte...
V.l.n.r.: Bgm. Werner Knopf, Herbert Schusteks Gattin Rosl sowie den Geehrten selbst
V.l.n.r.: Bgm. Werner Knopf, Herbert Schusteks Gattin Rosl sowie den Geehrten selbstFoto: Helmut Pfeifer

Erinnerungen an den Heimatvertriebenen Herbert Schustek

Für die nach 1980 in unserer Heimatgemeinde geborenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern dürfte sein Name kein Begriff mehr sein. Ganz anders aber bei den älteren Malschern, die ihn ein großes Stück seines Lebensweges begleiten durften. Die Rede ist von Herbert Schustek, dem einstigen Wegbereiter der Patenschaft zwischen Söhle und Malsch. Darüber war dieser verdiente Zeitgenosse für die Jugend in vielen örtlichen Vereinen und Ehrenämtern ein leuchtendes Vorbild. Geboren wurde Herbert Schustek am 8. März 1928 in Söhle, einer kleinen, malerischen Ortschaft im einstigen mährisch-schlesischen Sudetenland. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wurden die Sudetendeutschen von den Tschechen und der Roten Armee aus ihrer Heimat vertrieben. So auch die Familie Schustek, deren Flucht in Malsch ein glückliches Ende fand. Die rund 400 Heimatvertriebenen, welche nach dem Kriegsende in das knapp 1600 Einwohner zählende Malsch kamen, erlebten alles andere als die „Willkommenskultur“, welche im Sommer 2015 den Flüchtlingen aus den arabischen Ländern zuteilwurde.

Der damalige Bürgermeister Josef Bös und sein Gemeinderat hatten es bei der Unterbringung dieser relativ hohen Zahl an Heimatvertriebenen alles andere als einfach. Doch Ende gut, alles gut. Als Herbert Schustek nach Malsch kam, war er gerade mal 18 Jahre alt. Seine Hilfsbereitschaft, freundliche Art und sein offenes Wesen öffneten ihm überall in Malsch Tür und Tor. In der Zeit von 1952 bis 1958 hatte er beim TSV Malsch das Amt eines Schatzmeisters inne. Seine Tätigkeit als Kassierers auf dem Sportplatz, Halle und bei sämtlichen Festlichkeiten des TSV übte er ununterbrochen bis zum Jahre 1988 aus. Der Umgang mit Geld war Herbert Schusteks Metier und Leidenschaft zugleich. Längst schon war er Handelsvertreter in der Lederbranche geworden. Sehr engagierte er sich auch beim Heimat- und Verkehrsverein, dessen Kassenleiter er von 1966 bis 1991 war. Aber auch der Gesang- und Musikverein sowie die KaGe Blau-Rot hatten ihm sehr viel zu verdanken. Bei sämtlichen Festlichkeiten und Jubiläen saß er stets an der Kasse. Auch auf politischem Sektor machte sich Herbert Schustek überaus verdient.

So war er über Jahrzehnte hinweg aktives Mitglied beim CDU-Ortsverband Malsch. Nicht zu vergessen auch seine elfjährige Zeit als Gemeinderat. Als praktizierender Christ war es für Herbert Schustek eine Selbstverständlichkeit, auch das Amt eines Pfarrgemeinderates zu übernehmen. Seinen Heimat- und Geburtsort Söhle in dem romantischen Kuhländchen trug Herbert zeitlebens tief in seinem Herzen. So war es kein Wunder, dass er 1963 Ortsbetreuer von Söhle (heute: Neutitschein/Tschechien) wurde. Nach der Vertreibung aus dem Sudetenland waren die ehemaligen Söhlener in alle Himmelsrichtungen verstreut worden.

Ab den 1960er Jahren machte sich Herbert Schustek daran, alle Adressen seiner Landsleute aus dem Kuhländchen ausfindig zu machen. 1966 war es dann so weit: Im Saal des Gasthauses „Zur Rose“ kam es zu einer ersten Wiedersehensfeier! Unter Mitwirkung des längst verstorbenen Pfarrers Fridolin Bigott zelebrierte Söhles einstiger Katechet (Kaplan) Franz Hübel einen denkwürdigen heimatlichen Gottesdienst in der Malscher Pfarrkirche St. Juliana. Eine besondere Augenweide waren damals die Fahnen und Trachten der ehemaligen Kuhländler. Dieses Treffen im Jahre 1966 war dann der Auftakt für künftige Heimattreffen der Söhlener in dem Wein- und Wallfahrtsort Malsch. Waren es bei dem ersten Treffen im Jahre 1966 etwa 50 „Ehemalige“, steigerte sich diese Zahl in den Folgejahren bis auf knapp 300 Söhlener. Nur Eingeweihte können sich vorstellen, welch gewaltige Organisations- und Vorarbeiten Ortsbetreuer Herbert Schustek im Vorfeld dieser Treffen jedes Mal zu stemmen hatte. 1978 war es dann, als Herbert Schustek einen Antrag an den Gemeinderat stellte, mit der ehemaligen Gemeinde Söhle eine Patenschaft einzugehen. Der damalige Bürgermeister Dionys Wipfler und seine Räte begrüßten dieses Vorhaben und erteilten vonseiten der Gemeinde Malsch hierzu „grünes Licht.“ 1998 feierte man dann in einem ganz großen Rahmen die „20-jährige Patenschaft zwischen zwischen Malsch und Söhle“. Die Ausrichtung dieses „20. Heimattreffens“ der ehemaligen Söhlener an zwei Festtagen in der Letzenberghalle lag in den Händen von Bürgermeister Werner Knopf und seinem Gemeinderat.

War vorhin die Rede von einem denkwürdigen Gottesdienst im Jahre 1966, übertraf der Hauptgottesdienst am zweiten Festtag des „20. Heimattreffens“, zelebriert von den beiden Geistlichen Räten Erich Egner-Walter und Franz Hübel, alle Erwartungen der Verantwortlichen! Beim feierlichen Einzug in die Kirche verzauberten die wunderschönen Trachten aus dem ehemaligen Kuhländchen sämtliche Gottesdienstbesucher in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche. Tränen der Rührung flossen überall. Besonders, als die Söhlener ihren vorne am Altar stehenden ehemaligen Kaplan sahen, der damals kurz vor seinem 90. Geburtstag stand. Franz Hübel verbrachte seinen Lebensabend in einem Wiener Pfarrhaus. Immer am Ersten eines Monats klingelten Wiens Obdachlose an Franz Hübels Tür. Wussten sie doch, dass ihnen dieser selbstlose, hilfsbereite und herzensgute Söhlener seine gerade empfangene Pension verteilte. Wie mir Herbert erzählte, mussten die Nonnen im Pfarrhaus immer Obacht geben, dass Franz Hübel den Ärmsten von Wien nicht auch noch das sprichwörtliche „letzte Hemd“ schenkte …

Herbert Schustek schloss am 18. Juli 2006 im Alter von nur 78 Jahren für immer seine Augen. Mit seinem völlig unerwarteten Tod verlor der Wein- und Wallfahrtsort Malsch einen ganz ganz lieben Mensch und Zeitgenossen.

Das Foto von Helmut Pfeifer wurde beim Festakt „20 Jahre Patenschaft Malsch – Söhle“ aufgenommen und zeigt Herbert Schustek beim Empfang der silbernen Bürgermedaille durch Bürgermeister Werner Knopf.

Text: Reinhold Stegmeier

Anhang
Dokument
Erscheinung
Malscher Gemeinde Rundschau
NUSSBAUM+
Ausgabe 42/2024
von Gemeinde Malsch bei Heidelberg
16.10.2024
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