
Top 3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Beitritt der Stadt Walldorf zum Rainbow Cities Network
Die Stellungnahme zu unserem Antrag kam von Stadträtin Nele Böhm.
Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Es ist Samstagnachmittag, die Sonne strahlt und die Sommerstraße ist gut besucht. Zwei Männer gehen Hand in Hand über die Drehscheibe. Einer der beiden trägt ein T-Shirt mit Regenbogenflagge darauf. Niemand starrt, niemand flüstert. Es ist einfach Teil des Stadtbilds. So sollte es sein, immer und überall. Und doch ist diese Selbstverständlichkeit vielerorts noch keine Realität.
Walldorf ist eine weltoffene Stadt. Viele Bürgerinnen und Bürger begegnen einander mit Respekt, denken inklusiv und handeln solidarisch. Diese Haltung erleben wir in Vereinen, in Schulen, in Nachbarschaften. Sie ist da und sie prägt unser Miteinander. Umso wichtiger ist es, dass wir diese Grundhaltung jetzt auch politisch deutlich machen und ihr öffentlich Raum geben. Denn Toleranz muss gepflegt, gelebt und immer wieder verteidigt werden. Es geht darum, dass Menschen spüren: Ich bin hier richtig. Ich werde gesehen.
In diesem Sinne beantragen wir, dass Walldorf dem Rainbow Cities Network beitritt, einem Zusammenschluss von Städten in Europa, die sich gemeinsam für gleiche Rechte und faire Teilhabe von LSBTIQ+-Menschen engagieren. Es liefert praktische Impulse und begleitet Städte aktiv dabei, queere Perspektiven in Verwaltungshandeln, Stadtpolitik und öffentliche Strukturen einzubringen.
Queere Menschen erleben in Deutschland Ausgrenzung, Stigmatisierung und sogar körperliche Gewalt. Es wäre naiv zu glauben, solche Vorfälle gäbe es nur in Großstädten. Gerade in Kleinstädten, auch in Walldorf, werden Menschen wegen ihrer Identität beleidigt, ausgegrenzt oder bedroht. Wer das ignoriert, verschließt die Augen vor einer Realität, die längst mitten unter uns angekommen ist. In Schulen, in Vereinen, in Betrieben, in Familien, überall dort, wo Vielfalt nicht selbstverständlich ist, sondern verteidigt werden muss. Gleichzeitig sehen wir, wie politische und gesellschaftliche Kräfte gezielt versuchen, queere Lebensrealitäten zurückzudrängen. Queere Sichtbarkeit wird als übertrieben oder ideologisch abgewertet. Schlagworte wie Genderwahn und Umerziehung machen aus Rechten und Lebensrealitäten vermeintliche Bedrohungen. So entsteht ein gesellschaftliches Klima, in dem Ausgrenzung wieder als legitime Haltung gilt.
Hinzu kommt, dass selbst große Unternehmen sich zunehmend aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zurückziehen. Auch bei SAP, dem größten Arbeitgeber unserer Stadt, wurden in den USA zentrale Programme zur Förderung von Diversität, Inklusion und queerer Netzwerkarbeit gestrichen oder umbenannt, eine Reaktion auf den zunehmenden politischen Druck aus dem Umfeld von Donald Trump. Was auf den ersten Blick nach einer internen Entscheidung aussieht, ist Teil eines größeren Trends. Sobald der politische Gegenwind zunimmt, wird gesellschaftlicher Fortschritt zur Verhandlungsmasse.
Dieser Antrag ist mehr als ein Zeichen. Er ist Ausdruck einer Haltung. Und er stellt die Frage, ob Walldorf bereit ist, diese Haltung auch durch konkrete sichtbare Maßnahmen umzusetzen. Wir schlagen deshalb zusätzlich vor, eine barrierefreie, dauerhaft gestaltete Fläche in den Farben der LSBTIQ+-Community im öffentlichen Raum zu schaffen. Zum Beispiel eine Bank, ein Zebrastreifen oder eine gestaltete Fläche an einem zentralen Ort. Dieses Zeichen ersetzt nicht das politische Engagement für Gleichstellung, sondern ergänzt es auf sinnvolle Weise. Es schafft einen konkreten Ort der Zugehörigkeit, der Orientierung und der Ermutigung. Die Umsetzung soll mit lokalen Akteurinnen und Akteuren wie der KIKUSCH oder PLUS e. V. erfolgen. In einer politischen Landschaft, in der Vielfalt immer häufiger zur Zielscheibe wird, braucht es klare Stimmen. Stimmen, die nicht wegschauen, sondern aufstehen, deutlich, hörbar und mit Haltung. Walldorf hat mit diesem Antrag die Möglichkeit, sich nicht nur einem starken europäischen Netzwerk anzuschließen, sondern auch hier vor Ort Verantwortung zu übernehmen. Für eine Stadt, in der Vielfalt nicht als Problem gesehen wird, sondern als Stärke.
Wir bitten Sie daher, werte Kolleginnen und Kollegen, diesem Antrag zuzustimmen. Nicht aus Symbolik, sondern aus Überzeugung. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
