„Fahr nicht fort – kauf am Ort“, heißt der Slogan, der für den örtlichen Einzelhandel werben soll. Aber wo einkaufen, wenn es am Ort keinen Nahversorger mehr gibt? Diese Frage stellte sich den Einwohnern von Enzklösterle und den umliegenden Dörfern seit der Schließung des „Landkauf“-Marktes von Andrea Gulde zum 1. September letzten Jahres. Das Warten hat nun nach genau einem Jahr ein Ende: Seit 30. August ist der „Tante M“-Laden offiziell eröffnet und bietet ein Einkaufserlebnis fast rund um die Uhr.
„Tante M“ ist ein Ladenkonzept, das in kleineren Ortschaften die Nahversorgung mit Lebensmitteln und sonstigen Waren des täglichen Bedarfs aufrechterhalten will. In Süddeutschland stellt die Gruppe zirka 60 Läden, die im Franchise-Prinzip von engagierten Kaufleuten betrieben werden. Der Ladenbetreiber bestimmt sein Warenangebot weitestgehend selbst, in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der Kunden. Dabei kommt zirka ein Drittel des Warenangebotes vom Großhändler, das restliche Drittel wird in der Regel von regionalen Anbietern abgedeckt, wie Jochen Schwab, Vertreter von „Tante M“, bei der Eröffnung des neuen Ladens in Enzklösterle erklärt.
Patricia Geiß und ihr Lebensgefährte Daniel Barth kamen mehr oder weniger zufällig auf den Standort Enzklösterle. Ursprünglich planten sie in ihrem Wohnort Schopfloch-Oberiflingen, einen „Tante M“-Laden zu eröffnen. In Vorgesprächen mit dem Franchise-Geber wurde dann auch der Standort Enzklösterle benannt und „jetzt eröffnen wir tatsächlich zuerst den Laden in Enzklösterle, während Oberiflingen noch in der Planungsphase steckt“, erzählt Patricia Geiß mit einem Lächeln im Gesicht. Der Laden in den Geschäftsräumen der ehemaligen Apotheke (Friedenstraße 6) hat eine Verkaufsfläche von nahezu 100 qm. 1200 Produkte des täglichen Bedarfs inklusive Drogerieartikel werden angeboten, davon 400 Produkte von regionalen Anbietern wie zum Beispiel Wurst- und Fleischwaren von einem Hofmetzger aus Horb oder Backwaren einer Bäckerei aus Altburg-Oberriedt. Die Preise der Markenartikel sind vergleichbar mit denen der großen Lebensmittelketten. „Wir starten jetzt mal mit einem Sortiment, das wir in enger Abstimmung mit Frau Gulde geplant haben. Sie weiß ja, was in Enzklösterle benötigt wird“, erklärt Patricia Geiß. Sollte die Kundschaft jedoch das Gefühl haben, dass bestimmte Artikel fehlen, hängt an der Kasse eine „Wunschbox“, in die Zettel mit Wünschen zur Sortimentserweiterung eingeworfen werden dürfen. „Was wir nicht verkaufen – auch nicht auf besonderen Wunsch vieler Kunden – sind Alkoholika und Tabakwaren“, erklären die Ladenbetreiber. Dies ist eine Vorgabe von „Tante M“. Wie Jochen Schwab erläutert, wäre die Altersüberprüfung der Kunden in einem reinen Selbstbedienungsladen zu aufwendig.
„Selbst ist der Kunde“ im neuen „Tante M“-Laden. Der Zutritt wird durch das Scannen der EC-/Bankkarte oder der „Tante M“-Kundenkarte gewährt. Auf die kostenlose Kundenkarte kann man von seinem Bankkonto ein Guthaben aufladen – die Höhe bestimmt der Kunde selbst – und dann davon „runterleben“. Bei jeder Benutzung der Kundenkarte wird angezeigt, wie viel Guthaben noch drauf ist. Die Kundenkarte kann jederzeit neu aufgeladen werden. Wer keine Kundenkarte beantragen möchte, weil man zum Beispiel nur als Feriengast in Enzklösterle weilt, kann jederzeit mit seiner EC-Karte/Bankkarte bezahlen. Die Bezahlung der Einkäufe mit Bargeld ist nicht möglich.
