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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „KZ Gefangene“

In den „Arolsen Archives“, das in Bad Arolsen in Hessen befindliche weltweit größte Archiv über die Opfer und die Überlebenden des NS-Regimes...
Zugangsliste
Foto: Arolsen DocID: 129641980 / B. Dieter

In den „Arolsen Archives“, das in Bad Arolsen in Hessen befindliche weltweit größte Archiv über die Opfer und die Überlebenden des NS-Regimes und UNESCO Welt-Dokumentenerbe, findet sich bei einer Onlinesuche nach „Poltringen“ ein Datensatz zu Maria Rollenmüller, die in Poltringen als Maria Schaub, nach Ehelicherklärung Maria Trapp, geboren wurde und die Häftlingsnummer 28611 trug. Ihr Name taucht auf einer Zugangsliste (Arolsen DocID: 129641980) mit 327 weiteren Häftlingen für das Nebenlager Altenburg des KZ Buchenwald am 13.09.1944 auf. Sie ist dort in der Sektion „Berufsverbrecherinnen – Deutschen“ als verheiratete Schneiderin aufgeführt. Sie wurde über die Kripo Augsburg eingewiesen.


Das „Stetten Institut“ hat ihre Geschichte 2021-23 in einem Schulprojekt erforscht:
„Maria Rollenmüller wurde am 6.11.1911 als Maria Trapp in Poltringen geboren. Sie gehört der Volksgruppe der Jenischen an. Jenische ist eine Eigen- und Fremdbezeichnung für Angehörige eines Teils der Bevölkerung in Mittel- und Westeuropa. Damit gehörte sie einer Volksgruppe an, die durch die Nationalsozialisten als „nach Zigeunerart Umherziehende“ eingestuft wurde und zunehmend verfolgt wurde. Ihre Eltern waren Vinzenz und Maria Trapp, und sie hatte sieben Geschwister. Am 24.02.1939 ließ die Staatsanwaltschaft Augsburg ein „kriminalbiologisches Gutachten“ anfertigen. Aus diesem geht hervor, dass Maria Trapp in den Jahren zwischen 1926 und 1934 insgesamt 12-mal vorbestraft wurde. Etliche der Haftstrafen für zumeist geringfügige Vergehen verbüßte sie in Augsburg. Es folgten in den Jahren zwischen 1926 und 1929 Aufenthalte in einer Erziehungsanstalt in Wiesen bei Lohr sowie Aufenthalte im Jugendheim St. Afra in Augsburg. Im Februar 1935 erfolgte die Hochzeit mit Josef Rollenmüller. Maria wurde beschuldigt, ihren Mann immer wieder bestohlen zu haben und ab der Wende 1936/37 bereits ein Verhältnis zu einem Mann namens Rader gepflegt zu haben. Mit diesem soll sie schließlich auch eine Reihe Verbrechen im Jahr 1938 begangen haben, die unter anderem der Grund für die Anforderung des kriminalbiologischen Gutachtens waren. Obwohl es sich, wenn überhaupt, um geringfügige Delikte handelte, erfolgte eine Anzeige wegen schweren Diebstahls. Auffällig ist, dass sich die verschiedenen für das Gutachten angeforderten Schreiben widersprechen. So zeichnet das Schriftstück aus dem Jugendheim St. Afra in Augsburg das Bild einer notorischen Lügnerin und stellt sie als den „Idealtypus eines Zigeunermädchens“ dar.

Das Schreiben aus Wiesen wiederum bescheinigt ihr jedoch „Fleiß, Strebsamkeit und große Geschicklichkeit“. Sie zeigte dort gutes Betragen und es kamen keine Diebstähle während der Zeit ihres Aufenthaltes vor. Allerdings gibt das Schreiben zu bedenken, dass sie „in der Freiheit (…) immer Abwege gegangen zu sein“ scheint. Insgesamt widersprechen sich beide Gutachten an etlichen Stellen, was Marias Charakter betrifft. Die angeführten Vergehen lassen daran zweifeln, ob von schwerwiegenden Diebstählen die Rede sein kann. Gravierender ist jedoch, was die Behörde für Aussagen über ihren Charakter tätigt. Darin zeigt sich deutlich die nationalsozialistische Haltung gegenüber der Volksgruppe der Jenischen. Das wohlwollende Schreiben aus Wiesen wird in der Endfassung des kriminalbiologischen Gutachtens außen vor gelassen und das Schriftstück aus dem Jugendheim St. Afra herangezogen, um das Bild einer notorischen Kriminellen zu verfestigen. Das Gutachten stuft sie als „gefährliche Gewohnheitsverbrecherin“ ein und führt hierfür nicht nur ihre Verbrechen, sondern ebenfalls ihre Herkunft an. So kommt es schließlich zur Empfehlung, Maria Rollenmüller in Sicherungsverwahrung „zum Schutze des Volkes“ zu nehmen. Insgesamt zeigt sich deutlich, dass das Urteil und die Inhaftierung von Maria Rollenmüller politisch motiviert waren. Ihre letzte bekannte Meldeadresse in Augsburg war die Alte Gasse 13. Nach der Erstellung des kriminalbiologischen Gutachtens verbrachte sie als „Berufsverbrecherin“ Zeit in diversen Konzentrationslagern. Es liegen unter anderem Häftlingskarten aus dem KZ-Ravensbrück und dem KZ-Buchenwald vor. Eine genaue Zeitleiste ist schwer zu rekonstruieren, es geht jedoch aus den Unterlagen hervor, dass sie in den Konzentrationslagern teilweise als Näherin arbeitete. …… Maria Rollenmüller ist schließlich am 25.12.1996 verstorben.“

Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Amtsblatt der Gemeinde Ammerbuch
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Ausgabe 33/2025
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