Von 1503 gibt es eine Urkunde im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv über einen Michel Ul aus Poltringen, in der er Urfehde schwört (Signatur A 44 U 898).
Die Urfehde oder Unfehde, der Verzicht auf Fehde oder Rache am Gegner, begegnet man im Mittelalter als Streiturfehde und als Hafturfehde. Die Streiturfehde beendete eine begonnene oder angedrohte Fehde, während im Zuge einer Hafturfehde ein freigelassener Häftling eidlich versprach, sich nicht an den für seine Verhaftung Verantwortlichen zu rächen. Der Delinquent anerkannte die Strafwürdigkeit seines Vergehens oder Verbrechens und schwor, sich nach der Haftentlassung weder am Gerichtsherrn noch bei seinen Dienern und Beamten zu rächen. Zugleich anerkannte er mit der Urfehde die ihm auferlegte Strafe. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit war vor allem die Hafturfehde von Bedeutung. Fast alle inhaftierten Personen wurden nur mit einer schriftlich beurkundeten Urfehde entlassen und unter Strafe gestellt. Heute ist damit die Bewährungsstrafe vergleichbar. Die Urfehde beruht auf den Blutrachevorstellungen der Germanen, bei denen der Streit durch eine eidliche Vertragsform beigelegt wurde.
Zusammengefasster Inhalt des beschädigten Pergaments:
„Michel Ul von Poltringen, Tochtermann des Michel Huss von [Gültstein] ("Gilstein"), gefangengesetzt wegen nächtlichen Diebstahls eines Spießes, verspricht, die entstandenen Kosten zu tragen und schwört Urfehde.
1503 Dezember 20 (Mittwoch am Abend des Thomastages)
Siegler: Peter Bock und Hans Somenhart, Bürger zu Calw“
Warum Michel Ul einen Spieß gestohlen hat, ist leider unbekannt.
Eine Familie Ul (oder ähnliche Benennung) ist in Poltringen erstmals im 14. Jahrhundert schriftlich nachweisbar. So sind im Bebenhäuser Urbar von 1356, dem ersten Gesamtverzeichnis der jährlichen Einnahmen des Klosters Bebenhausen als Abgabenschuldner oder Anlieger die Familien Uolen (Uhlen), Uloni (Ühloni) und Uelen de Bernhusen (Ühlen von Bernhausen) genannt. Im württembergischen Schönbuch-Urbar von 1383 ist bezüglich Waldnutzungsrechten und Einkünfte eine Familie Uel erwähnt. Ob diese mit Michel Ul zu tun haben, ist leider nicht nachweisbar.
Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte@hwv-ammerbuch.de).
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter