KULTUR UND FREIZEIT WITTENDORF lud zum historischen Dorfrundgang mit Museumsleiter Bernd Stöffler ein – langjährige Dorfgeschichte von Wittendorf lebendig erzählt:
Am vergangenen Wochenende lud Kultur und Freizeit Wittendorf zu einem besonderen Ereignis ein: einem historischen Dorfrundgang durch Wittendorf, geleitet von Museumsleiter Bernd Stöffler. Ca. 50 interessierte Besucher versammelten sich, trotz des regnerischen Wetters, zum Auftakt am Rathaus, wo Herr Stöffler mit einer kurzen, spannenden Einführung in die Geschichte und Entstehung des Ortes begann.
Wittendorf wurde zum ersten Mal 1143 urkundlich erwähnt, ist aber deutlich älter. Die Spuren reichen bis in die Steinzeit.
Auch keltische Funde wurden am Bellenstein von Prof. Dr. Oscar Paret und Berau gemacht.
Nicht zu vergessen, das große Gräberfeld der Alamannen.
Ein merowingerzeitliches Gräberfeld ist im Gewann Laiberg / Steingau / Kalkofen 1991 ausgegraben worden. 96 Gräber mit teilweiser Doppelbestattung wurden dokumentiert. Schon 1910 und 1911 fand man zwei Kindergräber. Der Friedhof umfasste vermutlich 300 bis 400 Bestattungen in der Zeit zwischen 630 und 670. Demnach muss der Ort bereits eine ansehnliche Größe gehabt haben. Das Gräberfeld ist das am weitesten westlich gelegene vor dem Schwarzwald. Originalfunde wie Schmuck, Gebrauchsgegenstände und Waffen sind im Heimatmuseum Loßburg ausgestellt. An dem Skelett einer 20- bis 25-jährigen Frau sind deutliche Merkmale der Altersbestimmung abzulesen.
Älteste datierbare Fundstücke aus Wittendorf sind zwei römische Münzen, davon eine von Marc Aurel, römischer Kaiser 161 bis 180 nach Christus. Die Münzen befanden sich im Nachlass von Wilhelm Paret (Pfarrer in Wittendorf von 1894 bis 1924).
Wittendorf wurde mehrfach durch Dorfbrände verwüstet, der größte Brand fand 1846 statt, wo auch das Schulhaus abbrannte. Die Wittendorfer hatten bereits 1582 eine Schule, die zu einer der ältesten in der Umgebung zählte. Die Schule wurde im jetzigen Zustand 1848/49 neu gebaut nach dem großen Dorfbrand 1846, den der Dorfschultes Friedrich Beilharz (1853-1905 Schultes in Wittendorf) ausführlich in seinem Lebenslauf von 1903 schilderte.
Auch ein Original Schwabo Nr. 1 von 1835 von einem Leser aus Wittendorf wurde bestaunt.
Der Kirchturm der Martinskirche dürfte über 1200 Jahre alt sein. Es wird vermutet, dass in Wittendorf schon 700 - 800 nach Chr. die erste Kirche gebaut wurde.
1892 wurden bei Restaurierungen Grundrisse einer kleineren Kirche gefunden.
Eines der ältesten Gebäude in Wittendorf dürfte der Kornspeicher sein, in welchem sich das Heimatmuseum befindet. Er wurde 1502 als Zehntscheuer gebaut.
Dass Wittendorf schon damals nicht weitab vom Schuss war, zeigt ein Foto von Wilhelm Paret mit einem der ältesten Autos der Welt, das privat erworben wurde. Der Besitzer war Arthur Junghans, der größte Uhrenfabrikant Europas aus Schramberg.
Das Auto wurde 1894 gebaut, kostete 4800 Reichsmark und steht heute im Deutschen Museum in München.
Das Auto war 1896 zum ersten Mal im Ort zu sehen beim Besuch von Arthur Junghans bei Wilhelm Paret und wurde ein Jahr später noch einmal in Wittendorf gesehen.
In seinem lebendigen Vortrag zitierte Bernd Stöffler aus der alten Oberamtsbeschreibung, in der über Wittendorf zu lesen war: Es war nicht erkennbar, dass die Böden in Wittendorf so fruchtbar sind. Der Ort hatte zahlreiche Quellen und eine sonnige Lage. Und weiter: „Die Bewohner sind sehr fleißig, groß gewachsen und im Allgemeinen wohlhabend.“
Weiter ging es durch das Unterdorf, wo Bernd Stöffler und der ehemalige Ortsvorsteher Gottlob Huß zu zahlreichen Häusern spannende Geschichten und unterhaltsame Anekdoten zum Besten gaben – von ehemaligen Handwerksbetrieben bis hin zu bemerkenswerten Persönlichkeiten des Dorfes.
Eine gemütliche Rast wurde im Schillingerhof (das heutige Gebäude wurde 1838 erbaut, die Grundmauern sind aber wesentlich älter) eingelegt, wo die Teilnehmenden bei Kaffee und kühlen Getränken Gelegenheit zum Austausch hatten. Den stimmungsvollen Abschluss fand der Rundgang in der neu renovierten Martinskirche. Dort begrüßte Frau Pfarrerin Stierlen die Gruppe und ergänzte die historischen Eindrücke mit Informationen zur jüngsten Restaurierung.
Ein rundum gelungener Vormittag, der Vergangenheit und Gegenwart von Wittendorf auf anschauliche Weise miteinander verband – und sicher nicht der letzte Rundgang dieser Art war.
Anschließend wurde im Gasthaus Löwen eingekehrt. Es gab gemischten Sonntagsbraten mit Spätzle und Kartoffelsalat.