In Stein hat der Heimatausschuss Batsch-Brestowatz ein Treffen organisiert, um an das Leben in dem heute zu Serbien gehörenden Dorf zu erinnern. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren dort viele Donauschwaben zu Hause.
Auch wenn die Ereignisse schon 80 Jahre zurückliegen, auch wenn sie sich längst ein neues Leben aufgebaut haben, können die noch lebenden Zeitzeugen nie vergessen, was im Oktober 1944 passiert ist. In Vorträgen, in Reden und in einem bewegenden Film berichten sie von ihrer alten Heimat, von ihrer Kindheit, vom dörflichen Leben, aber auch von der Flucht, der Vertreibung und dem Neubeginn in der Fremde. In Stein steht am Samstag die Erinnerung an Batsch-Brestowatz im Mittelpunkt: ein Dorf, das heute in Serbien liegt und mehr als 200 Jahre die Heimat Tausender Donauschwaben war. Viele von ihnen traten am 8. Oktober 1944 die Flucht an, viele kamen in die spätere Bundesrepublik. Auch nach Stein, wo sich der Heimatausschuss Batsch-Brestowatz mit viel ehrenamtlichem Engagement für das Bewahren der Geschichte einsetzt und ein Museum betreibt. Mit großem Aufwand hat er ein Heimattreffen organisiert, zu dem zahlreiche Gäste gekommen sind, darunter auch einige ehemalige Bewohner von Batsch-Brestowatz, die inzwischen in der ganzen Republik, teilweise auch im Ausland leben. Als sie sich am Samstag zu einem Gruppenbild aufstellen, ist das einer jener Momente, die noch lange in Erinnerung bleiben werden.
Die Vorsitzende des Heimatausschusses, Eva Stariha-Marschall, freut sich über das große Interesse an der Veranstaltung, über die wertvollen Begegnungen, über die guten Gespräche und über die vielen Ehrengäste, die der Einladung gefolgt sind. Etwa der langjährige Gemeinderat und Schulrektor Udo Mack und der ehemalige baden-württembergische Innenminister Heribert Rech, der selbst aus einer donauschwäbischen Vertriebenenfamilie stammt und bis 2011 Landesbeauftragter für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler war. Bürgermeister Heiko Genthner schlägt in seiner Rede die Brücke zu aktuellen Geschehnissen und zu heutigen Herausforderungen in Königsbach-Stein. Aus Rom ist Johannes Palus angereist, dessen Vorfahren mütterlicherseits einst in Brestowatz lebten. Der Geistliche arbeitet im Staatssekretariat des Vatikan und gestaltet am Samstag mit Pfarrer Joachim Viedt den Gottesdienst. In seiner Predigt spricht er über den Gedanken der Heimat, der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung zieht. In einem bewegenden Vortrag berichtet Matthias Marschall von seinen Erinnerungen an den letzten Tag in Batsch-Brestowatz, vom Läuten der Glocken, vom Fertigmachen für die sonntägliche Frühmesse und von dem Ausrufer, der überraschend im Dorf auftauchte, um zu verkünden, dass die Deutschen fliehen müssten. Elf Jahre war Matthias Marschall damals alt, seine Schwester Eva Stariha-Marschall acht. Lebendig und authentisch schildert er, wie die Familie am 8. Oktober 1944 eilig das Notwendigste zusammenpackte, wie auf dem Marktplatz eine Kolonne gebildet wurde, die anschließend durch die Dämmerung in Richtung Österreich fuhr.
Sein Sohn Andreas Marschall hat mit Zeitzeugen gesprochen und einen Film produziert, der im Steiner Heimatmuseum zu sehen ist. In ihm kommt auch Eva Stariha-Marschall zu Wort und berichtet, wie sie sich als Kind von ihrem Großvater verabschiedete, nachdem dieser sich in letzter Minute gegen eine Flucht entschieden hatte. Es war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hat. Wer als Deutscher in der Batschka blieb, wurde von den dort herrschenden Tito-Partisanen entrechtet, teilweise gefoltert, um seinen Besitz gebracht, zu harter Arbeit gezwungen und ermordet. Nach einer Zwischenstation in Österreich trafen 1946 mehr als 90 Familien aus Batsch-Brestowatz in Stein ein. Auch, wenn sie sich dort ein neues Leben aufbauten und aktiv in das Dorfleben einbrachten, dachten sie immer an ihre alte Heimat.
Der ehemalige Bürgermeister Bernd Kielburger lobt das große Engagement, mit dem der Heimatausschuss Batsch-Brestowatz die Erinnerung seit Jahrzehnten lebendig hält. Er verweist auf die Patenschaft, die die Gemeinde Königsbach-Stein 1974 für die Batsch-Brestowatzer übernommen hat. Und würdigt den Einsatz des ehemaligen Vorsitzenden Georg Hehn, der immer tatkräftig angepackt und stets an das Bewahren der Geschichte, aber nie an Rachegelüste gedacht habe. Durch eine „glückliche Fügung“ konnte die Gemeinde im neuen Jahrtausend das Amtsdienerhaus erwerben, in dem sich seit 2008 das Heimatmuseum befindet. Zu sehen gibt es Trachten, Gebetbücher, Fotografien, Gemälde, Geräte für Küche, Garten- und Feldarbeit, zudem den Fluchtwagen, mit dem die amtierende Heimatausschuss-Vorsitzende Eva Stariha-Marschall und ihr Bruder 1944 in Österreich ankamen. Nachdem der Wagen damals dort zurückbleiben musste, ist es dem ehemaligen Vorsitzenden des Heimatausschusses, Georg Richter, später gelungen, ihn nach Stein zu holen, wo er unter Federführung von Josef Stariha restauriert wurde. – Nico Roller