Seit 30 Jahren wird der erste Sonntag im September als Europäischer Tag der jüdischen Kultur begangen. Auch der Friedhof in Mingolsheim ist dieses Jahr wieder geöffnet: Um 14.30 Uhr beginnt die Begehung des eindrucksvollen Orts; sie dauert gut 60 Minuten. Dabei gibt es Erläuterungen zu den beteiligten Gemeinden, über die jüdischen Regeln zu Tod und Trauer und zu einzelnen Familienschicksalen. Anschließend gibt es Zeit für Rückfragen, Hinweise etc. oder zur persönlichen Erkundung des Areals, das sonst leider verschlossen bleibt. Der Friedhof liegt versteckt am nordöstlichen Ortsrand. Von der B3 biegt man beim Kreisel am Ortseingang nach Osten hangaufwärts in die Beethovenstraße, nach etwa 800 Metern links in die Konradin-Kreutzer-Straße bis ans Ende. Zu Fuß (ca. 60 Minuten) oder mit dem Fahrrad kann man leicht den Weg westlich am Segelflugplatz vorbei nehmen durch die Felder und den Wald.
Vor 148 Jahren legten die drei israelitischen Gemeinden Malsch, Mingolsheim und Östringen gemeinsam den Begräbnisplatz an, um nicht mehr jedes Mal die Reise zum Eichelberg hinter Bruchsal zurücklegen zu müssen. Auch wenn diese Gemeinden vor 85 Jahren gewaltsam ausgelöscht wurden, bleibt der stille Friedhof von großer Bedeutung für viele auf der Welt: Im vergangenen Jahr besuchten wieder neue Gäste aus Übersee die Gräber ihrer Vorfahren und ehrten sie mit dem Kaddisch-Gebet. Sie zeigten sich sehr froh und dankbar, Spuren ihrer Familiengeschichte zu entdecken. Doch auch für Nichtjuden besitzt dieser Ort große Wichtigkeit: Es ist fast das einzige noch sichtbare Zeugnis einer Kultur, die jahrhundertelang unsere Orte mitgeprägt hat.
2021 konnte Hans-Georg Schmitz eine vollständige Dokumentation des Friedhofs fertigstellen. Alle noch lesbaren Inschriften auf den Grabsteinen sind fotografisch erfasst und auf Hebräisch und in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Zudem gibt es bei jeder Grabstätte Informationen zum familiären Hintergrund und der Wohnung der Person. So kann etwas vom Leben der hier bestatteten früheren Nachbarn deutlicher vor unsere Augen treten. Das Buch ist weiterhin im Rathaus Mingolsheim zu erwerben.
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen zur Führung. Männliche Besucher müssen auf jüdischen Friedhöfen eine Kopfbedeckung tragen. Treffpunkt ist die Wiese am Ende der Konradin-Kreutzer-Straße.