Ungepflegt? Ungeordnet? Mehr davon, sagt Anke Henz, wenn sie auf vermeintlich chaotische Vegetationsbereiche angesprochen wird. Die Diplom-Ingenieurin der Landespflege ist eine leidenschaftliche Fürsprecherin für die Artenvielfalt.
Von 1989 bis 2017 hat sie im Gartenbauamt der Stadt Karlsruhe als Grünordnungsplanerin gearbeitet. Bei junge alte bietet sie im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung eine Exkursion an über „Mauerblümchen in Durlach: Von Hungerkünstlern, Krisengewinnlern und Opportunisten“. Für Leser:innen des Wochenjournals beantwortet sie Fragen.
Anke Henz: Pflanzen haben mich schon als Schülerin interessiert. Ich habe dann Landespflege studiert. Schon dieser Name drückt die Sorge und Pflege für alles, was in der Landschaft kreucht, fleucht und wächst, aus. Seit Jahren nutze ich die App „Flora Incognita“, mit der Pflanzen bestimmt werden können. Ich habe so schon 1.086 Pflanzenarten in meinem virtuellen Herbarium gesammelt. Je länger man sich mit Pflanzen beschäftigt, desto deutlicher wird der Zusammenhang zwischen Standort- und Klimabedingungen einerseits und der Artenzusammensetzung von Pflanzengesellschaften andererseits. Die App kann übrigens jeder nutzen und davon lernen. Wer Pflanzen kennt, ist ihnen gegenüber viel toleranter.
Henz: Viele Pflanzen sind auf Trockenheit eingestellt und können eine Zeit lang überleben. Sie können sich vor Verdunstung schützen, haben oft Haare oder gewachste Oberflächen oder sie können Wasser speichern. Sie sind meist klein, haben eine harte Struktur, wenig Blattmasse, sind weißlich, um Sonnenstrahlen zu reflektieren. Pflanzen, die Trockenheit aushalten, finden dann einen Platz, wenn andere Pflanzen dort nicht überlebt haben, weil es ihnen zu trocken war.
Henz: Wichtig ist, dass es Flächen gibt, auf denen Pflanzen, deren Samen durch Flug, Tiere oder Vorrat im Boden vorhanden sind, sich frei entfalten können. Auch wer einen Garten hat, kann und sollte unterstützen. Mit Fingerspitzengefühl sollte man lenken und lassen, also selbstverständlich Unerwünschtes entfernen, aber sich über die zahlreichen Neuzugänge an blühenden Kräutern freuen und sie in die Gestaltung des Gartens, etwa im Rasen, integrieren.
Henz: Es gibt unzählige Pflanzen, die darauf spezialisiert sind, in Nischen zu überleben. Solche besonderen Lebensräume sind etwa Pflasterfugen, Mauerritzen, Spalten zwischen Wand und Weg. Dort muss es nicht sauber und vegetationslos sein. Man muss nicht gleich alles abhacken und wegrupfen. Was dort wächst, trägt zur Artenvielfalt bei und belohnt die Toleranz mit Blüten.
Henz: Dort leben dann die Mauerblümchen, Hungerkünstler, Krisengewinnler und Opportunisten, wie ich sie nenne. Hungerkünstler kommen mit nährstoffarmem Boden aus, Krisengewinnler überleben, weil andere absterben, und Opportunisten nutzen ganz schnell und vor anderen Pflanzen besondere Standortbedingungen. Ich werde in der Umgebung des Gemeindehauses solche Standorte zeigen und die Pflanzen, die sich dort angesiedelt haben, vorstellen. Die gibt es natürlich nicht nur in Durlach, sondern auch in der Umgebung, überall in Deutschland und darüber hinaus. (rist)