Psychiatrisches Zentrum Nordbaden
69168 Wiesloch
NUSSBAUM+
Zur NS-Zeit verstorben

Gedenken an Peter Schäfer - der "Blumepeter" aus Wiesloch

Drei Städte erinnerten am Samstag an Peter Schäfer, den einstigen „Blumepeter“ mit bewegter Lebensgeschichte. Auch in Wiesloch wurde seiner gedacht.
Zahlreiche Gäste folgten der Einladung von Stefan Kiefer, der das Leben vom „Blumepeter“ aus Wiesloch akribisch aufgearbeitet hatte.
Zahlreiche Gäste folgten der Einladung von Stefan Kiefer, der das Leben vom „Blumepeter“ aus Wiesloch akribisch aufgearbeitet hatte.Foto: chs

Gleich drei Städte erinnerten am vergangenen Samstag an Peter Schäfer, einer bedauernswerten Person, die landläufig als „Blumepeter“ traurige Berühmtheit erlangte. In Mannheim wurde am Blumepeter-Denkmal auf den Kapuziner-Planken an ihn erinnert, in seinem Geburtsort Plankstadt und eben auch in Wiesloch, wo er seine letzte Ruhestätte auf dem „Anstaltsfriedhof“ fand.

Susann Roßberg, Öffentlichkeitsbeauftragte am PZN, freute sich darüber, dass so viele Menschen sich für den geführten Rundgang interessierten und dankte ihrem Kollegen Stefan Kiefer für die ausführliche Aufarbeitung der Biografie von Peter Schäfer. „In unserem Kollegenkreis gibt es neben Herrn Kiefer noch Hansi Rau und Frank Janzowski, die in ihrer Freizeit maßgeblich daran arbeiten, die Geschichte am und über das PZN aufzuarbeiten, dafür danke ich Ihnen im Namen der Geschäftsleitung“, so Roßberg, ehe Kiefer seinen rund zweistündigen Rundgang begann.

Der Pflegefachmann stand mit einem Korb, gefüllt mit Blumen, zwischen den Zuhörern und rief ihnen zu „Kaaf ma ebbes ab, scheene Blume fer die Gsellschaft.“ Dieser Ausspruch ist der wohl einzig überlieferte, der tatsächlich von Peter Schäfer stammte, wie Kiefer eingangs erwähnte.

Vita

Am 5. April 1875 wurde Schäfer in Plankstadt als uneheliches Kind Peter Berlinghof geboren. Er litt an Kretinismus als Folge einer schweren Schilddrüsenunterfunktion, was neben massiven körperlichen auch geistige Einschränkungen zur Folge hatte. In den 1890/1900er Jahren zogen Mutter und Sohn in die Quadratestadt, wenig später heiratete die Mutter Josef Schäfer, der Peter adoptierte, und das Paar bekam noch drei weitere Kinder. Die Eltern waren beide Tagelöhner, das Geld war immer knapp, und um den Lebensunterhalt aufzubessern, schickten die Eltern den kleinwüchsigen (120 cm groß) Peter mit einem Blumenkorb in die Innenstadt und in die Kneipen, wo er eben jenen Satze prägte „Kaaf ma ebbes ab, scheene Blume fer die Gsellschaft.“

