„Geben Sie allen, die Europa diskreditieren wollen, eine Absage“

LDU feiert 67. Bundesschwabenball Die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn (LDU) hat dieses Jahr zum 67. Mal zum Bundesschwabenball eingeladen....
Bürgermeister Dirk Oestringer, Generalkonsul Dr. András Izsák und Bundesvorsitzender der LDU, Joschi Ament, begrüßten die Gäste im Foyer der Stadthalle.
Bürgermeister Dirk Oestringer, Generalkonsul Dr. András Izsák und Bundesvorsitzender der LDU, Joschi Ament, begrüßten die Gäste im Foyer der Stadthalle.Foto: Tommasi

LDU feiert 67. Bundesschwabenball

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn (LDU) hat dieses Jahr zum 67. Mal zum Bundesschwabenball eingeladen. Ehrengast des Balls war der Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, Stephan Mayer.

Zum 67. Bundesschwabenball der LDU konnte Bürgermeister Dirk Oestringer zahlreiche Gäste aus Gerlingen, aus Deutschland, aber auch aus ganz Europa, insbesondere auch aus Ungarn, in der Gerlinger Stadthalle begrüßen. Seit 48 Jahren werde der Bundesschwabenball nun schon in Gerlingen, der Patenstadt der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, ausgerichtet. Der Schwabenball sei eine Veranstaltung, die für die Tradition und Geschichte aus den früheren Heimatorten in Ungarn stehe und die Gäste einen Abend lang auf eine Reise durch die ungarndeutsche Kultur mitnehme, so das Stadtoberhaupt. Der Einzug der Trachtenpaare mit ihren traditionellen Gewändern sei für den einen oder anderen unter den Gästen jedes Jahr ein sehr bewegender Moment. „Ein Moment, der Erinnerung an frühere Zeiten und das Gefühl an einen längst in der Vergangenheit liegenden Alltag auslöst – kurz gesagt: ein Gefühl der Heimat“, so Oestringer. Gleichzeitig vermittle der Ball zudem ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Miteinanders. Oestringer erinnerte in seiner Rede weiter daran, dass Gerlingen seit 1969 Patenstadt der LDU ist und auch daran, dass die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Gerlingen ihr neues Zuhause gefunden haben, eine herausragende Bereicherung und für die städtische Gemeinschaft einen unersetzbaren Beitrag geleistet hätten.


Das Engagement der LDU fundiere auf zwei Säulen – der Säule zum Erhalt der Kultur und der des Brückenbauens – des Brückenbauens zwischen der alten und der neuen Heimat, zwischen den Generationen, zwischen Deutschland und Ungarn. An der Stelle warf Oestringer einen Blick in die Gegenwart und auf Europa, das den Menschen seit vielen Jahren die Möglichkeit biete, Brücken zu bauen. Europa sei nicht nur ein Kontinent, sondern auch ein Symbol für Vielfalt, Zusammenarbeit und Einheit. Das friedliche und wirtschaftsstarke Europa der vergangenen Jahre sei besonders in den letzten zwei Jahren durch die Rückkehr eines Angriffskrieges auf europäischem Boden ins Wanken gekommen. Der entschwundene Friedensmodus in Europa stelle die Menschen vor neue Herausforderungen. „Lasst uns dafür sorgen, dass Europas Brücken, die Sie, aber auch unsere Vorgänger, mit viel Mühe aufgebaut haben, nicht wieder einreisen.“ Umso größer sei genau deshalb der Stellenwert der anstehenden Europawahlen im Juni. „Jede Stimme zählt und ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunft auf unserem Kontinent.“ Und weiter: „Gerade jetzt müssen wir miteinander anstatt übereinander sprechen, damit Vielfalt in einer Einheit gelebt werden kann. Verständnis für die verschiedenen Kulturen, gegenseitiger Respekt und Akzeptanz sind hierfür elementare Werte“, so Oestringer.


