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//Geführte Hüttenwanderung in Enzklösterle//

Unverhofft kommt oft Geführte Hüttenwanderung in Enzklösterle – so lautet die Beschreibung und macht mich doch ziemlich neugierig. Was sich dahinter...
Stefan Waidelich (rechts) erzählt den Urlaubsgästen Wissenswertes über Heidelbeeren.
Stefan Waidelich (rechts) erzählt den Urlaubsgästen Wissenswertes über Heidelbeeren.Foto: Maren Moster

Unverhofft kommt oft

Geführte Hüttenwanderung in Enzklösterle – so lautet die Beschreibung und macht mich doch ziemlich neugierig. Was sich dahinter verbirgt? Ich meldete mich an und wanderte kurzerhand mit.

Der Service der Touri-Info für die Gäste, die in Enzklösterle Urlaub machen, wird in den Sommermonaten jeden Freitag angeboten. Los geht's jeweils um 10.30 Uhr vor der Touri-Info Enzklösterle. Wer sich bis Donnerstag um 12 Uhr anmeldet, steht auf der Liste und darf mitwandern.

Die Wanderführer sind dabei immer unterschiedlich. An diesem Freitag führt Förster Stefan Waidelich die Gäste durch "seinen" Wald. Dabei sind Martina und Frank aus dem Saarland – treue Enzklösterle-Gäste, die seit 15 Jahren Urlaub im Heidelbeerdorf machen, Frank kommt sogar zwei Mal im Jahr nach Enzklösterle. Beim zweiten Mal hat er statt seiner Frau seine Männergruppe und sein Fahrrad dabei. Ebenfalls mit Rucksack und Wanderschuhen ausgerüstet ist an diesem Freitagvormittag Margit aus Dortmund, die mit ihrem Mann Tom zwei Wochen Urlaub im Schwarzwald macht und mit dem Wohnmobil ein paar Tage auf dem Campingplatz Müllerwiese verbringt. "Es ist so schön hier, wir würden am liebsten länger bleiben. Das ärgert mich jetzt fast, dass wir nur so kurz gebucht haben", sagt sie und fügt gleich hinzu: "Wir kommen nächstes Jahr sicher nochmals." Das Heidelbeerdorf entdeckt hat das Ehepaar aus Dortmund im Winter, als sie Urlaub in Baiersbronn gemacht haben. An der Hüttenwanderung nimmt Margit ohne ihren Mann teil. Warum? Der ist auf dem Campingplatz geblieben und schont seinen Fuß. "Er hat sich gestern den Fuß verdreht", erklärt sie.

Wissenswertes rund um das blaue Gold

Dann geht es auch schon los. Die Wanderschuhe fest geschnürt, den Rucksack gesattelt – und alle laufen Förster Waidelich hinterher. Erster Haltepunkt ist vor dem Schaufloß im Kurpark. Hier erzählt er von früher, davon, wie arm Enzklösterle und die Region war, wie das alles mit der Flößerei vonstattenging und was es mit der Holländertanne auf sich hat. "Das war früher natürlich eine Riesenaufgabe, 30 Meter lange Tannen mit einem Durchmesser von 40 Zentimeter nach Amsterdam zu bringen", erzählt Waidelich und meint: "Aber das hat viel Geld gebracht." Der Weg führt vorbei am Heidelbeerhaus, wo die Wandergruppe auch einen Halt einlegt und viel über Heidelbeeren, die Zupfmethoden und sonstiges Wissenswertes rund um das blaue Gold erfährt.

Blick in die Vergangenheit

Wer sich fragt, wieso es in Enzklösterle ein Heidelbeerhaus gibt, der muss den Blick in die Vergangenheit lenken – dann wird einiges klarer. Die Einwohner von Enzklösterle betrieben aufgrund der geologischen Lage wenig Ackerbau, sie lebten vor allem von der Holzwirtschaft – und zwar mehr schlecht als recht, so dass sie auf Zusatzeinnahmen, wie dem Verkauf von selbst gepflückten Heidelbeeren angewiesen waren.

In Enzklösterle gab es Heidelbeerferien

Die kleinen blauen Beeren aus dem Wald sicherten tatsächlich in früheren Zeiten den Lebensunterhalt ganzer Familien – zumindest im Sommer. Die Einwohner der Enztalgemeinde zupften deshalb jahrhundertelang Heidelbeeren und brachten sie in „Zainen“ oder „Kratten“ ins Dorf. Und zwar in richtig großen Mengen. 1000 bis 2000 Zentner kamen in jedem Sommer um die Jahrhundertwende zusammen. Abends bezahlte der Händler 20 Pfennig für das Pfund. Die Gesamteinnahmen der Jahresernte beliefen sich auf rund 40.000 Mark. Dies entsprach dem Bau von vier bis fünf Einfamilienhäusern in jener Zeit. Der Stundenlohn eines Holzhauers betrug damals 50 Pfennig, am Tag etwa 4,50 Mark. Gute Pflückerinnen brachten es am Tag auf 50 bis 60 Pfund „gezopfte“ Beeren. Das erklärt übrigens den Beinamen „blaues Gold“. Die Kinder erhielten zwischen Ende Juni und Mitte August bis zu vier Wochen Heidelbeerferien, damit sie schon frühmorgens gemeinsam in den Schwarzwald aufbrechen konnten. Und so machten sich große und kleine Heidelbeerpflücker mit einer sogenannten Reffe (Heidelbeerkamm) an die Arbeit. Die Reffe war allerdings erst am Ende der Ernte erlaubt, um keine grünen Beeren abzustreifen. Und auch dann durfte sie nur von geübten Pflückerinnen benutzt werden. Nach seinen liebsten Heidelbeeren befragt, sagt Stefan Waidelich: "Die mit Schokolade umhüllt ..." Nach all den vielen Heidelbeerinfos führt der Weg jetzt weiter auf dem Heidelbeerweg.