Dass der „Blumepeter“ aufgrund seiner Intelligenzminderung und eines Asthmaleidens nicht fließend sprechen, geschweige denn Witze erzählen oder reimen konnte, ist nachweislich bekannt - er war aber fälschlicherweise berühmt damit geworden. Diese Witze kursierten bis in die 1970er Jahre in den Schulklassen, die meist frei erfunden waren. Schäfer war zwar schlagfertig, aber nicht witzig. Im Laufe der Zeit wurde auch der Karnevalsclub Feurio auf Peter aufmerksam, lud ihn zu seinen Sitzungen ein und ließ ihn als „Maskottchen“ auf den Umzügen mitfahren. Mehr und mehr war der Mann Hohn und Spott ausgesetzt, was er wohl bemerkte und sich jähzornig und bisweilen garstig seinen Mitmenschen zeigte.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Lebensumstände der Menschen immer karger und niemand hatte mehr Geld, dem Peter Blumen abzukaufen. Und so wurde auch für ihn das Leben immer schwieriger. Nach dem Tod der Eltern kümmerte sich seine Schwester zunächst um ihn, doch 1919 wurde durch einen Amtsarzt die Einweisung in die Kreispflegeanstalt in Weinheim veranlasst, in der er 10 Jahre verbrachte, ehe er am 19. November 1929 in die Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch verlegt wurde. „Zu der damaligen Zeit gab es weder Psychopharmaka oder psychotherapeutische Ansätze, stattdessen wurden die Patienten mit Dauer-, Schreck- und Wechselbädern behandelt“, so Stefan Kiefer.

Dunkles Kapitel

Mit dem Beginn des Nazi-Regimes begann die dunkelste Geschichte in der Psychiatrie, und das PZN galt als Musteranstalt im badischen Raum. Zwangssterilisationen waren an der Tagesordnung, Zwangsverschickungen in die Tötungsanstalten Hadamar und Grafeneck in den „grauen Bussen“ üblich.

„Lange war unklar, ob auch Peter Schäfer einer dieser Maßnahmen zum Opfer fiel. Doch aus Zeitzeugenberichten und Unterlagen aus der Zeit ist davon auszugehen, dass er 1940 eines natürlichen Todes aufgrund seiner zahlreichen Erkrankungen gestorben ist“, so Stefan Kiefer. Dieser Aussage stimmten auch die anwesenden Hansi Rau und Frank Janzowski zu. In seinen letzten Jahren war der „Blumepeter“ in der Arbeitstherapie und später als Rosshaarzupfer beschäftigt.

Am 15. Juni 1940 verstarb er und wurde auf dem Anstaltsfriedhof beigesetzt, wie auch im Laufe der vielen Jahre Patienten, Bewohner des Heimbereichs, Mitarbeiter, leitende Direktoren, aber auch Zeitzeugen und Opfer einer wechselhaften und in den Weltkriegsjahren dunklen Psychiatriegeschichte. Sein Grab ist bis heute immer wieder mit Blumen geschmückt.

Inklusion

Heute hätte das Leben von Peter Schäfer einen anderen Verlauf genommen. Wenn man an die vielen Einrichtungen der Lebenshilfe Wiesloch oder anderer psychiatrischer Einrichtungen denkt, wären ihm Möglichkeiten geboten worden, die seinen geistigen Fähigkeiten entsprochen hätten oder er wäre in einer Werkstatt einer ihm angemessenen Tätigkeit nachgegangen. Heute werden Menschen mit Handicaps in unserer Gesellschaft integriert und nicht ausgeschlossen, dank eines breit angelegten Inklusionsgedanken. „Doch damals war er eine bedauernswerte Figur, aber er ist damit berühmt geworden.“

Im Anschluss an den fundierten Vortrag legten die Zuhörenden an die Gräber des Waldfriedhofes die mitgebrachten Blumen gegen eine Spende ab, so wie der „Blumepeter“ in Mannheim immer unterwegs war ‚kaaf ma ebbes ab‘.

Mehrere Bücher erinnern an das Schicksal vom „Blumepeter“, die Mannheimer Karnevalsgesellschaft Feurio hat ihm auf den Kapuziner-Planken ein Denkmal gesetzt und bis zu Corona wurde jährlich das Blumepeter-Fest in der Quadratestadt gefeiert. Seit 2023 hat Peter Schäfer auch in seiner Heimatgemeinde Plankstadt eine Würdigung erhalten. In Sichtweite zu seinem Geburtshaus wurde ein Sandsteindenkmal in einer kleinen Anlage aufgestellt.

Erscheinung
Wieslocher Woche
NUSSBAUM+
Ausgabe 15/2025

Orte

Mannheim
Plankstadt
Wiesloch
von Redaktion NUSSBAUMChristine Schwab
08.04.2025
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto