Dr. Hendrik Bednarz ist aktuell Erster Bürgermeister der Stadt Rottenburg am Neckar und verantwortet dort zugleich das wichtige Finanzressort. Nun folgt der nächste politische Schritt: Im dritten Wahlgang wurde der SPD-Kreisrat am 23. Juli 2025 zum künftigen Landrat des Landkreises Tübingen gewählt. Auf Hendrik Bednarz entfielen 32 der 63 abgegebenen Stimmen, auf Dr. Daniela Hüttig, Erste Landesbeamtin des Landkreises Tübingen, 31 Stimmen. Damit folgt Dr. Hendrick Bednarz in diesem Amt Landrat Joachim Walter nach, der nach 22 Jahren als Landrat zum 1. Oktober 2025 in den Ruhestand tritt. Im Interview mit unserer Redaktion hat Dr. Bednarz über seine Sicht auf den Landkreis, seine Ziele und die Herausforderungen im Amt
gesprochen.
Herr Dr. Bednarz, herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Wahl! Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns einige Fragen zu Ihrer politischen Motivation sowie zu aktuellen Themen im Landkreis Tübingen zu beantworten. Zu Beginn möchten wir gern erfahren, was Sie persönlich motiviert hat, für das Amt des Landrats im Landkreis Tübingen zu kandidieren?
Demokratie lebt davon, dass Menschen Verantwortung für sie übernehmen. Das will ich gerne tun. Ich bin gerne Bürgermeister in Rottenburg. Aber als Landrat kann ich mehr gestalten. Dabei reizt mich die Schnittstelle zwischen staatlicher und kommunaler Selbstverwaltung.
Ein neues Amt bringt viele Gestaltungsmöglichkeiten mit sich. Welche drei Themen stehen für Sie ganz oben auf der Agenda Ihrer anstehenden Amtszeit? Was möchten Sie unbedingt anstoßen oder voranbringen?
Ein zentraler Punkt sind natürlich die Finanzen. Wir werden nicht darum herumkommen, Prioritäten zu setzen und Einsparungen vorzunehmen. Abläufe und Personalstrukturen werden unter Einbeziehung der Mitarbeitenden zu hinterfragen sein. Unter anderem müssen im Jugendamt verlässliche Strukturen aufgebaut werden, damit es leistungsfähig ist und effizient und professionell arbeiten kann. Wichtigstes Investitionsprojekt ist die Regionalstadtbahn. Dabei wird es auch darum gehen, wie wir künftig deren Betrieb finanzieren.
Welche Werte und Überzeugungen sind Ihnen als Landrat besonders wichtig? Und wie prägen diese Ihren politischen Stil?
Ich will die vielen bestehenden Herausforderungen sachorientiert angehen. Dabei geht es mir um pragmatisches Handeln und nicht um parteipolitische Spielchen. Ich will Landrat für alle sein. Ich will dazu Brücken zwischen den politischen Lagern bauen und überparteilich agieren. Die großen Herausforderungen unserer Zeit können nur dann bewältigt werden, wenn wir als Gesellschaft solidarisch zusammenhalten. Es ist weniger denn je die Zeit für Einzelkämpfer, Selbstdarsteller und Spalter. Vielmehr geht es um die gemeinsame Verantwortung für unsere Gesellschaft.
Der Klimaschutz zählt zu den zentralen Zukunftsaufgaben im Landkreis Tübingen. Wie beabsichtigen Sie, die bestehenden kommunalen Klimaziele weiterzuentwickeln und durch konkrete Maßnahmen zu untermauern? Welche Bedeutung messen Sie in diesem Zusammenhang der Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden bei?
Wir als Landkreis haben beim Klimaschutz vor allem den öffentlichen Personennahverkehr als wichtige Stellschraube in der Hand. In diesem Zusammenhang spielt die Regionalstadtbahn eine zentrale Rolle. Sie wird ein Meilenstein für eine leistungsfähige und klimafreundliche Verkehrsinfrastruktur sein. Wir benötigen sie damit unsere Unternehmen ihre Fachkräfte halten können. So können sich etwa die wenigsten Pflegekräfte eine Wohnung in Tübingen leisten, wo sie aber arbeiten. Durch die Regionalstadtbahn rücken die Städte und Gemeinden unserer Region näher zusammen.
