(me) Als Diener von Schloss Solitude in rot-weißer Rokokokleidung und lockigem weißem Haar hielt Ewald Gaukel vom Heimatverein Münchingen kürzlich den Vortrag „Auf den Spuren von Pfarrer Flattich und Graf Görlitz“ im Johann-Friedrich-Flattichhaus in Münchingen. Zu dieser Kooperationsveranstaltung hatten das Heimatmuseum und der Heimatverein sowie die Evangelische Verbundkirchengemeinde Münchingen-Kallenberg eingeladen. Sie zählte zum Rahmenprogramm der aktuellen Ausstellung „Vielfalt & Gegensätze: von den 70ern bis heute“ im Heimatmuseum. Das 50-Jahr-Jubiläum und die 70er Jahre als historischer Hintergrund für den Zusammenschluss von Korntal und Münchingen sind die Themen dieser Ausstellung, die noch bis zum 29.06.2025 zu sehen sein wird.
Rund 100 Interessierte hatten sich im Erdgeschoss des Flattichhauses eingefunden. Darunter viele aus Korntal-Münchingen aber auch solche von außerhalb des Landkreises Ludwigsburg. Mit Kaffee, Getränken, Kuchen und Eis wurden die Gäste zu Beginn empfangen. Anschließend berichtete der „Diener“ über die geschichtlichen Verbindungen zwischen Korntal und Münchingen, die es schon vor dem Zusammenschluss zur Bindestrichstadt gegeben hatte.
Der ehemalige Gutshof Korntal gehörte von 1621 bis 1819 zum Besitz der Adelsfamilie von Münchingen. Philipp Christoph von Münchingen, aufgewachsen im Alten Schloss von Münchingen, hatte es in den Jahren 1621 und 1629 erworben. Da die davor bestehenden landwirtschaftlichen Gebäude nicht den Repräsentationswünschen der adligen Familie entsprachen, entstand 1691 das Landschloss Korntal auf dem Gelände des ehemaligen Ritterguts.
Philippina Margaretha von Münchingen prägte die weitere Entwicklung von Korntal und Münchingen. Sie zog in das Landschloss und heiratete 1766 den Obristen Friedrich von Görlitz. Ihr Sohn Ernst Eugen von Görlitz wurde am 17. Juni 1768 geboren. Im Alter von 8 Jahren war dieser Schüler von Pfarrer Johann Friedrich Flattich in Münchingen. Görlitz bekleidete verschiedene hohe Ämter im Herzogtum Württemberg und ab 1806 im Königreich Württemberg. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in den Grafenstand erhoben.
Görlitz erbte von seiner Mutter den halben Anteil vom Hofgut Korntal. Er verkaufte diesen 1819 zusammen mit dem anderen halben Anteil von Oberst Ludwig von Münchingen an Gottlieb Wilhelm Hoffmann zur Gründung der Brüdergemeinde Korntal. Er verstarb am 12. März 1830.
Nach dem historischen Vortrag berichtete Naomi Gaukel über Johann Friedrich Flattich, sein Menschenbild und seine Pädagogik. Geboren wurde er 1713 in Württemberg. Von 1750 bis zu seinem Tod 1797 war er Pfarrer in Münchingen. „Flattich lebte selbst als Vorbild: bescheiden, zugewandt, streng, aber barmherzig“, so die Enkelin von Ewald Gaukel. „Er setzte ein bis heute modernes Konzept der Ganzheitspädagogik um. Es ging ihm darum, den Verstand zu fördern, das Gewissen und den Glauben zu prägen und Lebenskompetenzen zu lehren.“
Nachdem allen an dieser Veranstaltung Engagierten gedankt wurde, darunter auch Gerlinde Großmann und ihren beiden Helferinnen aus dem Sprachcafé für die Organisation der Verköstigung, lud Miriam Ecker, Leiterin des Heimatmuseums, zur Führung ins Museum ein. Erst wurde die „Flattich-Ausstellung“ im Obergeschoss betrachtet und abschließend die aktuelle Ausstellung zum Stadtjubiläum.