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Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus

Am Donnerstag, dem 8. Mai 2025, jährten sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Aus diesem...
Foto: Gemeinde Urbach

Am Donnerstag, dem 8. Mai 2025, jährten sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass veranstaltete die Gemeinde Urbach zusammen mit dem Geschichtsverein eine Gedenkveranstaltung im Mehrzweckraum der Atriumhalle.

Die mehr als 100 Urbacher und Urbacherinnen, die die Veranstaltung besuchten, und dafür sorgten, dass der Raum an seine Kapazitätsgrenze stieß, machten deutlich, dass in Urbach die Kultur des Erinnerns, die Bereitschaft zur Reflexion über die historischen Ereignisse, und die Notwendigkeit, den Opfern des nationalsozialistischen Terror-Regimes zu gedenken, einen hohen Stellenwert hat.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte die Bürgermeisterin Martina Fehrlen die Gäste, und erinnerte an das unfassbare Grauen und das Leid, das durch den Zweiten Weltkrieg verursacht wurde. Einem Vernichtungskrieg, der weite Teile Europas in Trümmer legte, Millionen Menschen entwurzelte, Familien auseinanderriss und unzählige Leben vernichtete. Ein Krieg, der weltweit über 60 Millionen Menschen das Leben kostete. Der 8. Mai, so Martina Fehrlen, markiere das Ende eines verbrecherischen Regimes. Das Ende von Unrecht, Gewalt und totalitärer Herrschaft und den Beginn eines langen, schmerzhaften Weges der Aufarbeitung, der Versöhnung und des Neuanfangs.

Die Bürgermeisterin dankte Joachim Wilke, dem Vorsitzenden des Geschichtsvereins, für seine eindrucksvolle Recherche, die Wochen vor und nach dem Kriegsende in Urbach zu rekonstruieren, und sie zu einem Vortrag zusammenzufügen. Und sie dankte ganz besonders den Zeitzeugen Inge Haase, Rudolf Beck, Werner Daiss und dem leider kürzlich verstorbenen Paul Hardter, die Joachim Wilke befragt hatte, für ihre Bereitschaft, ihre Erinnerungen mit uns zu teilen.

80 Jahre Frieden, so Martina Fehrlen, seien ein Geschenk – aber auch ein Auftrag. Im erinnernden Bewahren Verantwortung zu übernehmen, für eine Gesellschaft, in der die Menschenwürde unantastbar ist, weil sie Zeugnis unserer gelebten Menschlichkeit ist. Denn, so ihr abschließendes Zitat eines Philosophen: „Die Erinnerung ist das Gewissen der Menschheit.“

Danach ergriff Joachim Wilke das Wort, und hielt einen Vortrag, der den Bogen spannte, von 1944, als die unausweichliche Niederlage sich durch die Bombardements in Stuttgart abzuzeichnen begann, bis zum Einmarsch der amerikanischen Truppen in Urbach am 21. April 1945, und dem Beginn der Nachkriegszeit.

In einer dichten, erzählerischen Form, die nicht nur die Chronologie der Daten und Fakten aufzählte, sondern das Geschehen von damals auch ein Stück weit emotional nachvollziehbar machte, schilderte er die Ereignisse, die in Urbach auf das nahende Kriegsende im Frühjahr 1945 zuführten. Angefangen mit den sich immer mehr häufenden Luftangriffen, über die Aufstellung einer Volkssturmeinheit, bestehend aus Veteranen des Ersten Weltkriegs und Hitlerjungen, bis zu den Vorbereitungen auf den Einmarsch der US-Truppen. Einen Schwerpunkt seiner Schilderung legte Joachim Wilke auf die dramatischen Ereignisse am 20. und 21. April 1945, als das 398. Infanterieregiment der US-Armee vor dem Einmarsch die Oberurbacher Ortsmitte mit Granaten beschoss, um eine Panzersperre, die auf der Mühlstraße bei der Afrakirche aufgebaut war, zu beseitigen. Bei diesem Beschuss mit etwa 30 Granaten wurden im Bereich Mühlstraße, Kirchgasse und Wittumstraße zahlreiche Gebäude getroffen und zwei Frauen – die 21-jährige Martha Schiek und Wilhelmine Schaal – fanden den Tod. Die Schilderung dieser tragischen Momente war besonders eindringlich, da Joachim Wilke sie auch in den Worten von Inge Haase wiedergab, die als Tochter von Wilhelmine Schaal den Tod ihrer Mutter unmittelbar erlebte und die als Zeitzeugin zu den Gästen der Veranstaltung gehörte. Aus Wilkes Schilderung der ersten Tage und Wochen der Besatzungszeit wurde auch deutlich, wie planlos und chaotisch der Übergang in die Nachkriegszeit begann, bis dann nach einigen Wochen erste Strukturen etabliert waren, wie z. B. eine vorläufige Verwaltung und ein funktionierendes Bezugssystem für Lebensmittel. Die Besatzungszeit dauerte in Urbach bis zum 12. Dezember 1948.

Joachim Wilke fasste diese Zeit wie folgt zusammen: „Es war eine Zeit des Neuanfangs und des Übergangs, eine Zeit des Mangels und der Abrechnung, eine Zeit, in der in Urbach etwa 1.800 Vertriebene innerhalb eines Jahres in die Gemeinde aufgenommen wurden und eine Zeit, in der durch eine Währungsreform die Karten neu gemischt wurden.“ Und er wies darauf hin, dass diese Zeit bis 1949 ein Kapitel der Urbacher Geschichte ist, das noch darauf wartet, geschrieben zu werden.

Abschließend erinnerte er an die zahlreichen Urbacher und Urbacherinnen, die dem Zweiten Weltkrieg und dem Terrorregime des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind. An Wilhelmine Schaal, Martha Schiek und Gottlob Krauss. An die Soldaten aus Ober- und Unterurbach, von denen 160 Männer gefallen und 81 vermisst geblieben sind. An die mindestens 13 Urbacher Kinder, Frauen und Männer, die im Rahmen der NS-„Euthanasie“ ermordet wurden. An eine junge Frau, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens des Holocausts zum Opfer fiel. An einen jungen Mann, der kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Neckarelz ums Leben kam. Und an die Opfer der nationalsozialistischen Eugenik. Joachim Wilke betonte aber auch, dass unser Gedenken ebenso den Angehörigen der alliierten Truppen gehöre, die unser Land vom Nationalsozialismus befreit haben. Er schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Der Entschlossenheit der westlichen Alliierten und deren Bereitschaft, ihr Leben in die Waagschale zu werfen, verdanken wir unser nun seit 80 Jahren währendes Leben in Frieden und Freiheit in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen."

Die Rede steht auch auf der Homepage der Gemeinde zum Download bereit:

www.urbach.de/unsere-gemeinde/Geschichte/Urbach-Literatur

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Urbacher Mitteilungen
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Ausgabe 21/2025
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