Aus den Rathäusern

Fliegerangriffe vor 80 Jahren weiter aufgearbeitet – Vortrag durch Heimatforscher Rolf Ehlert

Die Aufarbeitung der Hintergründe, die zu den verheerenden Fliegerangriffen auf Neckargerach am 22. März 1945 geführt hatten, beschäftigt...

Die Aufarbeitung der Hintergründe, die zu den verheerenden Fliegerangriffen auf Neckargerach am 22. März 1945 geführt hatten, beschäftigt die Bevölkerung der Gemeinde seit jeher. Frau Bertel Herbold veröffentlichte ihre Erkenntnisse im Frühjahr 1950 in der Broschüre „Neckargerach im Kriege“ – ihr Sohn Ludwig Herbold ergänzte 1995 mit seinen neuesten Forschungsergebnissen die erweiterte Neuauflage der Broschüre anlässlich des 50. Jahrestages der Fliegerangriffe.
Zu einem Vortrag des Heimatforschers Rolf Ehlert (Heidelberg) begrüßte Bürgermeister Norman Link nun Anfang Mai interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Bürgersaal des Rathauses. Nach dem Gedenken zum 80. Jahrestag am 22. März 2025 in St. Afra und auf dem Ehrenfriedhof stand hier die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse im Vordergrund.
Rolf Ehlert erläuterte hier zunächst seine Beweggründe, sich mit diesen für die Gemeinde so einschneidenden Ereignissen zu beschäftigen. Demnach war zunächst die Dokumentation der Bunker der Neckar-Enz-Stellungen sein Arbeitsgebiet. Diese Bunker wurden bei den Fliegerangriffen auch als Schutzräume von der Neckargeracher Bevölkerung genutzt, sodass die enge thematische Verbindung zu einer intensiveren Beschäftigung mit den Hintergründen der Fliegerangriffe führte. Insbesondere der Kontakt zu französischen Geschichtsforschern der „Armée de l’air“ förderte demnach neue Erkenntnisse zutage. Zwei Geschwader in vier Staffeln mit insgesamt 54 Marauder B26-Flugzeugen starteten am 22. März vom Flughafen Saint-Dizier (100 Kilometer südöstlich von Reims). Das 1. Geschwader entlud seine tödliche Fracht (144 Bomben) um 12:15 Uhr über Neckargerach. Um 12:50 Uhr folgte das 2. Geschwader mit in Summe 154 Bomben. Diese Bombardements führten zu 220 Opfern – eine Totenrate, die in ganz Deutschland gemessen an der Bevölkerungszahl nur in Pforzheim noch höher war. Zu den Gründen für diese verheerenden Angriffe gab es in der Vergangenheit die naheliegende Theorie, wonach die Eisenbahnlinie hätte zerstört werden sollen, um die Nachschublinie aus dem Neckartal in die Rhein-Ebene zu unterbrechen. Nach den nun vorliegenden Erkenntnissen ist aber von einem taktischen Angriff auszugehen, der den Vormarsch der amerikanischen Streitkräfte über das Neckartal von der Rhein-Ebene kommend in Richtung Heilbronn-Stuttgart unterstützen sollte. Zum Zeitpunkt der Angriffe waren in Neckargerach 500 Soldaten der Wehrmacht einquartiert, die die Bunker der Neckar-Enz-Stellungen wieder armieren sollten, die zuvor durch den Bau des West-Walls desarmiert waren. Aber auch nach diesen nunmehr aufgearbeiteten Erkenntnissen bleiben noch Fragen offen – gab es Luftalarm in der Gemeinde vor den Angriffen, gab es vor der Bombardierung bereits Luftangriffe …?
Einig waren sich im Anschluss an den Vortrag und der sich anschließenden Fragen- bzw. Diskussionsrunde alle Anwesenden, dass das Andenken an alle Opfer zu bewahren ist und es nie wieder so weit kommen dürfe. Bürgermeister Norman Link dankte Herrn Ehlert sehr herzlich für seinen Vortrag und für seine Bereitschaft, seine Forschungsergebnisse durch Vortrag und Dokumentation mit Interessierten zu teilen.

Erscheinung
Amtsblatt des GVV Neckargerach-Waldbrunn
NUSSBAUM+
Ausgabe 22/2025
von Gemeinde Neckargerach
30.05.2025
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