Fast wie im Zauberwald

Nach dem Überqueren der Hauptstraße geht’s links über den Aichelberger Weg in den Wald. Der Weg ist noch wenig spektakulär – doch bald schon biegen wir in den kleinen Wanderpfad mit Steinen und Wurzeln ein und schrauben uns so weiter hinauf.

So weit das Auge reicht, bedecken bald Heidelbeerbüsche den Waldboden. Wie kleine Perlen hängen hier zur Heidelbeerzeit die kleinen blauen Früchte am Strauch. In diesem Jahr gab es allerdings wenige davon. Der Frost war zur falschen Zeit am falschen Ort. Nur weiter oben in Kaltenbronn war die Heidelbeerernte wohl ganz gut.

Erfrischt, ausgeruht und gut gelaunt

Ein Genuss ist der Heidelbeerweg trotzdem: Am Schöllkopf wirkt die Natur wie eine verwunschen wirkende Märchenszenerie. Einzelne Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg durch die Baumkronen wie Scheinwerferlicht, das den Blick auf die Schönheit der Natur lenkt. Fast wie im Zauberwald gelangen wir über schmale moosbewachsene Felslandschaften auf das Schöllkopfplateau auf 800 Höhenmeter und schließlich zur Heidelbeerplattform, auf der man sich auch trauen lassen kann. Deshalb stehen die Bänke hintereinander und es gibt ein hölzernes Rednerpult. Heiraten möchten wir nicht – schon eher das fast wie von Geisterhand hergezauberte Essen verspeisen. Schäufele und Kartoffelsalat vom Gasthof "Löwen", das Margot und Walter Knaus im Auto gebracht haben und sich auch mit zur Wandergruppe dazusetzen, um den Gästen von ihrer Heimat Enzklösterle zu erzählen. Interessiert hört hier auch ein älteres Ehepaar zu, das an diesem Freitag den Heidelbeerweg wandert und in Niefern wohnt. Man kommt ins Gespräch und es stellt sich heraus: Das Ehepaar hat heute Hochzeitstag. Da lassen sich Stefan Waidelich, Margot und Walter Knaus nicht lumpen und laden die beiden kurzerhand ein, am Tisch Platz zu nehmen und mit der Wandergruppe zu essen. Den beiden ist das zunächst noch ein wenig peinlich, schließlich lassen sie sich darauf ein und ich höre, wie sie sagen, als sie nach dem für sie unverhofften Mittagessen auf der Heidelbeerplattform weiter laufen: "Also die in Enzklösterle sind ja unglaublich nett. Das gibt's doch gar nicht. Das würde bei uns nie passieren." Unverhofft kommt also doch oft …

Gestärkt und beschwingt geht die Wanderung mit Förster Stefan Waidelich schließlich fast nur noch bergab hinunter ins Dorf und damit zurück zur Touri-Info. Allerdings fehlt Frank. Der ist unterwegs abgebogen ins Heidelbeerhaus. Die Lösung kommt wenige Minuten später: Frank überreicht Förster und an diesem Tag Wanderführer Stefan Waidelich ein Fläschchen Heidelbeerwein: „Es ist zwar keine Schokolade drumherum, aber wir hoffen, du magst es trotzdem.“ Ein zweites Mal heißt es hier: Unverhofft kommt oft … (mm)

Geführte Hüttenwanderungen

In Enzklösterle finden jeden Freitag noch bis Mitte September geführte Hüttenwanderungen statt. Los geht's um 10.30 Uhr an der Touri-Info Enzklösterle. Eine Anmeldung bis Donnerstag um 12 Uhr bei der Touri-Info 07085-7516 oder per Mail info@enzkloesterle.de ist dafür notwendig. Für Gäste mit Gästekarte ist die Teilnahme kostenlos, ohne Gästekarte 8 Euro. (mm)

Erscheinung
Wildbader Anzeigenblatt mit Calmbacher Bote und den Amtlichen Bekanntmachungen von Enzklösterle
NUSSBAUM+
Ausgabe 33/2024

Orte

Bad Wildbad
Enzklösterle
von Stadt Bad Wildbad
16.08.2024
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