Dass es in den Jahren 1933 bis 1945 auch in Baltmannsweiler wie in allen Gemeinden des sogenannten „Dritten Reichs“ massive Repressalien gegen Andersdenkende und Kritiker von Regimemaßnahmen gab, davon zeugt die kleine Stichstraße in der Schurwaldsiedlung, die seit 1993 nach Bernhard Grimm benannt ist. Der Zusatz zum Straßenschild informiert Passanten knapp über den Namensgeber.
In Blankenloch bei Karlsruhe kam am frühen Nachmittag des 14. Mai 1923 Bernhard Friedrich als erstes von zwei Kindern des Landwirts Karl Wilhelm Grimm und seiner Ehefrau Magdalene Jakobine (geborene Mez) zur Welt, die er nach 19 Jahren wieder verlassen sollte. Die Eheleute hatten am 1. Februar 1919 in dem Ort geheiratet, der von dort stammende Bräutigam war 40, die aus Graben gebürtige Braut 34 Jahre alt. Am 20. Oktober 1924 folgte in Karlsruhe noch ihr Sohn Karl. Die Anfang Februar 1940 von Ebhausen (Landkreis Calw) nach Baltmannsweiler zugezogene Familie gehörte zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die sich trotz Verbotes in Württemberg in den Schurwaldgemeinden nach 1935 entwickelte. Der Vater der beiden Jungen war bereits in den ersten Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft wegen seiner Überzeugung diskriminiert worden, hatte erst ein gutgehendes Café mit Pension bei Freudenstadt und dann ein Einzelhandelsgeschäft bei Nagold aufgeben müssen.
Für die Zeugen Jehovas galt, dass göttliches Recht weltliches Recht bricht, so lehnten sie es beispielsweise ab, den „Führer“ der NSDAP mit dem Gruß „Heil Hitler“ zu ehren. Auch den im Jahr 1935 eingeführten Wehrdienst akzeptierten sie nicht und kamen infolgedessen mit der damals propagierten Idee der sogenannten „Volksgemeinschaft“ in ernsthaften, ja oft tödlichen Konflikt. Am Ostersonntag 1942 erhielt Bernhard (in der Familie „Bernde“ genannt), der in der Reichenbacher Straße 30 wohnte, das Einberufungsschreiben, er sollte sich bei einer Wehrmachtseinheit in Ludwigsburg-Oßweil melden. Bei der Einteilung der Rekruten auf dem Kasernenhof am 15. April trat er vor und erklärte, den Militärdienst wegen des Gebots „Du sollst nicht töten“ zu verweigern. Er wurde sogleich verhaftet und kam in Kasernenarrest. Bei der richterlichen Vernehmung am 26. Mai blieb er bei seiner Weigerung, erklärte sich aber zum Dienst als Sanitäter oder Monteur bereit. Den sogenannten Führereid könne er aber nicht leisten. Daraufhin wurde er in der Hauptverhandlung am 14. Juli 1942 vom Berliner Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und über einen Monat später am 21. August im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet. Auch der evangelische Militärpfarrer Werner Jentsch konnte den von den Gefängniswächtern als „unbelehrbaren Bibelforscher“ bezeichneten Grimm im Zuchthauskeller wenige Stunden vor dem Tod des jungen Mannes nicht umstimmen. Als jüngster Todeskandidat betrat Grimm als Erster den Hinrichtungssaal, der provisorisch in einem Schuppen angelegt war, und ging offenbar gefassten Schrittes die schwere Stiege hoch.
In der Haft vor seinem Tod hatte er zahlreiche Briefe und Gedichte geschrieben, denn als Kriegsdienstverweigerer war ihm im Gegensatz zu anderen Gefangenen der Besitz von Schreibpapier gestattet gewesen. Wenige Stunden vor der Hinrichtung schrieb er an seine Familie, es sei sein freier Wille, „unserem Schöpfer die Treue mit dem Leben zu besiegeln“. Dank des Opfertods Jesu Christi vertraue er fest auf ein ewiges Leben und ein baldiges Wiedersehen mit seinen Angehörigen, denen er für das ihm erwiesene Gute und Liebe danke. Der 19-Jährige versicherte ihnen, dass er glücklich und in Frieden von der Welt scheide. Auch Besuche seiner Eltern (sogar „mit Umarmung“ gestattet) und seines Bruders Karl hatte er in der Zeit seiner Haft erhalten. Knapp zwei Monate nach der Hinrichtung des älteren Bruders bekam auch Karl den Stellungsbefehl. Er erklärte sich zum Eid auf den Führer und Kriegsdienst ohne Waffe bereit, wurde aber trotzdem vom Berliner Reichskriegsgericht am 18. Februar 1943 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Monate saß er in Berlin-Tegel in Haft, dann wurde die Strafe bis Kriegsende ausgesetzt. Er überlebte und heiratete 1950 in Schwetzingen.
Bernhard Grimm war einer von 282 wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichteten Zeugen Jehovas, weitere 55 Verweigerer kamen in der Haft oder in Strafeinheiten ums Leben. Immerhin widmete die 1999 erschienene Ortsgeschichte Baltmannsweilers seinem Schicksal einen wenn auch nur knappen Abschnitt. (auh)