Die Zeit naht, in der 80 Jahre nach Kriegsende und dem Geschehen davor besonders zurückgeblickt wird. Es entsteht deshalb gerade unter der Regie von Schuldekan Thorsten Trautwein und dem Nagolder Realschullehrer Gabriel Stängle ein Buch, an dem ein Dutzend Autoren die NS-Herrschaft und ihre Folgen aus verschiedenster Sicht aufarbeiten. Aus diesem Anlass hat der Autor dieses Beitrags ein handgeschriebenes Dorfbuch aus Neuweilers Ortsteil Zwerenberg ausgewertet. Dabei ist er auf eine vom damaligen Bürgermeister des Dorfs, Friedrich Lang, handschriftlich geführte, beeindruckende Chronik gestoßen.
Langs fast 20 Jahre wirkender Vorgänger Johann Georg Seeger war in den Ruhestand getreten. Anschließend wirkte Lang ohne Unterbrechung bis 1966 als Rathauschef. In der Dorfchronik des damals knapp 300 Einwohner zählenden Orts schreibt er am 3. Januar 1943: „Weihnachten und Neujahr sind bereits vorüber. Wir haben diese Feste unter den kriegsbedingten Verhältnissen erlebt. Hitlerjugend [HJ] und Bund Deutscher Mädels [BDM] haben seit zwei Monaten sehr eifrig Spielwaren zu Weihnachten für die Kinder angefertigt und wurden diese am Sonntag vor Weihnachten zu Gunsten des Kriegs-Winterhilfswerks des deutschen Volkes verkauft und konnte die schöne Summe von 600 RM an den Kreisbeauftragten nach Calw abgeliefert werden.“
Ein trauriges Kapitel schlägt Lang am 20. Januar 1943 auf: „Leider traf am 18. Januar wieder die traurige Nachricht von der Ostfront ein, dass Johann Georg Wurster, Sohn der Katharine Wurster, Witwe, am 2. Januar 1943 dort vor Leningrad gefallen sei. Er hatte in Calw das Metzgerhandwerk erlernt und stand mit noch drei Brüdern in der Deutschen Wehrmacht.“Am 1. März 1943 ist zu lesen: „Von der Ostfront kam die Nachricht, dass Martin Wurster, ein weiterer Sohn von Katharine Wurster, Witwe, bei seiner Truppe vermisst werde.“ Im Juni wird von Urlaubern berichtet, die auf Pfingsturlaub eingetroffen sind: „Blaich Theo von der Ostfront, sein Bruder Fritz zurzeit in Nagold im Lazarett ist verwundet an beiden Armen; Oberlehrer Schwenk, der wieder nach Mühlheim in Baden einberufen wurde und jetzt noch in der Ausbildung ist; Pfarrer Tag, der jetzt wieder bei einer Panzereinheit in Sachsen steht; Ottmar Fritz kommt von einem Lazarett am Rhein.“
Am 25. April 1944 heißt es nach einem milden Januar und schneereichen Februar, wo der „Bahnschlitten achtspännig gefahren werden musste“ und „sämtliche Männer, die noch zu Hause sind“, Schnee schaufeln mussten: „Bei ziemlich trockenem, anhaltendem Frühjahrswetter führen unsere Feinde ihre Luftangriffe zurzeit wieder stärker aus. Gestern Mittag, 13 Uhr, überflogen uns mehrere Gruppen. Es entstanden Luftkämpfe. In Allmand […] stürzte eine ME 109 ab. Der Pilot, ein Unteroffizier Ostermaier, konnte sich mittels Fallschirm ohne jede Verletzung retten. Ein entstandener Waldbrand wurde durch entschlossenes Zugreifen der von allen Seiten herbeieilenden Männer rasch gelöscht.“
Am 2. Januar beginnen die Aufschriebe; 1945: „Fortwährend Übungen für den Volkssturm werden befohlen, restlos erfasst sind sämtliche Personen von 16 bis 60 Jahren, ob gesund oder krank. Es ist entsetzlich, mit anzusehen, wie alte und gebrechli[che], ausgeschaffte Männer noch zum Dienst gezwungen werden. Da hier sich niemand als Führer für den Volkssturm bereit erklärt, kommt die Führung nach Martinsmoos, wo jetzt auch der Ortsgruppenleiter der NSDAP ist, mit Namen Hans Bürkle, als Kompanieführer des Volkssturms funktioniert Heinrich Gabel, der Bat.-Führer ist ein Seitz aus Altensteig, der stramme Durchführung der Befehle verlangt. Auch hier müssen einige Männer, Jakob Dürr, Adam Bäuerle, Fritz Wackenhut, an Lehrgängen in Horb und Kornwestheim teilnehmen.“
Am 10. Januar 1946, nach der französischen Besetzung Zwerenbergs im April des Vorjahres, schreibt Lang, dass es ihm „aus besonderen Gründen“ nicht möglich sei, die Aufzeichnungen von 1945 fortzuführen. Vielleicht sei es später möglich, „diese furchtbaren Erlebnisse aus dem Zusammenbruch des Hitlerreichs noch niederzuschreiben“. Am Rand steht später: Dann trägt er im Mai 1950 unter dem 4. April 1945 zu deutschen Einheiten auf dem Rückzug nach: „Ein Pferdelazarett mit 120 Pferden kommt an, fast gleichzeitig eine Infanterieeinheit Böcka, mit diesem Hauptmann erlebte ich eine entsetzliche Auseinandersetzung, dass er mir drohte, er werde mich umlegen lassen, weil ich auf dem Rathaus gesagt hätte, die Frauen und Mädchen sollen sich nicht, wegen zu befürchtender Krankheiten, mit den Soldaten einlassen; er behauptete, dazu hätten sie ein Recht, weil sie an der Front gestanden hätten.“