Ehrengast des 67. Schwabenballs sei der Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Stephan Mayer. Mayer, der selbst sudetendeutsche Vorfahren habe, widme sich als Vizepräsident des BdV der Interessenvertretung der Vertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler in allen vertriebenenspezifischen Fragen. Heimatliebe und Verantwortungsbewusstsein für die Erhaltung des heimatlichen Kulturgutes zeichne alle aus, die sich im BdV engagieren.
Unter den Gästen beim Schwabenball weilten außerdem der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Rainer Wieland, der Bundes- und Landesvorsitzende der LDU, Joschi Ament, Ibolya Hock-Englender aus Budapest, Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, der Generalkonsul von Ungarn, Dr. András Izsák, Dr. Deszö B. Szabo, Direktor des Liszt-Instituts sowie Terézia Füssenhäuser und Zsófia Csobánci-Horváth, ebenfalls vom Liszt-Institut, Tamás Szalay, Direktor des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm, der stellvertretende Bürgermeister von Gerlingens ungarischer Partnerstadt Zoltán Purgel, Oestringers Amtsvorgänger Georg Brenner sowie Vertreter der Landesregierung, des Kreistags, des Gerlinger Gemeinderates und der Stadtverwaltung. Von der Landsmannschaft konnte Oestringer auch den Bundes- und Landesgeschäftsführer Erich Gscheidle sowie den Schatzmeister des Landesverbandes Alfred Freistädter begrüßen. In seiner Rede wies Oestringer auch darauf hin, dass Horst Arzt, der seit vielen Jahren mit Ungarn verbunden ist und sich für die gegenseitige Völkerverständigung einsetzt, auch dieses Jahr wieder eine Reise nach Tata organisiere. Anmeldungen für die Reise seien noch möglich. Abschließend dankte das Stadtoberhaupt all den Trachten- und Tanzgruppen sowie den Musikern, die für die Umrahmung des Balls sorgten sowie allen, die mit ihrem Einsatz zum Gelingen des Schwabenballs beigetragen haben und wünschte den Gästen tolle Eindrücke und Erfahrungen sowie schöne Gespräche. „Ich freue mich darauf und hoffe, dass wir den so aktiven Austausch auch in den kommenden Jahren weiterhin fortführen können.“
Direkt im Anschluss an die Begrüßung zogen die Trachtengruppen ganz traditionell zu den Klängen des Prinz-Eugen-Marschs in die Halle ein und es wurde gemeinsam die Hymne der Deutschen aus Ungarn gesungen.


