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Ernst Zacharias, zum 100. Geburtstag – Aktionstag „Musikelektronik“ am Sonntag, 7. Juli im Harmonikamuseum

Der Ingenieur und Entwickler Ernst Zacharias wäre am 21. Juni 100 Jahre alt geworden. Er war Jahrzehnte lang für die Firma Hohner tätig und weit über...

Der Ingenieur und Entwickler Ernst Zacharias wäre am 21. Juni 100 Jahre alt geworden. Er war Jahrzehnte lang für die Firma Hohner tätig und weit über die Grenzen Trossingens hinaus bekannt.In der Entwicklung von elektronischen und elektromechanischen Musikinstrumenten – einst eine Stärke der Hohner AG – spielte Zacharias eine herausragende Rolle. Seine wichtigste und kommerziell erfolgreichste Erfindung war in den 1960er-Jahren das Clavinet D 6, mit seinem unverwechselbaren Sound von vielen Weltstars gespielt; heute noch zum Beispiel von Stevie Wonder!

Der von Technik und Musik begeisterte Zacharias wurde von manchen der „Daniel Düsentrieb“ der Firma Hohner genannt, was durchaus respektvoll gemeint war.

Die Arbeit hat mir große Freude bereitet

Im Trossinger Jahrbuch 2009 würdigte Journalist Alfred Thiele das Schaffen von Ernst Zacharias unter der Überschrift „Einer der kreativsten Köpfe bei Hohner“. Damals bekannte der 35 Jahre in der „Firma“ tätige Ingenieur: „Die Arbeit hat mich vollkommen erfüllt und hat mir große Freude bereitet. Schon am Sonntag habe ich mich darauf gefreut, am Montag wieder in die Fabrik zu gehen, um weiter forschen und tüfteln zu können.“

Eine vielseitige Begabung war ihm wohl in die Wiege gelegt: Vater Johannes Zacharias übte drei ganz verschiedene Berufe aus: als Buchhalter, dann als Stellmacher (Wagner), und zuletzt war er in der Schriftmission tätig. Mutter Martha pflegte, trotz der zu versorgenden Kinderschar (Ernst Zacharias hatte acht Geschwister!), ihr musisches Talent.

Der Weg zum genialen Erfinder war für Ernst Zacharias jedoch nicht einfach. Nach Volks- und Mittelschulzeit in seiner Heimat Neumünster (Schleswig-Holstein) wurde der junge Mann, geboren am 21. Juni 1924, noch zum Kriegsdienst einberufen. Diesen überstand er als Flak-Helfer bei der Luftwaffe unbeschadet.

Von 1947 bis 1951 konnte er seine Ausbildung zum Akustiker fortsetzen und besuchte die staatliche Ingenieurschule in Kiel. Bei der Deutschen Bundespost, wo er in den frühen 1950ern beschäftigt war, legte er die Technische Prüfung als Fernmelde-Ingenieur ab. Damals, 1953/54, gab es schon erste Kontakte mit und freies Mitarbeiten in der Matth. Hohner AG.

Mit 100 D-Mark geködert

Sein endgültiges Überwechseln nach Trossingen ist mit einer Anekdote verknüpft, wie sein Sohn Volker Zacharias erzählt: Nach einer Phase freier Mitarbeit bei Hohner habe sich der Vater beim damaligen Chefentwickler, Ingenieur Dr. Paul Dorner, verabschiedet. Er fahre jetzt zurück zu Frau und Kind nach Schleswig-Holstein. Um wiederzukommen, fehle ihm das Geld.

Darauf habe Dr. Dorner 100 D-Mark aus der Tasche gezogen und ihm mit den Worten gegeben: „Sie kommen aber auch wirklich wieder.“

So geschah es. Die junge Familie Zacharias zog ihm Herbst 1954 nach Trossingen. Ehefrau Ruth und Töchterchen Karen hatten den Wechsel vom hohen Norden auf die Baar zu vollziehen. Die weiteren Kinder Martina, Volker und Anja wurden dann in Trossingen geboren.

Beruflich erfolgreich und etabliert

Über die zum Teil bahnbrechenden Erfindungen und Weiterentwicklungen des Hohner-Ingenieurs – vom Pianet bis zur Claviola – könnte lang berichtet werde.

Den größten kommerziellen Erfolg, den modernen Sound im Bereich des Pop und Soul mitprägend, erzielte das Hohner Clavinet, ein Keyboard mit Saiten und elektroakustischer Tonerzeugung. Sein charakteristischer Klang ist beispielsweise in Stevie Wonders Welthit „Superstition“ gut herauszuhören. Selbstverständlich freute sich Zacharias über diesen Erfolg ungemein, auch wenn seine musikalischen Präferenzen eher bei Klassik und E-Musik lagen.

