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Gisela Sextroh aus Neckargemünd feiert ihren 100. Geburtstag

Ein Jahrhundert-Leben: „Jeden Morgen ein Teelöffel Honig“ Ein ganzes Jahrhundert voller Erinnerungen, Erlebnisse und Herausforderungen: Gisela Sextroh,...
Gisela Sextroh feierte ihren 100. Geburtstag im Kreise ihrer Familie.
Gisela Sextroh feierte ihren 100. Geburtstag im Kreise ihrer Familie.Foto: du

Ein Jahrhundert-Leben: „Jeden Morgen ein Teelöffel Honig“

Ein ganzes Jahrhundert voller Erinnerungen, Erlebnisse und Herausforderungen: Gisela Sextroh, geborene Schauss, feierte am Sonntag ihren 100. Geburtstag. Ein bewegendes Ereignis, nicht nur für die Jubilarin selbst, sondern auch für ihre Familie und Freunde.

Am 6. April 1925 erblickte sie in Duisburg-Hamborn, Marxloh das Licht der Welt. Ihr Vater, Pfarrer Friedrich Schauss, und ihre Mutter Ella, geborene Montel, zogen schon bald nach ihrer Geburt mit ihr und ihren vier Geschwistern nach Düsseldorf, wo ihr Vater ein Kinderheim leitete. Gisela erinnert sich mit Freude an ihre unbeschwerte Kindheit dort, an Streifzüge entlang der Düssel und an viele Freunde.

Rippenfellentzündung mit 14 Jahren

Doch das Leben brachte immer wieder einschneidende Veränderungen mit sich. 1933 musste das Heim geschlossen werden, und die Familie zog nach Winningen an der Mosel, wo ihr Vater eine neue Pfarrstelle antrat. Dort besuchte sie die Grundschule und fühlte sich in dem kleinen Dorf sehr wohl. Ihr Bildungsweg führte sie mit zehn Jahren an ein Gymnasium in Koblenz. Mit 14 Jahren wurde ihr Lebensmut auf eine harte Probe gestellt: Eine eitrige Rippenfellentzündung setzte sie monatelang außer Gefecht, doch sie erholte sich und konnte nach Weihnachten wieder am Unterricht teilnehmen, ohne eine Klasse wiederholen zu müssen.

Vater entging nur knapp der Deportation

Zur gleichen Zeit musste ihre Familie eine dramatische Situation durchstehen. Ihr Vater geriet 1940 wegen einer positiven Äußerung über Juden ins Visier der Nationalsozialisten, wurde inhaftiert und konnte nur durch Fürsprache knapp der Deportation entgehen. Die Familie wurde des Landes verwiesen – noch heute erinnert ein Stolperstein vor dem Pfarrhaus an dieses Unrecht. In Stuttgart fand die Familie eine neue Bleibe und Tochter Gisela schloss ihr Abitur ab.

Unmenschliche Behandlung von Zwangsarbeitern

Ihr Wunsch, Landwirtschaft zu studieren, wurde ihr aus gesundheitlichen Gründen verwehrt. Doch anstatt sich davon entmutigen zu lassen, schlug sie einen neuen Weg ein: Sie machte eine hauswirtschaftliche Lehre und sammelte Erfahrungen im landwirtschaftlichen Bereich im Schloss Gut Schaubeck in der Nähe von Marbach am Neckar. Dabei wurde sie Zeugin der unmenschlichen Behandlung von Zwangsarbeitern – eine Erfahrung, die ihr Gerechtigkeitsempfinden prägte. Ihre Lehre der ländlichen Hauswirtschaft setzte sie in Hegnach Waiblingen 1945 bei Kaisers Pfefferminze fort.

Liebe des Lebens gefunden

Ihr Weg führte sie weiter an die Landfrauenschule in Neuss und später nach Wöltingerode. 1947 begann sie ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Wilhelmshaven, um Lehrerin für ländliche Hauswirtschaft zu werden. Nach einem Aufenthalt in Schweden und ihrem Referendariat im Norden unterrichtete sie in Bentheim und später in Oldenburg. Dort fand sie nicht nur ihre berufliche Bestimmung, sondern auch die Liebe ihres Lebens. Auf einem Schulball lernte sie Heinz Sextroh kennen, der Vorsitzender des Ehemaligenvereins der Landwirtschaftsschule war und einen kleinen Hof in der Nähe von Oldenburg bewirtschaftete. 1954 gaben sich die beiden das Ja-Wort.

Den Krebs besiegt

Gemeinsam bewirtschafteten sie ihren Hof mit Kühen, Schweinen, Geflügel und Schafen, während sie nach der Geburt ihrer drei Kinder wieder als Lehrerin arbeitete. Ein weiteres Mal stellte das Leben sie auf die Probe, als sie in den 1980er Jahren an Krebs erkrankte. Doch auch diese Herausforderung meisterte sie. Bis zum Tod ihres Mannes im Jahr 2016 lebten sie gemeinsam in ihrem Haus in Metjendorf. Ein dreiviertel Jahr später zog sie in die Nähe ihrer jüngsten Tochter nach Neckargemünd. Ihren 99. Geburtstag feierte sie noch einmal im geliebten Familienhaus in Oldenburg, das bis heute in Familienbesitz ist.

Puzzeln, Ausflüge, Rommé

Ein langes Leben voller Erinnerungen – doch was ist ihr Geheimnis? „Jeden Morgen ein Teelöffel Honig!“, verrät sie mit einem verschmitzten Lächeln. Nebenbei puzzelt sie gerne, verfolgt das Weltgeschehen im Radio und Fernsehen und genießt Ausflüge mit ihrer Familie. Auch neue Freundschaften schließt sie mit Leichtigkeit: Kürzlich lernte sie eine 95-jährige Dame kennen, mit der sie sich nun regelmäßig zum Rommé spielen trifft.

Nun feierte Gisela Sextroh ihren großen Ehrentag im Kreis ihrer drei Kinder, sieben Enkel und elf Urenkel. Sie hat ein Jahrhundert erlebt, das von unermesslichen Veränderungen geprägt war – und doch ist sie stets ihren eigenen Weg gegangen. (du)

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von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
09.04.2025

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