„Weil ich weiß, wer ich bin, bleib ich mir treu immerhin“, mit diesem Zitat von Béla Bayer eröffnete Joschi Ament seine Rede zum 67. Bundesschwabenball. Mit diesem sehr treffenden Zitat sei er selbst kürzlich von Ibolya Hock-Englender begrüßt worden. Die LDU in Deutschland und die LDU in Ungarn würden füreinander einstehen und seien füreinander da – für die Heimatvertriebenen und die Heimatverbliebenen. Schön sei, dass der Einzug der Trachten in diesem Jahr von vier Jugendlichen, zwei Enkeln von Hock-Englender und seinen beiden Kindern, angeführt werde. „Mehr Symbolik können wir nicht bieten“, so Ament. Im vergangenen Jahr habe er davon gesprochen, dass fünf Generationen beim Ball zu Gast sind. Das sei auch in diesem Jahr wieder so, wobei der älteste Besucher 99 Jahre alt sei. Bei der Arbeit der Landsmannschaft gehe es darum, die Tradition zu erhalten, so Ament an die Adresse von Ehrengast Mayer. Es gehe um das Gewesene, aber auch um das Verbindende. Nicht umsonst würden die Ungarndeutschen als Brückenbauer bezeichnet. Beim Schwabenball komme man aber auch zusammen, um gemeinsam fröhlich zu sein.
Ament hielt in seiner Rede weiter fest, dass sich in diesem Jahr die Unterzeichnung des Patenschaftsvertrages von Baden-Württemberg mit den Donauschwaben zum 70. Mal jähre. Und auch der Baden-Württembergische Landesverband der LDU feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Jubiläum. Den Geburtstag werde man bei der Kulturtagung am 12. Oktober, zu dem der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl bereits sein Kommen zugesagt habe, besonders würdigen.
Und Ament hielt weiter fest, dass fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Vertreibung bei der LDU der Übergang von der Erlebnis- zur Bekenntnisgeneration vollzogen werde. Aus dem Grund habe man einen Förderverein gegründet, mit dem die Zukunft der LDU gesichert werden soll. Alle seien herzlich eingeladen, dem Förderverein beizutreten, so Ament. „Seien Sie ungarndeutsch und stehen Sie dazu.“
„Ich freue mich, hier sein zu dürfen“, begrüßte Stephan Mayer die Gäste des Bundesschwabenballs. Er schätze die LDU sehr, hielt Mayer weiter fest. Sie sei eine sehr engagierte, agile und lebendige Landsmannschaft. Deutschland und Ungarn verbinde sehr viel, so Mayer weiter. Tatsächlich gebe es sonst keine zwei Länder in Europa, die so eng verbunden sind. Beide Länder hätten sich gegenseitig geprägt. In der Verbindung habe es auch schwarze Kapitel gegeben, der überwiegende Teil sei aber positiv gewesen. Man pflege enge Verbindungen auf kultureller, politischer, aber auch auf wirtschaftlicher Ebene. Die deutsche Autoindustrie etwa könne ohne Ungarn nicht leben. Viele Unternehmen aus der Branche hätten in Ungarn Produktionsstätten. Etwa ein Drittel seines Außenhandels betreibe Ungarn mit Deutschland. Bezüglich der politischen Beziehungen hielt Mayer fest, dass auch hier die positiven Dinge überwiegen würden, auch wenn es gewisse Dissonanzen gebe. „Für dieses gute Verhältnis stehen die Ungarndeutschen“, so Mayer. Viele Deutsche seien einst dem Ruf von Maria Theresia gefolgt und nach Ungarn gegangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten viele das schreckliche Schicksal der Vertreibung erleiden müssen. Große Hochachtung habe er davor, dass sich Ungarn 1990 als erstes Land der Vertreiberländer bei den Vertriebenen entschuldigt hat. Und Ungarn sei auch das erste Land gewesen, das einen Gedenktag für Vertriebene eingerichtet hat. Auch dafür gebühre Ungarn große Hochachtung. Mayer betont weiter, dass die Ungarndeutschen sich als Brückenbauer einen Namen gemacht hätten. Ihnen sei es gelungen, Menschen zusammenzubringen und das gelinge ihnen bis heute.
Der überwiegende Teil der Ungarndeutschen habe nach der Vertreibung in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen Fuß gefasst. Als sie hier ankamen, hätten sie sich aufgerappelt, etwas geschaffen und zum Aufstieg Deutschlands beigetragen. Dass die Vertriebenen zu so einer Erfolgsgeschichte werden, sei so nicht gedacht gewesen. Vielmehr hätten sie zum Spaltpilz für die deutsche Gesellschaft werden sollen. Dass diese Idee nicht aufgegangen sei, sei den Vertriebenen zu verdanken und darauf könnten alle bis heute sehr stolz sein. „Ich bin zuversichtlich, dass unsere Länder auch weiterhin wichtige Motoren in Europa sein werden“, so Mayer weiter. Aktuell gebe es auch in Deutschland Bestrebungen, die Europäische Union zu diskreditieren. „Wer der Meinung ist, dass Isolation besser ist als Gemeinschaft und die Europäische Union zur Disposition stellt, der wendet sich letztlich auch gegen die Heimatvertriebenen.“ Die Europawahl sei zu wichtig, als dass man sie für eine Protestwahl nutze. „Geben Sie allen, die Europa diskreditieren wollen, eine Absage“, so Mayer. Abschließend wünschte er dem Schwabenball einen guten Verlauf und den Gästen viele gute Gespräche.
Generalkonsul András Izsák bezeichnete den Bundesschwabenball in seinem Grußwort als Veranstaltung, zu der er immer gerne gehe, weil er hier zu Freunden komme. „Wir haben eine gemeinsame Geschichte, die alles andere als ruhmreich ist“, so Iszák weiter. Was nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Vertreibung geschehen ist, sei ein Schandfleck in der ungarischen Geschichte und das dürfe man nie vergessen. Dass er als offizieller Vertreter Ungarns hier gemeinsam mit Ungarndeutschen feiern könne, sei alles andere als selbstverständlich. Tatsächlich sei er zu seinem ersten Schwabenball 2016 mit gemischten Gefühlen gegangen und überrascht gewesen, wie freundlich er empfangen wurde. Und er berichtete auch, dass er den Ungarndeutschen viel in Sachen Schulbildung zu verdanken habe. Er habe sein Abitur an einem ungarndeutschen Gymnasium gemacht und dank dieser Tatsache dann auch in Tübingen studieren können. Auch Iszák betonte, dass Deutsche und Ungarn mehr verbindet, als trennt. Die Verbindung habe eine 300-jährige Geschichte. Weiter hielt der Generalkonsul fest, dass es gerade in heutiger Zeit wichtig sei, sich mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen. Und auch er betonte, wie wichtig es sei, zur Europawahl zu gehen.


Den festlichen Rahmen zu den Reden bildeten wie jedes Jahr die traditionelle Trachtenschau und folkloristische Vorführungen. Die Trachtenschau wurde von Alfred Freistädter kenntnisreich moderiert. Freistädter konnte in diesem Jahr wieder einige Gruppen begrüßen. Darüber hinaus gab es verschiedene Tanzvorführungen der Donauschwaben Mosbach, der Donauschwäbischen Tanz- und Folkloregruppe Reutlingen/Gomaringen und des Donauschwäbischen Volkstanzensembles Werischwar. Die Leiterin der Gruppe erhielt beim Straußtanz dann auch den traditionellen Rosmarinstrauß von Joschi Ament überreicht.
Nach dem Ende des offiziellen Teils schwangen die Gäste des 67. Bundesschwabenballs das Tanzbein zur Musik der Kapelle „Die Spitzbuben“ aus Werischwar und nutzten den Abend zu Gesprächen in gemütlicher Runde.

Text/Fotos: Tommasi

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von Stadt Gerlingen
19.04.2024
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