„Er war immer mit seinen Ideen beschäftigt“ meint Sohn Volker. Über seine Festanstellung von 1954 bis 1989 hinaus, arbeitete Zacharias als rüstiger Rentner, als „Freier“, Anfang / Mitte der 1990er-Jahre nochmals für Hohner.

Damals erregte er mit der Erfindung der Hohner-Claviola noch einmal Aufsehen. Ausgestattet mit Harmonika-Stimmzungen, handelte es sich um ein besonderes Instrument: eine Tastenflöte mit „Panflöten-Effekt“ durch röhrenförmige Luftsäulen. Die Claviola fand nach der Markteinführung zunächst besten Anklang, konnte sich in der Praxis wegen großer Temperaturanfälligkeit aber nicht bewähren.

Ein musischer und humorvoller Mensch

Seine Arbeit brachte Ernst Zacharias in Kontakt mit Weltstars wie dem Pianisten Friedrich Gulda, der partout das Clavinet-Exemplar aus Zacharias‘ Labor wollte und natürlich auch erhielt. Das Foto zeigt das Clavinet Single Cover um 1968.

Bekannt und beliebt war der umgängliche Mensch auch im Privatleben. Zusammen mit seiner Ehefrau sang er lange Jahre in der Kantorei. Sein gutes Klavierspiel hatte er sich selbst beigebracht. Er liebte die Musik, insbesondere das Werk Johann-Sebastian Bachs, konnte sich aber auch für Jazz und Swing begeistern.

Spaßhaft meinte Ernst Zacharias, auch was die Unterbringung seiner Familie betraf, sei er in Trossingen steil aufgestiegen, von der Einfachwohnung in der Löhrstraße – auf dem Gelände des Hohner-Sägewerks – zur Monatsmiete von 25 Mark bis zum schönen Wohnen in der „Pförtnervilla“ des Hohner Werk II im Tal 19.

Schicksalsschläge blieben auch Zacharias nicht erspart. Töchterchen Martina starb im Kleinkindalter an Leukämie. Seine Frau erkrankte im Alter und musste von ihm bis zu ihrem Tod 2010 betreut werden.

Zu den Charaktermerkmalen des hochgebildeten und umgänglichen Menschen Ernst Zacharias gehörte auch der Humor. Das belegen Anekdoten aus seiner Zeit bei Hohner. So nahm er einst die „Verwellung“ des Hohner-Logos durch den Marketing-Experten Kregeloh per Aushang am Schwarzen Brett auf die Schippe, was ihm einen Rüffel von Direktionsseite einbrachte. (siehe Trossinger Jahrbuch 2020, S. 263)

Zacharias‘ Musikinstrumente erklingen am 7. Juli 2024

Ernst Zacharias ist kurz nach seinem 96. Lebensjahr im Sommer 2020 friedlich eingeschlafen. Sein guter Ruf und sein Werk leben weiter.

Die ganze Bandbreite seines Schaffens präsentiert das „Eboardmuseum“ in Klagenfurt/Österreich, das größte Heimorgel-/Keyboardmuseum der Welt.

Das eine oder andere von ihm entwickelte Musikinstrument ist im Deutschen Harmonikamuseum ausgestellt, natürlich auch ein spielbereites Clavinet D 6; einst von Riedel Diegel in der Schwabenrockformation „Schwoißfuaß“ gespielt.

Zu Ehren des Konstrukteurs Ernst Zacharias präsentiert das Deutsche Harmonikamuseum am Sonntag, den 7. Juli eine klangvolle Mischung: Einer kleinen Gedenkfeier mit geladenen Gästen schließt sich ab 13.30 Uhr, also zur regulären Öffnungszeit, ein Vorführbetrieb mit musikelektronischen Instrumenten an, in erster Linie Erfindungen des Tüftlers Ernst Zacharias. Fachpersonal sorgt dabei für einige akustische Überraschungen, etwa mit den Klängen der Electra-Melodica.

Abschließender Höhepunkt dieses „Musiktages“ im Museum wird ein schwungvolles Live-Konzert im Foyer sein, das vom bekannten Pianisten Michael Te Kaeth und einigen Mitstreitern präsentiert – und von den Ehrenamtlichen des Museums durch Getränkebewirtung begleitet werden wird.

Clavinet Single Cover um 1968
Clavinet Single Cover um 1968.
Erscheinung
Mitteilungsblatt Trossingen – Musikstadt
NUSSBAUM+
Ausgabe 27/2024
von Deutsches Harmonikamuseum
04.07.2024
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