Große Herausforderungen gibt es auch im Bereich der medizinischen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum. Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, Hausärzte zu halten oder neue Fachärztinnen und Fachärzte für den Landkreis zu gewinnen? Welche Ideen bringen Sie dafür mit?
Grundsätzlich sind wir im Landkreis Tübingen durch das Universitätsklinikum geprägt. Auch durch die Nähe zur Universität ist die Versorgung mit Hausärzten und Fachärztinnen und Fachärzten im Landkreis insgesamt sehr viel besser als in anderen Landkreisen. Dennoch gibt es auch bei uns Bereiche – etwa in den ländlichen Gebieten, in denen die Versorgung als defizitär wahrgenommen wird. Hier könnte etwa der Aufbau medizinischer Versorgungszentren ein Lösungsansatz sein. Zentraler Player ist dabei aber stets die kassenärztliche Vereinigung. Sie vergibt die Arztsitze und entscheidet damit direkt darüber, wo welche Arztpraxen realisiert werden können. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Kreisaufgaben. Gegebenenfalls können wir eine vermittelnde Rolle einnehmen.
Ein weiteres bedeutendes Thema ist die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein – wo sehen Sie wirtschaftliches Potenzial, und wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die kommenden Jahre?
Wir leben im Landkreis Tübingen in einer der Boom-Regionen schlechthin. Auch bedingt durch die Universität Tübingen haben sich hier in den letzten 20 Jahren viele Unternehmen im medizinischen und biotechnologischen Kontext angesiedelt. Darüber hinaus ist der Landkreis geprägt von mittelständischen Unternehmen, die teilweise High-Tech-Produkte entwickeln und fertigen. Schließlich ist das Handwerk ein wichtiger Faktor. Allen gemeinsam ist der Bedarf an Arbeitskräften. Dabei kommen auch unseren beruflichen Schulen eine wichtige Bedeutung zu. Außerdem bietet die Integration ausländischer Menschen in den Arbeitsmarkt eine große Chance. Schließlich spielt in diesem Zusammenhang aber auch ganz generell die Regionalstadtbahn und eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur eine wichtige Rolle.
Der soziale Zusammenhalt ist gerade in Krisenzeiten ein hohes Gut. Wie möchten Sie die soziale Teilhabe im Landkreis fördern – etwa für ältere Menschen, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen oder Geflüchtete?
Wir verdanken unseren Wohlstand neben Erfindungsreichtum und Leistungsbereitschaft gerade auch unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb ist aus meiner Sicht professionelle soziale Arbeit etwa im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes oder beim Umgang mit Geflüchteten eine wichtige Voraussetzung nicht nur um Fachkräftepotentiale zu nutzen, sondern um zugleich gesellschaftliche Konflikte zu minimieren. Im Hinblick auf ältere Menschen kann der Landkreis vor allem Träger von Angeboten der Altenhilfe und in Kooperation mit dem Kreisseniorenrat sinnvoll mit Städten und Gemeinden vernetzen.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wenn wir in fünf Jahren auf Ihre bisherige Amtszeit zurückschauen – woran, glauben Sie, soll Ihre Arbeit für die Menschen im Landkreis Tübingen erkennbar sein? Was möchten Sie nachhaltig hinterlassen?
Zunächst will ich einen Geist des Miteinanders und des Kompromisses vermitteln. Nur gemeinsam klären wir die großen Fragen unserer Zeit. Ich will bei den Menschen aber auch bei den Mitarbeitenden im Landratsamt zu einem optimistischen Blick auf unsere Zeit beitragen. Die Regionalstadtbahn wird hoffentlich fertig geplant und hinsichtlich erster Teilstrecken in die Umsetzungsphase eingetreten sein.