Redaktion NUSSBAUM
76703 Kraichtal

Fahrradtour zum ehemaligen Bahnwärterhäuschen im Rhein-Neckar-Kreis

Am Bahnwärterhäuschen herrschte „reger Durchgangsverkehr“ Kraichtal/Region ... von Hans-Joachim Of Alle wollen nach Malle? Nicht unbedingt....
Gut beschilderte Radwege.
Gut beschilderte Radwege.Foto: of

Am Bahnwärterhäuschen herrschte „reger Durchgangsverkehr“

Kraichtal/Region ... von Hans-Joachim Of

Alle wollen nach Malle? Nicht unbedingt. Jetzt im Hochsommer gibt es für diejenigen, die im Urlaub oder in den Ferien die nähere Umgebung zu Fuß oder mit dem Fahrrad entdecken möchten, sehr viele Möglichkeiten. Wie wäre es mit einer (Bike)-Tour auf dem Drahtesel bis in den Rhein-Neckar-Kreis nach Altlußheim?

Von der Kraichtal-„Hauptstadt“ Münzesheim bis fast ans Rheinufer sind es lediglich rund 35 Kilometer, wobei man auf der Strecke die eine oder andere interessante Entdeckung machen kann. Tagesziel ist ein abgelegenes ehemaliges, heute fast verstecktes und geschichtsträchtiges Bahnwärterhaus, das sich direkt an der alten B36, parallel zum Schienennetz der Bahn, befindet. Früher war dies die regionale Hauptachse zwischen Frankfurt und Basel. Einheimische wissen, dass dieses Gebäude wohl mit dem Bau der Rheintal-Eisenbahn um 1870 entstand und dürfte die Wohn- und Arbeitsstätte der Bahnwärterfamilie gewesen sein. Auch eine Gaststube, die sich auf der viel befahrenen Straße gut als Zwischenstopp und Einkehrmöglichkeit anbot, wurde bei Renovierungsarbeiten nachgewiesen. Dank der Zuckerfabrik Waghäusel, dem größten regionalen Arbeitgeber seiner Zeit, herrschte auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung viel Verkehr und die Zuckerrüben-Transporte aus allen Teilen des Landes steuerten Waghäusel an. Zudem lieferten zahlreiche Pferdefuhrwerke Torf als Brennmaterial für die Fabrik. Somit bot sich die Kneipe als „Tankstelle“ für durstige Kehlen an, wie Historiker berichten. Seit über 45 Jahren wohnt nun Diplom-Biologe Ulrich Mahler, früherer Naturschutzbeauftragter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, in diesem abgelegenen Haus. Heute fungiert er als sachkundiger Führer und exzellenter Kenner der örtlichen Pflanzen- und Tierwelt rund um „sein“ Naturschutzgebiet Wagbachniederung auf der Gemarkung Waghäusel und Oberhausen-Rheinhausen.

Start in Münzesheim

Wir starten mit unserer Tour also in Münzesheim und bewegen uns auf gut ausgebauten Radwegen über Unteröwisheim und Ubstadt-Weiher bis nach Hambrücken, wobei man schon von Weitem den „Dom der Lußhardt“ in der Ortsmitte erkennen kann. Schnell gelangt man auf der Welterbe- und Spargel-Route nach Wiesental, vorbei an Sonnenblumenfeldern bis zur Eremitage Waghäusel, dem bekannten, barocken, durch Damian Hugo Philipp von Schönborn ab 1724 errichteten Jagd- und Lustschloss sowie der in unmittelbarer Nähe gelegenen Wallfahrtskirche „Zur Mutter mit dem gütigen Herzen“. Hier lohnt neben einem Blick in das Innere auch ein Besuch des schön angelegten „Garten der Auferstehung“. Wir fahren weiter durch einige Unterführungen und sind schnell auf der zurückgebauten alten B36, die heute neben Radfahrern und Wanderern auch gerne von Inlineskatern genutzt wird. Auf der linken Seite der breiten Straße erstreckt sich das 224 Hektar große Naturschutzgebiet Wagbachniederung mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Biotopen. Weiter geht es schnurgeradeaus und wenn man nicht aufpasst, radelt man am beschriebenen, fast ein wenig mysteriös wirkenden, Haus vorbei. Aufgrund der exponierten Lage, so wird vom Neulußheimer Heimatverein berichtet, hatte die Schänke in früheren Zeiten einen regen Zuspruch zu verzeichnen. Ortsgeschichtlich Kundige wollen wissen, dass vor dem Ersten Weltkrieg in den oberen Räumen des Gasthauses ein ungewöhnlicher Kindersegen einsetzte. Tatsächlich sollen über zwei Dutzend Kinder von mehreren Männern von einer sich einsam fühlenden Wirtin zur Welt gebracht worden sein. Man sprach zu dieser Zeit, vielsagend von einem „regen Durchgangsverkehr“. Nach mehreren Besitzerwechseln, unter anderem soll auch ein Anarchist dort gehaust haben, hatte Ulrich Mahler 1979 das rund 5.500 Quadratmeter große Grundstück übernommen und im Laufe der Jahre viel Arbeit investiert, zumal es keine Strom- und Wasserversorgung gab. Im Jahre 1987 war die neue Bundesstraße B36 fertiggestellt, und es wurde einsam im früheren Bahnwärterhaus, das sich von der Eremitage lediglich drei Kilometer entfernt auf der Gemarkung Altlußheim befindet, jedoch nicht zum Kreis Karlsruhe, sondern zum Rhein-Neckar-Kreis gehört.

Erscheinung
Kraichtalbote
Ausgabe 34/2024

Orte

Kraichtal
von Redaktion Nussbaum
21.08.2024
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