Gemeinde Malsch bei Heidelberg
69254 Malsch (bei Wiesloch)
Aus den Rathäusern

Frühere Winterzeiten in Malsch

Früher, ja früher, da war die Welt wettermäßig noch in Ordnung. Im Sommer war Sommer und im Winter war Winter. Dieser stellte sich Jahr für Jahr pünktlich...
Foto: Edmund Schmitt

Früher, ja früher, da war die Welt wettermäßig noch in Ordnung. Im Sommer war Sommer und im Winter war Winter. Dieser stellte sich Jahr für Jahr pünktlich so um den Totensonntag mit Eis und Schnee ein. Wie die älteren Mitbürger früher noch sagten, hätte man sogar die Uhr zum Beginn der Winterzeit stellen können. Von wegen also Frühlingswetter am Heiligen Abend. Undenkbar auch, dass es zu Weihnachten geregnet hätte. Wenn Ende November der erste Frost kam, dann entstand entlang der Bahnlinie unterhalb der B 3 eine unübersehbare Eisfläche, die fast bis nach Wiesloch und Mingolsheim reichte. Dann machten sich die Mälscher „Buwe un Meedlin“ mit ihren Schlittschuhen auf den Weg zum Bruch. Wer keine Schlittschuhe hatte, der schlifferte halt einfach auf seinen Holzschuhen über die gigantische Eisfläche. Ab und zu wagte sich auch mal ein Erwachsener aufs Eis, um sich nochmals im Schlittschuhlaufen aus früheren Tagen zu versuchen. Natürlich hatte die Jugend eine Mordsgaudi, wenn die Älteren auf ihre Hosenböden fielen. Was war das doch für ein wunderschönes Leben auf dem Eis. Da wurde bis spät in die Nacht hinein gespielt und herumgetollt. Dass dabei die Hausarbeiten zu kurz kamen, war ganz und gar nicht im Sinne der Eltern oder Lehrer. Nach dem ersten Frost im November fiel auch schon tüchtig Schnee vom Himmel. Nicht so spärlich wie heute, sondern in dichten, dicken Flocken. Frau Holle schüttelte zur Freude der Kinder und Erwachsenen fast jeden Tag fleißig ihre Betten aus. Heute kommt gleich ein Schneeräumer oder Salzstreuer und lässt die prächtige, weiße Pracht im Nu verschwinden. Früher störte man sich nicht an den Schneemassen auf den Straßen. Warum auch? Ein Auto hatte außer dem Dorfarzt Dr. Johann Mächtel eh niemand. Die Arbeiter, welche ihr Brot in den Fabriken in Karlsruhe, Bruchsal, Heidelberg, Mannheim oder Ludwigshafen verdienen mussten, wurden in aller Herrgottsfrühe mit einem Pferdeschlitten, gelenkt von Ernst Förderer, zum Bahnhof Rot-Malsch gefahren. Sobald der erste Schnee gefallen war, holte man die Schlitten aus den Schuppen, Scheunen oder Speichern. Kurz die Eisenkufen mit einer Speckschwarte, die von den Hausschlachtungen übrig geblieben ist, fest einreiben und ab ging es in Richtung Alte Berg (Friedhofstraße), Bangert, Alte Poststraße, und „Judägessl“ (heute: Brunnengasse). Ganz Mutige spazierten auf den Letzenberg und sausten mit Karacho die Kreuzwegstationen hinab. Endpunkt war die heutige „Letzenbergstube.“ Ganz klar, dass diese gefährliche Abfahrt etliche Unglücksfälle mit komplizierten Beinbrüchen erforderte. Auf jeder Schlittenbahn in Malsch herrschte ein reges Treiben. Man konnte es manchmal kaum glauben, dass es in Malsch so viele Kinder und Jugendliche gab. Mit Geschrei und Gejohle ging es die abschüssigen Schlittenbahnen hinab. Ganz Waghalsige setzten sich auf den Kameraden, der bäuchlings auf seinem Schlitten lag. Meistens wurden die Schlitten der Mädchen von demjenigen, der auf dem Bauch lag, mit den Füßen eingehängt. Natürlich gab es auch Zeitgenossen, die sich an dem lauten Spiel der Kinder störten und vor ihren Häusern Sand und Asche auf die Fahrbahn streuten oder gar Eis und Schnee entfernten. Doch Frau Holle stand stets auf der Seite der Kinder und ließ es wieder tüchtig schneien, sodass die Schlittenbahn von Neuem ruckzuck eine durchgehende Fläche war. Schlittenbahnen gab es sowohl innerhalb als auch außerhalb von Malsch. Abends fand sich die reifere Jugend zum Schlittenfahren ein. So manche Malscher Ehe wurde damals auf den Schlitten geschlossen. Was gab es Schöneres, als seine Angebetete fest an sich zu drücken und dann gemeinsam den Abhang hinunterzujagen? Überaus romantisch wurde es, wenn am Abend die wenigen Straßenlaternen unter einer dicken Schneeschicht nur noch ganz matt leuchteten und frischer Schnee vom Himmel fiel. Das waren halt noch Winter. Winter wie aus dem Bilderbuch! Der Schnee lag meist bis zum Frühjahr. Und wenn es besonders kalt war, dann wärmten Holz, Kohlen und Briketts die guten Stuben. Über CO2 und andere Umweltgifte sagte da kein Mensch etwas. Die Kamine rauchten den ganzen Tag über. Wer es sich finanziell leisten konnte, der steckte auch noch spätabends eins, zwei Briketts in den Ofen, damit er am Morgen genügend Wärme in der Küche hatte. Aber irgendwann freute man sich auch wieder auf den Frühling und Sommer, die sich ebenfalls pünktlich nach dem Kalender einstellten. Auf dem schon jahrzehntealten Foto wird das frühere Malsch mitten im Winter gezeigt. Man achte auf die Schneemassen, die sich auf den Straßen und Wegesrändern türmten. Heutzutage kann man sich so etwas kaum noch vorstellen …

Text: Reinhold Stegmeier

Erscheinung
Malscher Gemeinde Rundschau
NUSSBAUM+
Ausgabe 02/2025

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