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"Haagenbäck"

Franz Haag war Bäckermeister und Gastwirt und stammte aus Seedorf bei Oberndorf, seine Frau Karoline aus Bächlingen – Nesselbach bei Künzelsau. Ihr...

Franz Haag war Bäckermeister und Gastwirt und stammte aus Seedorf bei Oberndorf, seine Frau Karoline aus Bächlingen – Nesselbach bei Künzelsau. Ihr Haus war das heutige „Ambiente“. Als Bäcker war Franz Haag, genannt „Haagenbäck“, im großen Umkreis bis Stuttgart bekannt und das wegen seiner guten Brezeln und Wecken. Am Samstag ging seine Frau Karoline, bepackt mit Brezeln und Wecken in Netzen umgehängt, von Haus zu Haus und verkaufte die Brezel für 7 Pfennige. Als Kinder warteten wir schon immer auf die guten Brezeln und Milchbrote. In seiner Gaststube waren keine Nazis zu sehen, da er in der Zentrumspartei war. Diese Gesinnung gab er auch während der NS-Zeit trotz großem Druck nicht auf. Seine Einstellung verteidigte er neben Karl Wolf, Wilhelm Kohler und Emil Walter vehement. Dies war einigen SA Leuten nicht recht und so kam die Gestapo zu ihm und holte ihn ab. Beim Verhör stellte sich heraus, dass Franz und der verhörende Offizier im 1. Weltkrieg miteinander im Verteidigungsgraben lagen und sich somit kannten. Sie umarmten sich, somit war Franz wahrscheinlich vor dem Konzentrationslager verschont geblieben. Dieser Offizier war noch „normal“ geblieben und hat vielen Personen im Kreis Heilbronn das Leben gerettet. Franz zog die Konsequenz und schloss seine Wirtsstube und die Bäckerei.

Allerdings ließen ein Großteil der Abstatter Bürger den „braunen Gesellen“ keine Ruhe, denn sie wollten wieder ihre Bäckerei haben. Somit mussten sie mit Franz verhandeln, dass er seine Entscheidung rückgängig macht. Franz ließ sich dazu bewegen und führte die Bäckerei weiter. Die Wirtsstube aber blieb geschlossen.

Die Tochter von Franz namens Erna war einige Jahre vor dem Krieg nach Amerika ausgewandert und dort verheiratet. Der Sohn Oskar hatte Kaufmann gelernt, war im Krieg und ist im Osten in einem Lazarett am 23.02.1943 gestorben.

Als nun die Kriegsfront auf Abstatt zukam, sagte Franz zu seinem Freund Emil Walter: „Wenn der Amerikaner hier ist, dann feiern wir!“ In der Nacht passierte etwas ganz Schreckliches! Aus Angst vor Beschuss durch die deutschen oder amerikanischen Truppen suchten die Abstatter, wo sie konnten über Nacht einen Schutzraum auf. Abstatt war zu dieser Zeit Niemandsland. Die deutschen Truppen hatten sich zurückgezogen und die amerikanischen Truppen hatten mit schweren Verlusten den Neckar überwunden. Die Neckarbrücken waren alle gesprengt und Heilbronn von den Amerikanern eingenommen. So waren sie noch nicht nach Abstatt gekommen.

Franz Haag hatte einen großen Gewölbekeller, in dem er auch der Nachbarschaft Unterschlupf gewährte. Nur seinem Nachbar Karl Krafft mit Familie verwehrte Franz wegen einer Meinungsverschiedenheit den Zutritt. Auf dem Haigern war inzwischen die amerikanische Artillerie in Stellung gegangen. Zum Einschießen wurde der erste Schuss immer an einem Punkt, meist eine Straßenkreuzung, gemacht. Zufällig war dies die Kreuzung Rathausstraße, Bergle und Goldschmiedstraße.

Nun flog dieses Geschoss durch das „Rüstloch“, vor dem ein schwerer Stein lag, in den Keller und explodierte. Es überlebte nur eine Person schwerverletzt, alle anderen waren sofort tot. Im Keller waren Franz Haag mit seiner Frau, Albert Vogel mit seiner Frau Marie und die Töchter Anna und Marie, außerdem Amalie Schäfer mit ihren Söhnen Fritz (10 Jahre), Karl (8 Jahre) und einer Schwester. Somit starben am 14.04.1945 insgesamt 9 Personen in diesem Keller. Anna Vogel überlebte als einzige.

Bericht von Herrn Karl Krauß

Erscheinung
Abstatt im Schozachtal – Ortsnachrichten der Gemeinde Abstatt
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Ausgabe 24/2025
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