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Bundestagswahl 2025

Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner ringt ums Direktmandat

2021 hat Franziska Brantner den Wahlkreis Heidelberg erstmals für die Grünen gewonnen. Bei der anstehenden Wahl will sie das Direktmandat verteidigen.
Franziska Brantner will das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg verteidigen.
Franziska Brantner will das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg verteidigen.Foto: Elias Keilhauer

Franziska Brantner ist viel unterwegs. In politischen Schaltzentralen, auf Neujahrsempfängen von Wahlkreiskommunen oder beim Wahlkampf am Küchentisch. Sie ist Abgeordnete, parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und seit November 2024 gemeinsam Bundesvorsitzende der Grünen. Ob da noch Zeit für den Wahlkreis bleibt? „Natürlich habe ich jetzt auch noch andere Aufgaben. Es ist eine neue Verantwortung, gleichzeitig bin ich immer gerne hier und freue mich, mit den Menschen hier in den Austausch zu kommen“, erzählt Brantner im Gespräch mit der Hemsbacher Woche. Zu Hause in der Rhein-Neckar-Region hält sie sich gerne in der Natur auf, geht spazieren durch Weinreben, auf dem Blütenweg, am Neckar.

Konkrete Anliegen

Termine vor Ort gehören auch angesichts des vollen Terminkalenders weiterhin dazu, so wie etwa das Gespräch mit Bürgermeister Jürgen Kirchner vor einem Jahr. Für Brantner eine Möglichkeit, das Ohr bei den Kommunen zu haben. „Man bekommt die Informationen aus erster Hand – was gut läuft und was nicht. Es gibt immer sehr konkrete Anliegen“, so Brantner. In Hemsbach seien das beispielsweise Schulbau und Sanierung. „Solche Themen sind oft ortsspezifisch. Gleichzeitig bekomme ich dadurch natürlich auch ein allgemeines Gefühl dafür, wo der Schuh drückt, und was erwartet wird.“

Schwierige Haushaltslage in Kommunen

Die Erwartungen an die Bundespolitik sind dabei hoch. In den Kommunen sind die Klagen über zunehmende Pflichtaufgaben und gleichzeitig schlechte finanzielle Ausstattung kaum zu überhören. Berechtigte Kritik, wie Brantner findet. Um dem zu entgegnen, setze ihre Partei vor allem auf längerfristige Förderprogramme, wie zuletzt das Startchancen-Programm – dieses ist auf zehn Jahre und 20 Milliarden Euro angelegt. Mit einer längerfristigen Fördererkulisse gebe es für die Kommunen mehr Planungssicherheit und finanzielle Spielräume. „Kurzfristige Programme führen oft dazu, dass Antrags- und Abrechnungsprozesse zu viel Zeit in Anspruch nehmen und am Ende kaum Laufzeit bleibt. Hier hat Herr Kirchner völlig recht – wir brauchen mehr Langfristigkeit und weniger Kleinprojekte“, so Brantner.

Sanierungsprojekte finanzieren

Insbesondere bei Sanierungen und Infrastrukturausgaben stünden Kommunen vor gewaltigen Problemen. Die Kosten hierfür seien extrem hoch: „Wir sind überzeugt, dass Kommunen diese Aufgaben nicht allein aus laufenden Haushalten finanzieren können, und setzen uns deshalb für einen Deutschlandfonds ein, der genau diese kommunalen Sanierungsprojekte finanziert.“ Doch auch mit einer langfristigen Förderkulisse gebe es Herausforderungen. Insbesondere, wenn es zu Regierungswechseln kommt. Das könne die Kontinuität gefährden, erklärt die Grünen-Politikerin.

Bürokratie abbauen

Für Ärger in den Verwaltungen sorgt auch die überbordende Bürokratie. Um dem zu begegnen, sieht Brantner gleich drei Ansätze. Zum einen müsse man Gesetze ausmisten. Vor allem bei den erneuerbaren Energien sei da zuletzt viel gemacht worden, das müsse man nun auch in anderen Bereichen machen. Doch gehe es nicht nur um die Gesetzeslage, sondern auch um die praktische Umsetzung. „Mit unserem Föderalstaat sind wir da nicht gerade im Wettbewerbsvorteil. Deswegen setze ich mich für eine umfassende Staatsreform ein, bei der die Zuständigkeiten klarer verteilt werden“, sagt Brantner. Zuletzt müsse auch die Digitalisierung ambitionierter angegangen werden. Ziel der Grünen-Politikerin sei eine Deutschland-App, ähnlich wie man sie aus Estland kenne. Diese solle alle Behördengänge bequem ersetzen. „Das ist keine technische Hürde, sondern eine Frage des politischen Willens“, so Brantner.