Nach dem Füllen des Einkaufskorbes geht es an die Kasse. Auch hier gilt „Selbstbedienung“ im wahrsten Sinne des Wortes. Die meisten Waren sind mit einem EAN-Code ausgestattet und werden einfach über den Scanner gezogen. Was nicht mit einem Aufkleber versehen ist, wie zum Beispiel Obst und Gemüse, wird über den Bildschirm eingegeben. Die Gesamtsumme ist – wie auf einem Kassenbon – ersichtlich, kann noch einmal geprüft werden und dann geht es mit der Kundenkarte oder der EC-/Bankkarte ans Bezahlen. Kurz ans Lesegerät halten, PIN und Bestätigen, fertig.
Um den Kunden den Einstieg in das noch ungewohnte Einkaufserlebnis zu erleichtern, sind sogenannte Servicezeiten geplant. Dienstag und Freitag von 8 bis 10 Uhr sowie Samstag von 15 bis 18 Uhr sind die Betreiber und ihre Mitarbeiterin Ramona Schellhorn aus Nonnenmiß vor Ort. Sie helfen beim Aufladen der Kundenkarte, beim Scannen der Waren und stehen für alle Fragen gerne zur Verfügung.
Der neue „Tante M“-Laden bietet im Vergleich zum „normalen“ Einzelhandel außergewöhnlich lange Öffnungszeiten. An sieben Tagen der Woche kann man von 5 bis 23 Uhr einkaufen gehen. So können auch spontane Essenswünsche oder Notfallbesorgungen direkt umgesetzt werden.
Neben Frischem wie Obst, Gemüse, Wurst- und Fleischwaren gibt es Molkereiprodukte (auch laktosefrei), Tiefkühlware, Eis, Konserven, Frühstückszerealien, Nährmittel, alkoholfreie Getränke, Süßigkeiten und Knabberzeug sowie Drogerieartikel, Babywindeln, Toilettenpapier. Frische Backwaren sind Samstag und Sonntag im Angebot. Eine Sitzecke mit Blick auf die Enz und einem Kaffee/Tee-Automaten bietet die Gelegenheit für ein „Päuschen“ und ein „Schwätzchen“ mit Freunden und Bekannten.
Zum Reinschnuppern und Probeeinkaufen waren die Türen des neuen Nahversorgers am Eröffnungstag weit geöffnet. Ohne Zutrittskontrolle durften und sollten alle, die Interesse hatten, den neuen Laden erkunden, schon mal erste Einkäufe tätigen und mithilfe der Ladenbetreiber das bisher nicht bekannte Kassensystem kennenlernen. Die nahezu einhellige Meinung der Kunden war: „Das ist ja gar nicht so schwer“. Nach ein bis zwei Testkäufen wird das „Selbstbedienen und Selbstabrechnen“ wahrscheinlich problemlos klappen.
Bürgermeisterin Sabine Zenker freute sich im Rahmen der offiziellen „Feier-Viertelstunde“ über die Neueröffnung und das damit verbundene „Einkaufserlebnis“ in Enzklösterle. Sie sieht den „Tante M“-Laden als Bereicherung sowohl für die Einheimischen als auch für die Gäste, die sich in Ferienwohnungen und auf dem Campingplatz ja in der Regel selbst versorgen. „Das Konzept ist zukunftsfähig“, sagt sie voller Überzeugung und hofft darauf, dass damit für die nächsten Jahre die Nahversorgung in Enzklösterle gesichert ist. Ladenbetreiber Patricia Geiß und Daniel Barth dankten allen, die sie beim Schritt in die Selbstständigkeit unterstützt haben, allen voran ihren Familien und freuen sich auf viele Kunden aus Enzklösterle und der näheren Umgebung.
Wie auf Nachfrage des „Wildbader Anzeigers“ zu erfahren war, wird der „Rollende Supermarkt“ trotz des neuen Ladengeschäftes weiterhin am Mittwochnachmittag in Enzklösterle Halt machen. Wie Sabine Zenker betonte „ist das eine weitere, ja eine zweite Einkaufswelt“. Der „Rollende Supermarkt“ hat mehr Frischwaren im Angebot, nimmt Bestellungen auf und bringt mobilitätseingeschränkten Kunden die Einkäufe auch direkt nach Hause. (gg)