Widerstände gegen Modernisierung

In puncto Digitalisierung scheint es an und für sich große Einigkeit unter vielen Politikern zu geben. Warum es trotzdem nur schleppend vorangeht? Brantner macht hierfür Vorgängerregierungen mitverantwortlich. Etwa beim Glasfaserausbau. Hier sei viel zu lange auf Kupferleitungen gesetzt worden, möglicherweise auch aus finanziellen Interessen verantwortlicher Politiker. Nun hinke man hinterher. „Wenn wir heute nicht massiv Glasfaser ausbauen, werden wir in fünf Jahren völlig abgehängt sein, sowohl technologisch als auch wirtschaftlich“, führt Brantner aus, „und ja, es gibt Widerstände – auf Bundesebene genauso wie in den Kommunen. Manche schrecken zurück, wenn Modernisierungen auf Widerstand stoßen. Aber ohne eine gute digitale Infrastruktur schaden wir uns selbst.“

Energiekosten niedrig halten

Viele Menschen haben derzeit mit gestiegenen Kosten in nahezu allen Bereichen des Lebens zu kämpfen. Brantner sieht als einen großen Inflationstreiber dabei die Energiekosten aufgrund des Angriffs Putins auf die Ukraine. Diese seien zwar wieder gesunken, es gehe in Zukunft aber darum, die Preise niedrig zu halten. Eigentlich liefern die erneuerbaren Energien günstigen Strom, jedoch seien die Systemkosten, also die Transportkosten von A nach B, ein Problem. „In der Vergangenheit wurden viele tausend Kilometer Netzausbau geplant, jedoch ohne tragfähige Finanzierungsmodelle. Jetzt sehen wir die Konsequenzen: Die Netzentgelte belasten die Verbraucher, weil die Kosten auf wenige Generationen umgelegt werden“, so Brantner. Der Vorschlag der Grünen sei es daher, diese Kosten über mehrere Generationen hinweg zu strecken, so wie es auch beim Bau des Bahnnetzes gemacht worden sei. „Die ersten Bahnkunden mussten damals auch nicht die gesamte Infrastruktur bezahlen.“

Mietpreisbremse verlängern

Bei den hohen Mietkosten setzt Brantner auf eine Doppelstrategie. Zum einen müsse das Bauen günstiger werden. Etwa durch Entbürokratisierung, bessere Kredite oder die Förderung von Bausparverträgen. Zum anderen sei die Verlängerung der Mietpreisbremse und das Stopfen von Schlupflöchern essenziell. Günstiger dürfte es durch die Mietpreisbremse allerdings nicht werden, gibt Brantner zu: „Die Mietpreisbremse senkt die bestehenden Mieten nicht, aber sie begrenzt zukünftige Mietsteigerungen – und das ist gerade in unserer Region äußerst relevant.“

Sicherheit stärken

Der tödliche Messerangriff auf eine Kindergruppe in Aschaffenburg gehe ihr sehr nahe: „Es gibt nichts Niederträchtigeres als wenn Kinder ermordet werden.“ Bundesweit müssten deshalb die Sicherheitsbehörden gestärkt und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessert werden. Dazu gehöre auch, alle Asylverfahren zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass europäische Partner die Menschen zurücknehmen, für deren Asylverfahren sie zuständig sind. Grenzschließungen hingegen würden gerade den Menschen und den Unternehmen in den Grenzregionen schaden und massiv Personal bei der Polizei binden, das etwa bei der Schleierfahndung gezielter eingesetzt werden könne. „Wir sind und bleiben eine weltoffene Region und wissen, dass unsere Kraft auch darauf aufbaut, dass viele Menschen bei uns mitanpacken und sich hier einbringen.“

Der Einzug in den Bundestag ist Franziska Brantner auf Grund ihres Listenplatzes so gut wie sicher.
Der Einzug in den Bundestag ist Franziska Brantner auf Grund ihres Listenplatzes so gut wie sicher.Foto: cs

Erfolge für den Wahlkreis

Mit Blick auf die letzte Legislatur sieht Brantner einige Erfolge für die Region, etwa im Gesundheitsbereich. So seien die Grundlagen für die Fusion der Kliniken Heidelberg und Mannheim geschaffen worden. „Das ist ein wesentlicher Schritt, um den Gesundheitsstandort hier langfristig zu sichern und die medizinische Versorgung auf hohem Niveau zu halten“, so Brantner. Auch eine verbesserte Zuganbindung in Richtung Frankfurt aus der Region sei durch die Riedbahnsanierung möglich geworden. Hier habe man erstmals eine ganze Bahnstrecke saniert, statt dauerhaft an Kleinbaustellen zu arbeiten.

Chancen bei der Wahl

Ob sich Franziska Brantner auch in diesem Jahr das Direktmandat holen kann, ist ungewiss. In den bundesweiten Umfragen stehen die Grünen ähnlich da wie bei der letzten Wahl – die Union hingegen hat sich klar verbessert. Mit einem Einzug in den Bundestag kann Brantner aber so oder so rechnen. In Baden-Württemberg steht sie auf Listenplatz 1. (km)

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Alle Infos zum Wahlkreis sowie Gespräche mit weiteren Kandidaten gibt es hier.

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von Redaktion NUSSBAUMKevin Moschner
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